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Wüsten und Wetter zum Trotze

Im Schnellverfahren aufgebrachte Pulverlacke sind „Die Oberfläche 2016“
Wüsten und Wetter zum Trotze

Oberflächentechnik | Ein Pulver-in-Pulver-Verfahren von Karl Wörwag ist „Die Oberfläche 2016“: Die Methode sei mindestens viermal so schnell wie das Nasslackieren, begründete die Jury die Preisvergabe.

Die PiP-Methode der Karl Wörwag Lack- und Farbenfabrik GmbH & Co. KG eignet sich insbesondere zum Beschichten schwerer Bauteile. Ihre stark verkürzte Prozessdauer und ihr hoher Korrosionsschutz überzeugte die Jury. Zweiter wurde die CCT GmbH mit einer Dispersionsbeschichtung, die den Verschleiß an Gleitlagern im Motor reduziert. Platz drei belegte die Audi AG mit einer partiellen Mattierung, die Motive in Klarlack einarbeitet und individualisierte Fahrzeuge ermöglicht.

Das Fraunhofer IPA vergibt „Die Oberfläche“ seit 2012 jährlich. Der Jury gehören Dr. Martin Metzner vom IPA, Dr. Martin Riester vom VDMA Fachverband Oberflächentechnik und Dr. Michael Hilt von der Forschungsgesellschaft für Pigmente und Lacke e.V. an.
„Das Verfahren steigert die Nachhaltigkeit und Wirtschaftlichkeit deutlich“, lobte Jurymitglied Dr. Martin Riester die Sieger-Innovation in seiner Laudation. „Das Verfahren ist industriell umgesetzt – und damit ist die Machbarkeit demonstriert“. Die vielfach gesteigerte Effizienz verdeutlichte er durch Aufzählen dessen, was weniger wird: Lösemittelemissionen, Energieverbrauch, Platzbedarf, Anzahl der Prozessschritte und Prozesszeit.
Karl Wörwag hat den Beschichtungsprozess mit SLF Oberflächentechnik entwickelt. Dabei kombinierten die Firmen die Pulver-in-Pulver-Methode (PiP) mit der Darc-Technik, die eine fünffach höhere Energieübertragung aufweist. Die Vorzüge – geringe Prozesskosten bei hohem Korrosionsschutz – konnten die Partner in Tests nachweisen, in der sie die Methode mit branchenüblichen Verfahren am selben Bauteil verglichen.
Viermal so schnell wie Nasslackieren
Der Vergleich zeigt, so heißt es in einer Mitteilung des IPA, dass die PiP-Lackierung die niedrigsten Prozesskosten und -zeiten aufweist: Das Verfahren ist fast doppelt so schnell wie die Pulveranwendung mit Zwischeneinbrennen und mindestens viermal so schnell wie eine Nasslackierung, wobei der Nasslackaufbau nur eine Nacht zum Trocknen benötigte.
Wie wirkt sich das in der Praxis aus? Einblicke zu bekommen, ist kein Problem, da sich das Verfahren bereits industriell bewährt hat. Daniela Renzo, Wörwag-Sprecherin, verweist auf die Daueranwendung beim Baumaschinenhersteller Wirtgen, über die sie schon 2013 im Kundenmagazin „finish“ berichten konnte. Wirtgen setzte die Methode als erster in Serie ein. Seine Maschinen kommen in Minen im australischen Outback zum Einsatz, ebenso wie auf hiesigen Straßenbaustellen. „Trotz Gummistiefel, Regenjacke und Mützen läuft den Mitarbeitern das Wasser nur so den Nacken runter. Aber das müssen sie aushalten. An den großen Brummern, wie dem neuen Kaltrecycler und Bodenstabilisierer WR 250 von Wirtgen, perlt der Regen einfach ab“, beginnt sie ihren Bericht. Ob sie dafür selbst im Outback war? Wie die Wirtgen’schen Schwermaschinen dort den widrigen Umständen trotzen und wie die PiP-Technologie dazu beiträgt, liest sich jedenfalls äußerst spannend bei Daniela Renzo, im folgenden in Auszügen:
