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Management: Dem Standard den Kampf angesagt

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Dem Standard den Kampf angesagt

Dem Standard den Kampf angesagt
Wahrer Fortschritt liegt für den Industriedesigner Jürgen R. Schmid jenseits aller Standards. In seiner Beratungspraxis beschäftigt er sich Tag für Tag mit neuen Perspektiven, verändert den Betrachtungswinkel und erschafft Lösungen mit Wow-Effekt. Bilder: Design Tech
Deutschland – ein von Stillstand geprägtes Land? Einer, der sich mit der Lage befasst und mit seinen Erfahrungen abgleicht, ist der Industriedesigner Jürgen R. Schmid. Mit seinem Buch will er Orientierung an die Hand geben, um dem Mittelmaß zu entkommen.

Dietmar Kieser

„Wonach die Zeit am sehnlichsten verlangt, das sind immer wieder die großen Individualitäten, die anders sind: denn immer ist mit ihnen die Zukunft gewesen.“

Rainer Maria Rilke

Kaum einer lässt sich vorwerfen, er kneife und weise Verantwortung von sich. Doch Belege dafür, dass solches Verhalten in Wirtschaft und Gesellschaft, ja bereits in der Schule gang und gäbe ist, liefert der Industriedesigner Jürgen R. Schmid reichlich. In seinem Buch mit dem Titel „Standard ist tödlich“ zieht der Geschäftsführer von Design Tech mit Sitz in Ammerbuch nahe Tübingen Schlüsse aus seinen langjährigen Beobachtungen und Projektarbeiten.

Das Mittelmaß hat Deutschland fest im Griff

Seine These, wonach das Mittelmaß Deutschland fest im Griff hat und das Land von Stillstand geprägt ist, belegt er mit zahlreichen Beispielen: In der Schule, die den Boden für eine standardisierte Gesellschaft bereitet, indem nicht das Individuum zähle, sondern Gleichmacherei, damit Themen beherrschbar werden. Bei der Arbeit, wo keine Verantwortung mehr übernommen, dafür aber Vorhandenes optimiert werde, um nur kein Risiko einzugehen. In der Gesellschaft, in der die große Mehrheit der Gemeinschaften in Deutschland nicht funktioniert und das politische Leben lähmt.

In seiner engagierten Gegenwartsanalyse kommt Schmid zu der Einschätzung, dass der Standard, die Gleichheit und das Mittelmaß die Oberhand gewonnen haben. Individualität, Eigenverantwortung und freier Gestaltung würden dagegen die Luft abgedreht. Diesen Schluss zieht er aus vielen Gesprächen mit Unternehmern, Wirtschaftsführern und Politikern. Keinesfalls geht es dem unkonventionell denkenden Designer dabei um den technischen Standard. Einen solchen zu setzen, verlange wiederum Risikobereitschaft, um zu innovativen Ansätzen und kompatiblen Lösungen zu kommen.

Optimierung ist kein Fortschritt

Nicht das Standardsetzen prangert er also an, sondern das Standarddenken. Bestärkt wird diese Geisteshaltung laut Schmid, indem Vorhandenes bestenfalls optimiert werde. Die Zustimmung dafür sei einem immer gewiss, sagt er, da niemand überzeugt werden müsse. Die echte Innovation hingegen provoziere Gegenwind, weshalb sie eher unterlassen werde. „Wir haben die Ideen“, macht er an bekannten, in Deutschland erfundenen Technologiebeispielen wie Computer, Flachbildschirm oder Solartechnik fest, „doch uns fehlt der Mut, sie hierzulande marktreif zu machen.“

Dabei liege echtes Erfolgspotenzial in dem, was ein Unternehmen noch nicht gemacht habe und nicht in dem, was es immer schon mache. Wer nur optimiere, sichere damit nur den Standard und kurzfristig seine Existenz. Erfolgreiche Unternehmer hingegen zeichnen sich auch dadurch aus, dass sie sich fragen, ob das Risiko nicht größer ist, wenn sie es nicht eingehen würden. Die Verzagten hingegen würden das Falsche belohnen. „Wir bekommen immer das, was wir belohnen“, weiß Schmid. Wer die Boni von Managern mit Blick auf Quartalsergebnisse bezahle, müsse mit kurzfristigen Maßnahmen leben und erhalte keine nachhaltigen Handlungen. „Wer auf Nachhaltigkeit, Risikobereitschaft und Verantwortungsbewusstsein setzen will, muss diese Aktionen auch belohnen“, nennt er den Weg aus dem Dilemma. Damit aber tue man sich schwer in Deutschland, weil es lediglich um den Erhalt des Lebensstandards gehe. Schmidt: „Wir befinden uns im Sparmodus. Statt das Leben aktiv zu gestalten, verwalten wir es.“

