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Organisation Management:Organisation Management: Balance zwischen Stabilität und Wandel macht erfolgreich

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Bipolar bedacht handeln

Bipolar bedacht handeln
Agilität und Stabilität stehen nicht im Widerspruch zueinander, sondern bedingen sich gegenseitig. Bild: beeboys/Fotolia
Im ausgewogenen Zusammenspiel von Verändern und Bewahren liegt das Geheimnis anhaltend erfolgreicher Unternehmen, sagt Dr. Hans-Joachim Gergs, Dozent am Executive Education Center der TU München und Organisationsentwickler in einem deutschen Autokonzern.

Hartmut Volk
Freier Journalist in Bad HarzburgDas Buch zum Thema: Die Kunst der kontinuierlichen Selbsterneuerung – Acht Prinzipien für ein neues Change Management, Hans-Joachim Gergs, Beltz Verlag 2016, 224 Seiten

Sich der dynamischen Technologie- und Marktentwicklung anpassen zu können, ohne dabei in der Agilitätsfalle zu landen, darin sieht der erfahrene Organisationsentwickler Dr. Hans-Joachim Gergs die Überlebensversicherung für Unternehmen. „Um das sicherzustellen, sind zwei Aufgaben im Verbund zu lösen: kontinuierliche Anpassung an sich verändernde Umweltanforderungen (Adaption) und Sicherung der sozialen Integration der Organisation (Stabilisierung). In der gegenwärtigen Situation lasse sich das Management zur Überbewertung der Anpassungsfähigkeit (Agilität) verführen, was den Bestand der Organisation gefährde, sagt Gergs.

Auch neuere empirische Studien der Organisationsforschung zeigten: Organisationen im permanenten Umbruch tendieren zu Desintegration und damit zu einem deutlichen Rückgang ihrer Leistungsfähigkeit; langfristig erfolgreich arbeitende Unternehmen ziehen ihre innovative Leistungskraft aus der ausgewogenen Mischung von Verändern und Bewahren.

Notwendigkeit zur Re-Stabilisierung

Woraus resultiert die Attraktivität dieser Mischung? „Mit der Umstellung auf organisatorische Instabilität zur Förderung der Agilität ist ein dramatischer Zuwachs an Reaktionsfähigkeit, Innovationsgeschwindigkeit und Flexibilität verbunden. Leider aber auch ein zentrales Folgeproblem: die Notwendigkeit zur ‚Re-Stabilisierung‘ der Organisation. Die Frage lautet also, wie lassen sich Unternehmen flexibilisieren, ohne deren inneren Zusammenhalt zu gefährden?“

Gergs verweist auf die Untersuchungsergebnisse von Stadler und Wältermann (2012). Sie untersuchten sogenannte „Jahrhundert-Champions“, Unternehmen, die über mehr als 100 Jahre hinweg wirtschaftlich erfolgreich geblieben sind (etwa Münchner Rückversicherung, Siemens oder Shell). Ihre Ergebnisse machen deutlich: Die reine Innovationsfähigkeit ist nicht der zentral erklärende Faktor für die Langlebigkeit dieser Unternehmen. Was die langlebigen Unternehmen von den Vergleichsunternehmen unterscheidet, ist ihre Fähigkeit, bei aller Anpassung die Kultur und Identität des Unternehmens zu wahren beziehungsweise sie auf evolutionäre Art und Weise zu verändern.

„Die Stärke der Jahrhundert-Champions liegt augenscheinlich darin, dass sie die richtige Balance zwischen Erneuerung und Anpassung auf der einen Seite und Tradition und Identität des Unternehmens auf der anderen Seite wahren“, kommentiert Gergs. Hingegen würden chronisch fluide Unternehmen auf längere Sicht ihre Leistungsfähigkeit auf dem Altar der Agilität opfern, folgert er. „Ein Zusammenhang, der auch durch Untersuchungen zu agilen Unternehmen aus der IT-, Medien und Internetbranche bestätigt wird. Dabei müssen sich Agilität und Stabilität keineswegs ausschließen.“ Das legten die empirischen Erkenntnisse der amerikanischen Forscher Hatum und Pettigrew (2010) offen. Sie fanden heraus, dass stark anpassungsfähige Unternehmen zugleich eine starke Identität aufweisen.

Die Erfolgreichen richten den Fokus auf die eigene Kultur und Identität

Gergs: „Langfristig erfolgreiche Unternehmen stellen nicht in revolutionärer Weise alles in Frage, sondern passen sich evolutionär den Veränderungen an – unter Berücksichtigung der eigenen Kultur und Identität, die in Veränderungsprozessen bewusst reflektiert und mit weiterentwickelt wird.“ Eine agile Unternehmensstruktur erfordere immer eine aktive und reflektierte Auseinandersetzung mit der Identität des Unternehmens. Damit werde in langfristig erfolgreichen agilen Unternehmen das Problem der Re-Stabilisierung nicht auf der Ebene von Organisationsstrukturen und Arbeitsprozessen gelöst, sondern auf der Metaebene von Normen, Werten, sprich von Kultur und Identität. „Identitätsarbeit wird damit zur Voraussetzung für die nicht-destabilisierende Umsetzung agiler Konzepte und Methoden in Unternehmen“, weist er den Weg.

Agilität und Stabilität kein Widerspruch

Also stehen Agilität und Stabilität nicht im Widerspruch zueinander, sondern bedingen sich gegenseitig. Der israelische Organisationsforscher Moshe Farjoun (2010) fordere aus diesem Grund, die antagonistische Betrachtungsweise von Agilität und Stabilität aufzugeben. In seinem viel beachteten Aufsatz „Beyond dualism: stability and change as a duality“ arbeite er heraus, dass Wandel und Stabilität als zwei Seiten der gleichen Medaille betrachtet werden müssten und dass Stabilität die Grundlage von Veränderungsfähigkeit sei.

Schnelle Anpassungs- und Innovationsfähigkeit seien nur vor dem handlungsentlastenden Hintergrund von Routinen möglich. Das sei das janusköpfige Gesicht der Routine, die sowohl Geburtshelfer für Veränderung als auch deren Totengräber sein könne. Farjoun zufolge werde zu gerne übersehen, betont Gergs, dass Organisationen keine Veränderungen einführen können, wenn sie sich nicht gleichzeitig auf die bestehenden Strukturen und Kulturen stützen. Stabilität und Wandel seien damit nicht zwei voneinander unabhängige Phänome, sondern stünden in einem dialektischen Verhältnis.

„Diese Zusammenhänge wahrzunehmen und in das aktuelle Managementhandeln umzusetzen“, darin besteht für Hans-Joachim Gergs die Kunst der Unternehmensführung im 21. Jahrhundert. „Organisieren als ein permanentes Oszillieren zwischen Verwandeln und Bewahren, zwischen Risiko und Sicherheit zu begreifen, erfordert eine kontinuierliche Reflexionsarbeit im Unternehmen.“

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