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„Der Aufbau von Vertrauen braucht Zeit“

Indien: Andreas Lapp zu Mentalität und Markt
„Der Aufbau von Vertrauen braucht Zeit“

Immer mehr in den Fokus deutscher Firmen rückt der Subkontinent. Honorarkonsul Andreas Lapp weiß, warum. Der Chef des gleichnamigen Kabelherstellers ist seit über zehn Jahren in Indien mit eigener Produktion tätig.

Was sind die Gründe für das steigende Interesse am Standort Indien?

International agierende Unternehmen können und dürfen heute nicht mehr an Indien vorbeisehen. Neben China wird das Land als wichtigster Wachstumsmarkt in Asien eingestuft. Indien gilt heute nicht mehr als Entwicklungsland und preisgünstiger Produktionsstandort, sondern es steht für Hochtechnologie, intelligente IT-Lösungen und hervorragende Forschungslabors. Viele indische Familienunternehmen, wie beispielsweise Tata, Mahindra, Dr. Reddy oder Reliance, sind zu hoch geachteten und respektierten Global Playern aufgestiegen und heute wichtige Kooperationspartner, aber auch Wettbewerber vieler deutscher Unternehmen.
Worauf müssen Unternehmen besonders achten, wenn sie in Indien aktiv werden wollen?
Für kleinere, aber auch für große Unternehmen gilt, dass man sich zunächst genau über die lokalen und internationalen Wettbewerber, die Produkt- und Preispolitik, die Markt- und Distributionsstrukturen sowie die potenziellen Kunden informiert. Eine persönliche Reise durch das Land und der Besuch potenzieller Partner ist ein Muss. Ob man dann ein Joint Venture mit einem am Markt aktiven Partner eingeht oder ein 100-prozentiges eigenes Unternehmen gründet, muss jeder letztlich selbst entscheiden. Für die Firmenleitung sollte man einen erfahrenen, über 50jährigen Manager nach Indien schicken. Ältere Menschen werden dort sehr geachtet. Zweiter Mann sollte ein Inder sein, der die indischen Kollegen in die Spielregeln des deutschen Unternehmens einführt.
Was machen deutsche Unternehmen aus Ihrer Erfahrung am häufigsten falsch?
Mit einer Besserwisser-Mentalität kommt man in Indien nicht weit. Indien hat eine sehr große Anzahl an bestens ausgebildeten Frauen und Männern, die stolz sind auf ihr Land, und was sie erreicht haben. Man muss die Inder als Partner sehen. Oft fehlt es auch an Kenntnissen der Märkte sowie den richtigen Vertriebsstrukturen. Viele deutsche Unternehmer sind auch zu ungeduldig. Wie eben erwähnt braucht man für den Aufbau von Vertrauen viel Zeit. Die Gesellschaft Indiens ist über Netzwerke organisiert. Ohne Beziehungen läuft gar nichts.
Wie sieht es mit der Mentalität aus, wie mit der Sprache?
Man muss wissen, dass es vom Norden bis zum Süden Indiens mehr als 35 verschiedene Sprachen und hunderte Dialekte gibt. Die gebildeten Inder sprechen alle ein ausgezeichnetes Englisch. Bei Taxifahrern oder einfachen Angestellten ist die Verständigung dann oft schwieriger. Entweder sprechen sie gar kein Englisch oder ein schwer verständliches Kauderwelsch, das mit dem jeweiligen Dialekt vermischt ist. Alles dauert in Indien ein bisschen länger. Deutsche Pünktlichkeit gibt es nicht. Wer nicht bestens vernetzt ist, muss damit rechnen, dass Termine und Absprachen nicht eingehalten und Mails nicht beantwortet werden. Je internationaler ein Unternehmen aufgestellt ist, desto mehr trifft man auf Partner, die Verhandlungen auf internationalem Standard durchführen.
Spielt Produktpiraterie eine größere Rolle?
