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Wohin weht der Wind?

Energiepolitik
Wohin weht der Wind?

Der Bundesverband Wind-Energie (BWE) ist Ansprechpartner für Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Medien. Er ist Partner von über 3000 Unternehmen der Branche und vertritt knapp 20.000 Mitglieder. Wir sprachen mit Geschäftsführer Wolfram Axthelm über den Status Quo der Branche und den Windkraftgipfel mit Minister Altmaier.

Michael Grupp
Freier Journalist in Stuttgart

Herr Axthelm, unterstützt die Politik die Windkraft-Branche ausreichend?

In den Jahren 2014 bis 2017 lag der jährliche Zubau bei durchschnittlich 4600 MW. Dies ist das erforderliche Niveau zur Erreichung der Klimaziele. Die Halbierung des deutschen Marktes durch das politisch vorgeschriebene Ausschreibungsvolumen von 2800 MW und der Fehlstart der Ausschreibungen in 2017 – als über 90 %der Zuschläge an Projekte ohne Genehmigungen und mit Realisierungsfrist von viereinhalb Jahren gingen – erschüttern die Branche. Hinzu kommen Probleme bei Flächenausweisungen, in der Dauer der Genehmigungsverfahren und eine Klageflut. Als Resultat haben wir 2019 einen Rückgang der installierten Windenergieanlagen von über 80 % im Vergleich zum Vorjahr zu verzeichnen. Ein gefährlicher Mix, der dringend aufgelöst werden muss. Dafür brauchen wir Lösungen aus der Politik. Neben dem Bund sind auch die Länder gefragt. Niemand darf sich aus der Verantwortung nehmen.

Welche Rolle spielt der Windkraftgipfel mit Minister Altmaier?

Im Jahr 2017, dem letzten bislang statistisch erfassten, sind rund 26.000 Jobs in der Windenergiebranche verloren gegangen. Durch den aktuell stark eingebrochenen Zubau dürften sich diese Zahlen noch deutlich vergrößert haben. Angesichts der guten Beschäftigungslage in Deutschland finden die Menschen schnell wieder Arbeit, aber die qualifizierten Fachkräfte drohen der Windenergie langfristig verloren zu gehen. Es ist allerhöchste Zeit die Probleme, vor denen wir schon seit Jahren gewarnt hatten, anzugehen.

Welche Impulse und welchen Rückenwind erhoffen Sie sich von diesem Gipfel?

Die Energiewende ist ein gesamtgesellschaftliches Projekt. Der derzeit stockende Windenergieausbau wirft die Umsetzung der Energiewende zurück und gefährdet einen geordneten Weg in die CO2-freie Energiewirtschaft. Deshalb ist es gut und richtig, dass der Bundeswirtschaftsminister alle Beteiligten – auch die Gegner der Windenergie – an einen Tisch gerufen hat. Es ist wichtig – wie beim Netzausbau – eine nach vorn gerichtete Verständigung zu erzielen. Aber wir müssen diesen Prozess mit überprüfbaren Fortschritten unterlegen. Mit einem Treffen ist es nicht getan.

Wie will der BWE den Genehmigungsstau abbauen?

Wir brauchen ein stärkeres Commitment, damit die Energiewende als gesamtgesellschaftliche Aufgabe von allen politischen Ebenen mit Nachdruck vorangebracht wird. Wir als Branche wollen auf lediglich 2 % der Fläche unseren Beitrag zur Energiewende erbringen. Wir brauchen dringend mehr Personal in den Behörden, damit die Entscheide schneller getroffen werden können. Außerdem braucht es eine Vereinheitlichung im Bereich der Abwägung beim Natur- und Artenschutz. Hier muss das Bundesumweltministerium gemeinsam mit den Ländern einen Leitfaden erarbeiten, der den Behörden vor Ort hilft. Gerade hier ist nicht ausreichend Rechtssicherheit gegeben, was zu Klagen und Verzögerungen führt.

Was passiert wirtschaftlich mit Anlagen, die nach 20 Jahren nicht mehr gefördert werden?

Ab 2021 fallen aber die ersten Anlagen aus der 20-jährigen EEG-Förderung. Damit stellt sich für diese Anlagen die Frage, ob sie profitabel weiterbetrieben werden können. Technisch ist das vermutlich möglich. Aber ohne Förderung wird es für die alten, kleineren Anlagen aus dem Jahr 2000 schwierig, am Markt zu bestehen. Das ist natürlich auch abhängig von den Preisen am Strommarkt. Ein wichtiger Hebel wäre hier die CO2-Bepreisung. Auch andere Lösungen wie direkte Abnahmeverträge mit Unternehmen (Power-Purchase-Agreements) oder Sektorenkopplung über Power-to-X sind denkbar, aber noch nicht sehr erprobt. Im Zweifel bleibt dann nur der Rückbau.

Ist aus Ihrer Sicht die Windkrafttechnik ausgeforscht, oder kann durch innovative Entwicklungen Leistung und Wirkungsgrad weiter erhöht werden?

Wir sehen derzeit Neubauten im Bereich von 4 bis 5 MW Onshore und bis zu 10 MW Offshore. Das sind Dimensionen, die wir vor 10 Jahren noch nicht für möglich gehalten hätten. Klar ist, dass es irgendwo ein Limit des physikalisch Möglichen gibt. Auch die Transportbedingungen werden nicht leichter, wenn die Rotorblätter an Länge zunehmen. Dennoch sind wir überzeugt, dass wir auch 6 MW Windenergieanlagen an Land sehen werden. Dazu kommen weitere Verbesserungen im Bereich der Flexibilisierung.

Ist Windkraft eine industriell nutzbare Energiequelle?

Auf jeden Fall. Mit dem Ende der Atomenergie und der Braunkohlenutzung wird Windenergie gemeinsam mit der Solarenergie das Energiesystem der Zukunft tragen. Schon heute erfolgen über 20 % der deutschen Energieerzeugung aus Windenergie. Durch technologische Verbesserungen tragen wir immer verlässlicher zur Stromversorgung bei. Weitere Neuerungen im Bereich der Flexibilisierung und der Speichertechnologien werden die Windenergie auf ein neues Level heben. Die Frage beantwortet die Industrie übrigens selbst. Sie fordert inzwischen selbst einen Ausbau der Windenergie, weil der Bedarf nach CO2-freiem Strom in der Produktion immer größer wird.

Bisher haben Bürgerwindparks für den Ausbau der Windkraft gesorgt. Wird dieser Trend anhalten oder werden die großen Stromanbieter nachziehen?

Die Akteursvielfalt in Deutschland ist ein großes Plus und weltweit ein Alleinstellungsmerkmal. Sie trägt stark zur Akzeptanz der Energiewende bei, denn Bürger können sich finanziell an Windparks beteiligen und so Wertschöpfung im ländlichen Raum erzielen. Wir sollten allerdings die Chancen der neuen EU-Richtlinie nutzen und das Segment der echten Bürgergesellschaften und Energiegenossenschaften aus dem Ausschreibungskorsett lösen.

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