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Wunsch und Wirklichkeit klaffen oft auseinander

Auf die Absprache mit dem Dienstleister kommt es an
Wunsch und Wirklichkeit klaffen oft auseinander

Rapid Prototyping ist ein Verfahren, um aus 3D-Daten schnell physikalische Teile zu generieren. Doch oft klafft zwischen dem Anspruch des Kunden und der Realität eine große Lücke. Der Grund ist meist eine mangelnde Kommunikation zwischen den Partnern.

Die unter Rapid Prototyping bekannt gewordenen Technologien sind ein hervorragendes Werkzeug, um auf der Basis von 3D-CAD-Daten in wenigen Stunden dreidimensionale, physikalische Prototypen zu fertigen – und zwar ohne modellbezogene Werkzeuge und Vorrichtungen. So lassen sich die Entwicklungszeiten und -kosten drastisch verkürzen und gleichzeitig die Produktqualität erhöhen. In vielen Fällen sinken auch die Kosten für die Modellerstellung. Diese an die „Quadratur des Kreises” erinnernden Möglichkeiten haben dazu beigetragen, daß die Erwartungen der Anwender an das Rapid Prototyping extrem hoch sind.

Bei der Beurteilung von Rapid Prototyping-Modellen, insbesondere bei Stereolithographie- und Lasersintermodellen, gehen die meisten Anwender von einer falschen Voraussetzung aus. Sie glauben, daß die mit unterschiedlichen Technologien hergestellten Prototypen qualitativ identisch sind, weil sie als Resultat einer computergesteuerten, vollautomatischen Fertigung angesehen werden. Folglich differenzieren Sie ausschließlich über den Preis, gegebenenfalls über die Lieferzeit.
Dieser grundlegende Irrtum führt immer dann zu heftigen Diskussionen, wenn schließlich ein als untauglich eingestuftes Modell auf dem Tisch liegt. Es führt aber auch dort zur Diskussion, wo das taugliche Modell als zu teuer nicht akzeptiert wird.
Tatsächlich bildet jeder Dienstleister den ihm überspielten Datensatz 1:1 in ein Rapid-Prototyping-Modell ab. Doch vor dem Hintergrund der schichtorientierten Bauweise ist es nicht egal und in der Praxis sogar qualitätsbestimmend, in welcher Orientierung das Modell im Bauraum plaziert wird. Um die richtige Position zu finden, muß das Bedürfnis des Kunden bekannt sein und beachtet werden, daß sich die technisch optimale Orientierung häufig nicht mit der wirtschaftlich optimalen deckt. Das wird am Beispiel eines einfachen, 50 mm langen Rohres mit 20 mm Durchmesser deutlich. Wird dieses Rohr liegend gebaut, dann entsteht ein Modell mit einer Höhe von nur 20 mm, das die Bauzeit und die Kosten niedrig hält. Aufgrund der Schichtung ist aber am gesamten Umfang eine Stufung parallel zur Rohrlängsachse vorhanden. Wird demgegenüber das Rohr stehend gebaut, so ergibt sich eine kreisrunde Kontur, aber eine bauzeit- und kostenrelevante Höhe von 50 mm. Dieses ohne Stufung stehend gebaute Modell wird bei einem für das Sintern typischen Baufortschritt von 10 mm/h etwa 2,5mal so lange bauen und doppelt so viel kosten.
Mit der Vorstellung vom vollautomatischen Modellbauverfahren geht auch noch ein zweites Mißverständnis einher. Viele Nutzer glauben – und werden von Veröffentlichungen häufig darin bestätigt –, daß diese Verfahren tatsächlich vollautomatisch Modelle liefern. Sie gehen folglich davon aus, daß die Maschinen mit Datensätzen gefüttert werden und nach einigen Stunden das verkaufsfähige Modell aus der Anlage fällt. Tatsächlich jedoch müssen die Modelle mit erheblichem manuellen Aufwand nachbearbeitet werden. Das betrifft das Entfernen von Stützen, das Nachbearbeiten von Oberflächen, das Einpassen von Modellteilen und ähnlichem. Diese Nacharbeit kostet Geld und Zeit und ist der Grund dafür, warum es auf dem Markt qualitativ hochwertige und minderwertige Modelle gibt. Wird die Rapid-Prototyping-Leistung über Stundensätze beurteilt, stellt man bei näherem Hinschauen fest, daß dieser wichtige manuelle Anteil oft ungenügend erfaßt wird oder nicht transparent ist.