„Diese Baumaschinen wiegen 31 t und leisten 777 PS. Bei Arbeitsbreiten von bis zu 2,4 m pulverisieren die Fräswalzen bis zu 25 cm dicken Asphalt. In einem einzigen Arbeitsgang fräst der WR 250 marode Straßen auf, granuliert sie, sprüht Bindemittel und Wasser hinzu und vermischt das Ganze. So großen Maschinen kann natürlich kein Regen etwas anhaben. Aber Steinchen zum Beispiel. Kleine Teilchen, die mit der entsprechenden Fluggeschwindigkeit auf lackierten Oberflächen Unschönes anrichten. Kommen noch Luftfeuchtigkeit oder Regen hinzu, entsteht unausweichlich Rost. Gegen Korrosion sind selbst diese Stahlriesen machtlos. Die Kombination von Wasser, Erdboden und Atmosphäre lässt Stahl nach einiger Zeit so brüchig wie ein Butterkeks werden.
Im Outback kann sich niemand Ausfälle erlauben
„In den Minen werden unsere Schneidwerkzeuge fast an ihre Grenzen gebracht. Eisenerz ist ein extrem hartes Material“, richtet Johann Kroheck den Blick auf die bis zu 200 t schweren Surface Miner in Australien, Oberflächentechnik-Leiter bei Wirtgen. „Auch die Lackierung der Surface Miner muss den extremen Bedingungen vor Ort standhalten. Qualitätsprobleme wegen korrodierter Bauteile, weil die Beschichtung nicht hält, können wir uns nicht erlauben.“
Am Windhagener Standort von Wirtgen gehen bis zu 30 t schwere Stahl-Großteile der Maschinen zuerst in die Automatikstrahlanlage, wo sie von jeglichen Rückständen wie Rost, Zunder oder Schlackenresten befreit werden. Früher mussten diese Oberflächen teilweise angeschliffen werden, damit die Grundierung besser haftet. Noch robuster wird so eine Oberfläche, wenn der Lack im Zwei-Schicht-System aufgetragen wird. Aber dies treibt wiederum die Kosten in die Höhe, denn bisher war eine Zwischenvernetzung im Ofen nötig. Und das kostet Energie. Kroheck lächelt entspannt: „Das haben wir mit Wörwag hinbekommen: eine Pulver-auf-Pulver-Beschichtung, ohne Zwischenvernetzung. Grundieren, Decklackieren und dann in den Ofen. Alles in einem Arbeitsgang wie bei unseren Maschinen.“
„Die neue Anlage läuft seit drei Jahren einwandfrei“, freut sich Kroheck. Seit dem Jahr davor beschichtet Wirtgen über 50 % seiner Bauteile mit Pulver in diesem neuen Verfahren. Die Kapazität der Anlage wurde damit um 10 bis 15 % gesteigert, die Verweilzeit eines Bauteils in der Anlage um die Hälfte reduziert. Die Beschichtung auf diesen Riesenmaschinen erfüllt die anspruchsvollsten Bedingungen für Korrosionsschutz: Küstenbereiche, hohe Luftfeuchte, aggressive Atmosphäre.“ (os)

So funktioniert PiP-Lackierung
Das Grundieren schützt die Oberfläche vor Korrosion, der Decklack schützt die Grundierung vor UV-Strahlen und Witterungseinflüssen. Aufgetragen wird der Pulverlack mittels Tribo-Technik, bei der die Reibung der Pulverteilchen eine statische Aufladung erzeugt. Der Lackierer montiert eine Sprühpistole auf eine Lanze und erreicht damit problemlos jede Stelle.
Der letzte Schritt im Ofen verbindet die zwei Schichten zu einer Einheit. Nachdem das Bauteil eine Stunde später etwas abgekühlt ist, kann es bereits ausgeliefert werden. Das Pulver-in-Pulver-Verfahren kommt ohne den energie- und zeitintensiven Schritt des Zwischenvernetzens aus.
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