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Wohlfühlklima bei der Arbeit

Sonnenschutz: Gaschrome Fenster regulieren Licht und Wärme
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Gaschrome Fenster lassen sich per Knopfdruck verdunkeln, ohne dabei die Durchsicht zu begrenzen. Gleichzeitig wird der Wärmeeintrag durch Sonnenenergie um bis zu 95 % reduziert (Bild: ISE)
Gaschrome Fenster verfärben sich stufen-los per Knopfdruck: Sonnenlicht und Wärme bleiben draußen. Die vom Fraunhofer ISE entwickelte Technik für großflächige Fassaden erreicht jetzt die Pilotphase.

Mit unseren gaschromen Fenstern wird sich der Sonnenschein schon bald nach Belieben regeln lassen“, prognostiziert Dipl.-Phys. Wolfgang Graf. Der Projektleiter am Freiburger Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme (ISE) erklärt: „Die Transmission, also der Anteil des eindringenden Sonnenlichts, kann am einzelnen Fenster oder an der ganzen Gebäudefassade nach Bedarf per Knopfdruck stufenlos von 75 auf rund 1 % reduziert werden.“ Dabei verfärbe sich das zunächst transparente Glas blau.

Gleichzeitig absorbiert ein gaschromes Fenster bis zu 95 % der eingestrahlten Sonnenenergie, so dass die Innenräume nicht aufheizen. Dadurch lässt sich ein Teil der für Klimaanlagen erforderlichen Kühlenergie einsparen. Ist auch die Südseite von Fassaden großzügig verglast, kann im Winter hingegen mit dem System die erforderliche Heizenergie reduziert werden. Bisher verzichten viele Planer und Betreiber von Industriebauten wegen der sommerlichen Überhitzungsgefahr weitgehend auf diese Möglichkeit.
Im Herbst beginnt die Pilotproduktion für großflächige Fassaden
Jedes Fenster ist aus drei Scheiben aufgebaut. Äußerlich unterscheidet es sich auch in seiner Stärke dennoch kaum von herkömmlichen Isolierglasfenstern. Die mittlere Scheibe enthält auf der nach innen gerichteten Fläche eine übliche Isolierglas-Beschichtung mit einem Infrarot-Reflektor, der die Wärme im Raum hält. Nach außen ist die gaschrome Schicht aufgetragen. Dort wird bei Verdunklung die Sonnenenergie absorbiert. „Die Kunst besteht darin, das Glas auf viele Quadratmeter homogen zu beschichten“, erläutert Graf ein Hauptproblem, das es zu lösen galt. Langfristig ist geplant, das gaschrome System auf nur zwei Scheiben zu integrieren.
„Wir haben die erforderliche Technik in der Rekordzeit von rund eineinhalb Jahren bis zur Fertigungsreife entwickelt. Das war nur möglich, weil wir im Institut Grundlagenforschung, Systemtechnik, Marketing und den direkten Kontakt zum Architekten als zukünftigem Nutzer aus einer Hand bieten können,“ erläutert Graf stolz. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie fördert die Arbeiten.
Die Pilotproduktion erfolgt in Zusammenarbeit mit und bei der Interpane Entwicklungs- und Beratungsgesellschaft, Lauenförde. Um Industriestandard zu erreichen, müssen die vom Institut entwickelten Anlagen in einen bis zu zehnfach größeren Maßstab übertragen werden. Läuft die Produktion an, ersetzen Fachkräfte die Wissenschaftler.
Derzeit entsteht eine Musterfassade mit feststehenden Fenstern an einem Bremer Bürogebäude des Projektpartners Metallbau Ralf Boetker GmbH & Co. KG. Ab Mai 2002 sollen erste großflächige Pilotfassaden ausgerüstet werden, und ab Ende 2002 könnten die Fenster schon im Fachhandel erhältlich sein. Auch Drehkippfenster sollen dann gefertigt werden.