Im Beispiel des gesinterten Rohres bedeutet dies, daß durch Nacharbeiten die Stufungen im horizontal gebauten Rohr eliminiert werden müssen. Der manuelle Aufwand gleicht in etwa die Differenz des Baupreises aus, so daß das senkrecht gebaute Rohr etwa gleich teuer kommt wie das liegend gebaute.
Nun werden viele sagen: „Dann überlassen wir es dem Verantwortlichen für das Prototyping, welche Methode er bevorzugt und nehmen ihn nur für das Ergebnis in die Pflicht.” An dieser Stelle wird das grundsätzliche Mißverständnis deutlich. Wer mit der Stufung im Modell sehr gut leben kann, weil er zunächst andere Eigenschaften testen will, der bevorzugt das stufige Modell zum halben Preis. Es bringt ihm mehr Nutzen als das teure, einwandfreie Modell, auf das er zudem länger warten muß.
Wunsch und Wirklichkeit klaffen besonders dann häufig weit auseinander, wenn von Rapid Tooling gesprochen wird – dem Verfahren, das zur Herstellung von Werkzeugen und Werkzeugeinsätzen dient. Denn bei den Werkzeugen überlagern sich noch mehr Problemfelder: Materialeigenschaften, Genauigkeiten und Oberflächengüte. Zu den Materialeigenschaften gehört insbesondere die Wärmeleitfähigkeit, die über die Temperierung des Werkzeuges entscheidet und darüber, ob eine serienidentische Morphologie des Kunststoffes im Tooling-Werkzeug sichergestellt werden kann.
Die selben 3D-Daten führen nicht zwingend zum selben Modell
Im Werkzeugbau offenbart sich aber noch eine andere Schwierigkeit. Während bei der Herstellung von Konzeptmodellen und Funktionsprototypen die Geometrie eindeutig festgelegt ist, bleibt dies beim Rapid Tooling eher die Ausnahme. Normalerweise gibt der Auftraggeber die Eigenschaften des Positivs vor, nicht aber die Geometrie des Werkzeuges.
Alle werkzeugtechnischen Fragestellungen, vom Festlegen der Trennebenen über die Entformungsschrägen bis hin zu den Stegen unterschiedlicher Querschnitte, werden häufig dem Prototypenbauer überlassen. Das Generieren von Werkzeug oder Werkzeugeinsatz schrumpft zu einem Teilproblem. Vielmehr dominieren die Werkzeugkonstruktion und die spritzgußgerechte Überarbeitung des Positivteils. Wird zum Beispiel während der Konzeptphase der Werkstoff gewechselt, treten zwangsläufig Probleme auf, die gerne dem Rapid Prototyping und/oder Rapid Tooling zugeschrieben werden. Die Ursache liegt hingegen in Fehlern, die bei gleichen Voraussetzungen auch im konventionellen Werkzeugbau auftreten würden.
Die veröffentlichte Meinung, daß mit Hilfe von Rapid-Tooling-Verfahren Werkzeugeinsätze und Werkzeuge um viele Wochen oder gar Monate schneller hergestellt werden können, hat gerade hier zu den größten Diskrepanzen zwischen Wunsch und Wirklichkeit geführt. „Der Kunde möchte vom Nichts ins Werkzeug”, beschreibt Dana Zavettori, Applikationsingeneurin bei Alphacam, die Situation treffend. Gerade aber im Werkzeugbau, der kosten- und zeitintensiven Schnittstelle zwischen Konstruktion und Fertigung, sollten Fehler beim Rapid Tooling vermieden werden. Das geschieht am besten, indem der Anwender seine Wünsche mit dem Prototypenbauer bespricht und auf diese Weise Wunsch und Wirklichkeit möglichst nahe zusammenrückt. Denn nur wer richtig fragt, bekommt die richtige Antwort.
Ein weiteres, großes Feld von Mißverständnissen betrifft die Materialien. Dies zeigt ein Beispiel, das an dieser Stelle nur kurz angerissen sei: An die mechanischen Eigenschaften von Modellen aus Acrylaten und Epoxydharzen werden schon deswegen keine hohen Erwartung gestellt, weil sie kaum als Serienwerkstoffe auftreten. Viel zu hohe Erwartungen richten sich dagegen auf gesinterte Polyamid-Modelle. Doch drucklos aneinander geschmolzene Partikel verhalten sich ganz anders als mit hohem Druck in die Form gespritzte Kunststoffe…
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