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Bella figura am Messestand

Italien-Knigge
Bella figura am Messestand

Bella figura am Messestand
Wer mit italienischen Geschäftspartnern erfolgreich kommunizieren will, sollte sich mit den Sitten und Gebräuchen vertraut machen. (Bild: Minerva Studio/Fotolia)
Wer auf Messen in Italien wichtige Gepflogenheiten beachtet, legt die Basis für erfolgreiche Geschäfte. Unser kleiner Business-Knigge hilft über manche Hürde hinweg.

Elke Müller Geschäftsführende Gesellschafterin & interkulturelle Trainerin, Compass International, Stuttgart www.compass-international.de

Es gibt wahrscheinlich kaum einen Deutschen, der Italien nicht von einer (Urlaubs-)Reise her kennt und dieses Land mit Sonnenschein, Meer, gutem Essen und Wein sowie mit jahrtausende alter Kultur und Kunst im Überfluss verbindet. Italiener nehmen wir als (gast-)freundlich, kinderlieb und locker wahr.
Doch stimmt dieses Italienbild? Unsere – privat gemachten – Erfahrungen beschränken sich auf typische Situationen: Wir nehmen die Rolle als Gast oder Besucher ein – wir müssen kein Projekt termingerecht abschließen, kritische Verhandlungen mit einem Lieferanten oder kein Mitarbeitergespräch führen.
Für diese Situationen sollten wir uns etwas intensiver mit den interkulturellen Besonderheiten beschäftigen und unter die sofort sichtbaren Verhaltensmuster unserer italienischen Mitarbeiter, Kunden, Lieferanten und Geschäftspartner schauen.
Familismo und Beziehungsorientierung – DIE italienischen Kulturstandards
Italiener sind sehr familienorientiert. Die Familie und einige wenige sehr enge Freunde bilden das soziale Bezugssystem mit traditioneller Rollenverteilung und einer hierarchischen Struktur. Der Familienzusammenhalt kompensiert fehlende staatliche Sicherungen für den Einzelnen und baut auf sehr großem Vertrauen innerhalb dieses engen Kreises auf. Gleichzeitig bedeutet dieser Kulturstandard auch, dass es außerhalb dieses System weniger Verbindlichkeit und Verantwortungsgefühl für die Anderen gibt.
Für die Zusammenarbeit bedeutet Familienorientierung, dass persönliche Kontakte extrem wichtig sind, um innerhalb der Geschäftsbeziehung Vertrauen aufbauen zu können und Verbindlichkeit herzustellen. Ziel ist es, in einer positiven Atmosphäre zusammenzuarbeiten, wobei direkte Kritik und zu offene Worte vermieden werden. Informationen werden innerhalb des engen Netzwerkes oft informell weitergegeben und Entscheidungen nicht unbedingt in offiziellen Meetings getroffen.
Beziehungsorientierung darf nicht gleichgesetzt werden mit Freundschaft – private Einladungen werden oft erst nach Jahren enger geschäftlicher Zusammenarbeit ausgesprochen.
Italiener kommunizieren sehr viel expressiver als wir als tun: Sie setzen sehr viel mehr Gestik und Mimik ein, es darf „überlappend“ gesprochen werden, das heißt man fällt dem Gegenüber auch mal ins Wort und selbst Berührungen während eines Gesprächs sind üblich. All das signalisiert dem Gesprächspartner Aufmerksamkeit, die eigene Beteiligung und Begeisterung am Thema. Wir Deutsche interpretieren diesen Kommunikationsstil eher gegenteilig: „Wenn mir jemand ins Wort fällt, interessiert ihn mein Thema nicht …“
Flexibler Umgang mit Regeln bei gleichzeitiger Hierarchieorientierung
Die Beziehungs- und Familienorientierung steht in engem Zusammenhang zu einem flexiblen Umgang mit Regeln – die Regeln innerhalb des eigenen Netzwerkes haben Vorrang vor staatlichen und damit externen Regeln. Letztere werden respektiert, wenn Strafen drohen und ansonsten „situationsgerecht“ umgesetzt. Diese Herangehensweise steht sehr im Gegensatz zu der deutschen „Regelorientierung“. Für Deutsche sind Regeln sinnvoll und nützlich, ein Zuwiderhandeln wird sanktioniert.
Trotz dieses pragmatischen Umgangs mit Regeln ist Italien ein hierarchieorientiertes Land: Entscheidungen trifft der Vorgesetzte, Macht wird demonstriert und respektiert. Es bedeutet auch, dass die Übernahme von Verantwortung durch die Mitarbeiter geringer ist, sondern Mitarbeiter klare Anweisungen erwarten.
Identitätsbewußtsein ‚Bella Figura’
Italiener und Italienerinnen legen großen Wert auf ihr Erscheinungsbild, was sich unter anderem in eher konservativer, eleganter Kleidung äußert. Gleichzeitig verbirgt sich hinter diesem Kulturstandard auch die große Bedeutung guter Umgangsformen, höflicher Verhaltensweisen und Gastfreundschaft. Jeder einzelne repräsentiert immer auch seine Familie und negatives Verhalten fällt somit nicht nur auf ihn zurück, sondern immer auch auf die gesamte Familie. Hier zeigt sich wieder der starke Wert der Familienorientierung.
Hinter ‚Bella Figura’ verbirgt sich auch das Zeigen von Respekt und Wertschätzung gegenüber dem Gesprächspartner – dieser soll nicht durch offene Kritik, unangenehme Fragen oder unhöfliches Auftreten bloßgestellt werden.
Und was bedeutet das für Ihren Messebesuch?
  • Zeigen Sie echtes Interesse an Ihrem italienischen Gesprächspartner, nehmen Sie sich Zeit für Gespräche. Italiener suchen nach Informationen in ihren Netzwerken und über informelle Kanäle – Gespräche und Empfehlungen zählen weit mehr als Prospekte.
  • Persönliche Termine sind dem beziehungsorientierten Italiener viel wichtiger als „gesetzte“ Termine. Ein gutes persönliches Gespräch beendet man nicht, nur weil in fünf Minuten der nächste Termin ansteht – dieser wird flexibel verschoben. Das heißt, dass Sie lieber zwei Termine weniger pro Tag vergeben, dafür aber kein Gespräch abbrechen müssen.
  • Lassen Sie Ihrem Gesprächspartner Zeit für Fragen – Italiener signalisieren Interesse, indem sie den Gesprächspartner unterbrechen und Fragen stellen, wir dagegen signalisieren Interesse verstärkt durch Zuhören und „Ausreden lassen“.
  • Sprechen Sie Ihr Gegenüber mit dem Titel an: „Dottore“, „Professore“ oder „Ingeniere“ – auch dies ein Zeichen von ‚Bella Figura’. Einem Akademiker gebührt Wertschätzung!
  • Machen Sie Ihrem Gesprächspartner, Ihrer Gesprächspartnerin Komplimente und nehmen Sie Komplimente strahlend an! Dieses stärkt die Beziehung und Sympathie. Lassen Sie sich auf den expressiven Gesprächsstil ein und lassen Sie auch mal Emotionen zu.
  • Ein gepflegtes Äußeres wird mit guter Bildung und exzellenten Umgangsformen gleichgesetzt.
  • Das Wort zählt mehr als die Schrift. Schriftliche Vereinbarungen sind aufgrund des pragmatischen Umgangs mit Regeln weniger wirksam. Beharren Sie nicht auf schriftliche Vereinbarungen, diese können als aggressives Verhalten verstanden werden. Investieren Sie lieber einen weiteren Termin für den Vertrauensaufbau.
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