Die gaschromen Fenster sind in einer Größe von maximal 1,5 m x 2,0 m konzipiert, eventuell lässt sich die Glasfläche noch größer gestalten. Sie eignen sich für Fassaden, Brüstungen und Fahrzeugverglasung. So ist beispielsweise in Ulm ein Pilotbus mit gaschromen Oberlicht-Fenstern ausgestattet. „Der Einbau in großflächige Fassaden lohnt sich, wenn eine Sanierung ansteht“, meint Graf. Mit den neuen Fenstern werde Sonnenschutz durch elektromechanische Systeme, wie beispielsweise Jalousien oder Rollos, überflüssig. Nach Einschätzung von Graf wird die gaschrome Technik in Hinsicht auf die Quadratmeterpreise außerdem deutlich günstiger und weniger störanfällig sein. Bei Neubauten ergeben sich für den Architekten mehr Möglichkeiten, da weder Wärmeeintrag noch Sonnenschutzanlagen die Planung begrenzen. „Nach dem Einbau sind die Fenster für 20 Jahre und mehr wartungsfrei“, erläutert Graf einen weiteren Vorteil.
Eine Technologie mit ähnlichem Effekt ist das elektrochrome Fenster. Hier wird nicht mit Gas, sondern mit Strom geschaltet. In die Fensterfläche sind Elektroden integriert.Das System funktioniert besonders gut bei kleinen Fenstern, ist aber begrenzt durch die Stromleitfähigkeit. Laut Graf läuft außerdem die Verdunklung mit Gas bei großen Flächen schneller ab. Für gaschrome Fenster werden auch weniger Schichten benötigt und dadurch mehr Transparenz im klaren Zustand erreicht: Und das bei gleichzeitig geringeren Herstellungs-kosten.
Teurer ist hingegen der höhere Aufwand für die Versorgungstechnik bei der Installation. In den Brüstungsbereich werden ein Elektrolyseur sowie eine kleine Pumpe integriert, die in einem geschlossenen Kreislauf für die gewünschte Gasmischung sorgen.
Das Verdunklungsprinzip läuft auf Basis einer elektrochemischen Farbreaktion ab: Mit Platin als Katalysator wird im Elektrolyseur Wasserstoff produziert. Das Gerät funktioniert also umgekehrt wie eine Brennstoffzelle: Aus Strom entstehen Wasserstoff und Sauerstoff. Per Knopfdruck fördert die elektrisch betriebene Pumpe Wasserdampf in den Elektrolyseur und den produzierten Wasserstoff zurück in den Scheiben-Zwischenraum. Dort reagiert das Gas mit einer hauchdünnen festen Schicht aus Wolframoxid. Das Fenster verfärbt sich schon nach wenigen Sekunden blau – und zwar umso stärker, je mehr Wasserstoff reagiert. Bis die volle Farbtiefe erreicht wird, dauert es nur wenige Minuten. Beim Entfärben leitet die Pumpe Luft ein, die den Wasserstoff bindet. Damit ist der Kreislauf geschlossen. Weil nur geringe Mengen Gas und Platin nötig sind, verursachen freiwerdende Substanzen selbst im Fall eines Fensterbruchs keine schädlichen Effekte für Mensch und Umwelt.
Eine elektrochemische Reaktion verfärbt auf Knopfdruck das Fenster
An jedem Fenster-Arbeitsplatz lässt sich so gleichmäßig und lautlos die Helligkeit regulieren. Der Bedienknopf kann beispielsweise in den Handgriff integriert werden. Zudem ist eine licht- oder temperaturabhängige automatische Steuerung möglich. Auch Fenstergruppen oder ganze Fassaden lassen sich zusammen schalten. Sinnvoll ist das, wenn beispielsweise abends alle Fensterautomatisch in den Ausgangs-zustand gebracht werden sollen. bk
Fassaden aus gaschromen Fenstern…
– sparen im Sommer einen Teil der Kühlenergie für Klimaanlagen,
– reduzieren im Winter bei geeigneter Konstruktion die Heizkosten,
– lassen sich per Knopfdruck schnell schalten und individuell bedienen,
– können rund 20 Jahre wartungsfrei betrieben werden,
– erlauben eine variable Architektur, weil sie keinen wind- und schmutzanfälligen Sonnenschutz erfordern und
– sind kostengünstiger als elektromechanische oder elektrochrome Systeme.
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