Sparmodus führt zu geistiger Lähmung und letztendlich zur Fremdbestimmung

Mancher Entscheider werde derart eingeschränkt, dass er seiner Überzeugung nicht mehr folgen könne. Etwa der Vorstand eines Textilmaschinenbauers, der sich für eine einzelne Projektinvestition das Plazet seiner Kollegen einholen müsse, nennt Schmid ein Beispiel aus seiner Praxis. Oder ein mittelständischer Elektrotechnikspezialist, dessen Inhaber sich für den Bau einer futuristischen Ladesäule für Elektroautos entschieden hatte. Doch kurz vor Erreichen der Rentabilitätsschwelle stellte die nachfolgende Unternehmergeneration das Projekt ein. „Die Leute wollen heute Geld sehen, und nicht erst morgen“, prangert der Industriedesigner das Kurzfristdenken an.

Gewiss hat Innovation nach der Vorstellung von Jürgen R. Schmid auch immer mit Angst zu tun. Deshalb sind für ihn Auftraggeber interessant, die sich auch aus dem Fenster zu lehnen trauen. Wie der Spritzgießmaschinenhersteller Arburg. Das neue Design der größten Spritzgießmaschine Allrounder 1120 H bedeutete für die Schwarzwälder einen gewaltigen Schritt. Bedenken im Unternehmen blieben nicht aus. Skeptiker mussten überzeugt werden, diesen für Arburg wichtigen und heute erfolgversprechenden Weg zu gehen. Wie so oft braucht es dafür der Kraft der Einzelnen. Die geschäftsführende Gesellschafterin Juliane Hehl übernahm die Verantwortung dafür. Mit ihrer Forderung, „wir müssen heute dokumentieren, dass wir übermorgen noch Marktführer sind“, formulierte die Marketingverantwortliche das „Warum“ – und gab damit dem Thema den entscheidenden Ruck in die richtige Richtung.

Deutschland mangelt es an Richtungsänderern

„Wenn das Warum für eine Entscheidung nicht groß genug ist“, betont Schmid, „sollte man gar nicht erst beginnen.“ Alle große Marken wie IBM, Apple oder Microsoft hätten ein starkes, verbindendes Warum als sinnstiftenden Teil ihrer Identität. Entsteht, wie bei Arburg, dann dieser, durch die individuelle Verantwortung übernommene Ruck, geben alle Gas und sind in der Lage, über den Standard hinauszugehen, weiß Schmid. Aus Erfahrung weiß er jedoch nur zu gut, dass es in Deutschland vielfach an Richtungsänderern à la Juliane Hehl mangelt. Und es fehlt ihm oft an der Bereitschaft zum Kompromiss, der eine große Sache erst möglich macht – und nicht kleiner.

Potenziale identifizieren und Chancen eröffnen

Gerade bei neuen Entwicklungen sei es „enorm wichtig zu wissen, warum man es genau so und nicht anders macht, um die Begrenztheit der eigenen Energie zu überwinden“, lautet eine von Schmids Thesen. Allein dadurch gehe eine andere Energie von einem aus, um innovativ zu werden. Mit seiner speziellen Sicht und Denkweise entwirft er nicht nur funktionales und schickes Design für Maschinen und Anlagen. Immer öfters geht es auch darum, Potenziale zu identifizieren und damit Chancen zu eröffnen. So könnte etwa das zukünftige Geschäftsmodell einer Spedition weitaus mehr bieten, als eine Maschine zum Kunden zu transportieren. Da dieser Prozess nicht mehr in der Obhut des Maschinenbauers liegt, muss er auf die Zuverlässigkeit des Spediteurs hoffen. Damit der Hersteller weiter im Fokus bleibt, skizzierten die Design-Tech-Spezialisten ein Szenario, das die Bedürfnisse aller Beteiligten – Hersteller, Dienstleister und Kunde – mehr als befriedigen könnte.

Das Gedankenspiel sieht vor, dass der Spediteur mit der Maschine zugleich das Herstellerimage transportiert. Der Käufer soll das Gefühl bekommen, der Maschinenbauer und nicht die Spedition habe ihm die Hightech-Ware geliefert. Diese Individualität sichtbar zu machen, ist eine der Leitdevisen von Jürgen R. Schmid. Seine Projekte, wie die in seinem Buch beschriebenen Ansichten, sind alles – nur nicht Standard.


Jürgen R. Schmid gibt den Lesern seines Buches eine Orientierung an die Hand, wie sie als Individualisten bestehen und Sinn spüren können.

Individualität leben

Unter dem Titel „Standard ist tödlich – Wo die Energie herkommt, die Wirtschaft und Gesellschaft voranbringt“ hat der mit 160 Awards ausgezeichnete Ammerbucher Industriedesigner Jürgen R. Schmid ein lesenswertes Buch geschrieben. Mehr über den im Eigenverlag erschienenen, rund 220 Seiten umfassenden Titel erfahren Sie unter: http://hier.pro/TviiC

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