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Das Kundenerleben wiederentdecken

Was Thomas Mann mit der Servicequalität zu tun hat
Das Kundenerleben wiederentdecken

Service | Die Servicequalität ist ein häufiger Stein des Anstoßes. Niemand weiß das besser als der Marketingspezialist Bernd Stauss. Und wohl niemand hat sich auf so originelle Weise der Problematik angenommen wie er in seinem Buch „Wenn Thomas Mann Ihr Kunde wäre – Lektionen für Servicemanager“.

Hartmut Volk Freier Publizist in Bad Harzburg

Den Knackpunkt der leidigen Serviceproblematik bringt Bernd Stauss kurz und bündig auf den Punkt: „Kunden erleben Geschichten – Unternehmen messen Zahlen.“ Dass dies zwei ganz unterschiedliche Paar Schuhe sind, werde einfach nicht bedacht und das sorge für so manches Serviceärgernis. Der Marketingspezialist ist ein Kenner der Materie. Bis zu seiner Emeritierung war Stauss Lehrstuhlinhaber für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre und Dienstleistungsmanagement an der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt. Gerade hat er die fünfte Auflage seines Standardwerks „Beschwerdemanagement“ veröffentlicht.
Service zu verbessern, heißt für Stauss deshalb, „die Horizontbegrenzung durch die üblichen standardisierten Zufriedenheitsmessungen zu überwinden“. Diese liege darin, dass Unternehmen als Ergebnis einer standardisierten Zufriedenheitsbefragung üblicherweise prozentuale Angaben darüber erhalten, wie viel Prozent der Befragten die jeweiligen Skalenwerte der Zufriedenheitsskala – etwa von ‚vollkommen zufrieden‘ bis ‚unzufrieden‘ – angekreuzt hätten, und zwar für die Leistung insgesamt und für einzelne Qualitätsmerkmale.
Doch, so Stauss, „die so erzielten Ergebnisse lassen nahezu alle wichtigen Fragen offen: Wie positiv ist etwa ein erreichter Wert von 2,4 auf einer Fünfer-Zufriedenheitsskala einzuschätzen? Kann das Unternehmen, schulnotenartig gedacht, mit einer Zwei minus zufrieden sein? Was hat der Kunde erlebt? Wie kommt er zu seinem Urteil? Mit welcher Leistungs- oder Verhaltensveränderung wäre das Ergebnis besser ausgefallen?“ Weil diese wichtigen Fragen meist unbeantwortet blieben, seien die Ergebnisse von Zufriedenheitsbefragungen kaum für Maßnahmen des Marketings und des Qualitätsmanagements zu nutzen. Überdies lockten sie Firmen in die „Zufriedenheitsfalle“.
Stauss rät deshalb „zur Wiederentdeckung des realen Kundenerlebens“. Und dafür sei Thomas Mann eine wahre Goldgrube. Beschreibt er in seinen Romanen und Novellen doch Dienstleistungssituationen, die laut Stauss „über die Jahre unverändert aktuell sind“. Thomas Mann erfasse diese Situationen so detailliert und meisterhaft, „dass er die Augen dafür öffnet, wie Kunden Dienstleistungen erleben“. Von ihm lasse sich wieder lernen, wie jeder einzelne Kontakt mit Servicemitarbeitern die Zufriedenheit und Loyalität von Kunden bestimme und wie Kunden behandelt werden möchten.
Um das zu erfahren, sei es wichtig „sich auch von abgewanderten Kunden berichten zu lassen, was sie zum Abwandern veranlasst hat“. Man müsse Kunden zu Wort kommen, sie ihr Erleben erzählen lassen, „weil Kunden eine Dienstleistung nicht als Wert auf einer Skala erleben, weil für sie konkrete positive oder negative Erlebnisse damit verbunden sind“, meint der Marketingprofi. Und diese Erlebnisse seien es, die im Gedächtnis haften blieben, die Kunden als Geschichten im Gespräch mit Geschäftspartnern und -freunden, in ihrem Familien- und Freundeskreis zum Besten gäben und die ihr Verhalten bestimmten.
Im Gegensatz zum Skalenwert seien solche Geschichten voll an konkreten Informationen über das reale Serviceerleben von Kunden. Dank solcher Geschichten gewinne das Unternehmen detaillierte Einsichten darüber, was Kunden begeistert, was sie frustriert und, schlimmer noch, wodurch sie sich in ihrer Selbstachtung gekränkt fühlen. Zur Ergänzung und Vertiefung rät Stauss zum Einsatz der Critical Incident Technique. In einer mündlichen Befragung werden Kunden gebeten, besonders positive oder negative Erlebnisse zu beschreiben. Auf diese Weise ließe sich herausfinden, „welche Aspekte des Verhaltens von Unternehmen oder Unternehmensangehörigen die Kunden im Guten wie im Schlechten emotional stark berühren, was sie dauerhaft im Kopf behalten und ihr Empfinden und Verhalten lenkt.“
Die von Thomas Mann geschilderten Episoden zeigten „bis heute beispielhaft und gültig, dass das Qualitätserleben von Kunden viel komplexer ist als dies in der üblichen Zufriedenheitsmessung erfasst wird“, sagt Stauss. In dessen erzählten Dienstleistungsepisoden könne man nachlesen, wie jeder einzelne Kundenkontakt die weitere Qualitätswahrnehmung und das Verhalten der Kunden beeinflusst. Auch werde bei ihm deutlich, dass es nicht immer die in Fragebögen üblicherweise erfassten Leistungsmerkmale seien, die starke Kundenzufriedenheit oder -unzufriedenheit auslösten.
Sehr oft sei dafür Anderes verantwortlich. Etwa die Beachtung oder Ignoranz zentraler menschlicher Erwartungen in Bezug auf Achtung, Respekt oder Fairness. Allein an einem solchen Mangel könnten selbst langjährige Kundenbeziehungen im Handumdrehen zerbrechen. Und täten es auch. Stauss: „Bei Thomas Mann lässt sich nachempfinden, wie es sich anfühlt, als Kunde gegenüber anderen Kunden nachteilig behandelt, abschätzig angesehen und gemustert zu werden. Kunden sind eben nicht nur Kunden, sondern in erster Linie Menschen mit Empfingen, Erwartungen und Hoffnungen. Enttäuschungen auf dieser Ebene wiegen schwer.“ •

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