Ganz ausschließen kann man den Produkte-Klau nie. Aber die Gefahr kopiert zu werden, ist in China deutlich größer als in Indien. Indien ist zudem eine Demokratie und ein Rechtsstaat. Ein Unternehmen hat dadurch eine größere Rechtssicherheit und kann seine Rechte gegebenenfalls auch erfolgreich einklagen. Das kann man bei einem Prozess wegen Produktpiraterie in China nicht unbedingt behaupten. Deshalb achten wir bei Firmengründungen im Ausland darauf, dass wir nach Möglichkeit 100 % eigenständige Niederlassungen haben und kein Joint Venture mit ortsansässigen Firmen.
Wie sieht es mit der politischen Stabilität aus, wie mit dem Thema Korruption?
Indien ist eine Demokratie. Zwar hat das Land wegen der großen sozialen Unterschiede noch große Herausforderungen zu bewältigen, aber insgesamt gesehen ist Indien politisch stabil. Die Politiker Indiens wissen, dass die notwendigen sozialen Reformen, insbesondere auf dem Land, nur möglich und finanzierbar sind, wenn die Wirtschaft weiter floriert. Als Unternehmer kann man sich sicher sein, dass eine Investition am Standort Indien eine gute Investition ist. Korruption gibt es natürlich überall. Auch in Deutschland, wie wir immer wieder lesen können. Wenn man in einem Unternehmen aber ganz klar formuliert, dass Bestechungsgelder und Korruption im Unternehmen verboten sind, dann wird das auch von den indischen Entscheidungsträgern akzeptiert. Grundsätzlich muss man wissen, dass durch die ausgeprägte Bürokratie Entscheidungen oft erheblich länger dauern und oft eine Vielzahl von Antragsformularen ausgefüllt werden muss. Vor Vertretern der Bürokratie sollte man dennoch immer respektvoll auftreten.
Welche Regionen sehen Sie als die attraktivsten für ein Invest in Indien?
Das kommt auf die Branche an. Pune beispielsweise ist ein Schwerpunkt für die Automobilproduktion. Da macht es Sinn als Zulieferer in der Nähe zu sein. Bangalore, die reichste Stadt Indiens, wiederum ist ein IT- und Biotechnologie-Standort. Mumbai ist das Zentrum für Textilindustrie, Maschinenbau, aber auch Medien und Filmproduktion. Jaipur steht für Textil-, Schmuck- und chemische Industrie, Delhi für Anlagenbau und Präzisionswerkzeuge. Allerdings muss man bei einer Neuansiedlung auch den riesigen indischen Markt berücksichtigen. Wir haben unser Werk in Bangalore und produzieren dort fast ausschließlich für den heimischen Markt. Demnächst planen wir fünf neue Lager- und Vertriebsniederlassungen und eventuell auch eine eigene Produktion bei Neu Delhi. So können wir schneller beim Kunden sein und besten Service und Beratung bieten.
Wie sieht es mit der Infrastruktur aus?
Die Verkehrssysteme sind hoffnungslos überlastet. Aber die Inder haben erkannt, dass man im globalen Wettbewerb nur mithalten kann, wenn man in die Infrastruktur investiert. So werden in Indien heute mit Nachdruck große Investitionen mit Public-Private-Partnership-Modellen finanziert und realisiert. Allein für den Güterverkehr investiert die Indische Bahn über fünf Milliarden Euro und für den Ausbau der Häfen werden 16 Milliarden bereitgestellt. Da werden innerhalb kürzester Zeit riesige Infrastrukturprojekte auf den Weg gebracht. So schnelle Entscheidungswege würde ich mir manchmal auch für den Wirtschaftsstandort Baden-Württemberg wünschen.

Lapp kurz und knapp
Nicht ganz 50 Jahre nach der Gründung zählt das Familienunternehmen mit 3000 Mitarbeitern, 56 eigenen Gesellschaften und 100 Vertretungen zu den führenden Herstellern von hochflexiblen Kabeln, Anschluss- und Steuerleitungen, Daten- und Lichtwellenleitern, industriellen Steckverbindern und Systemlösungen. Insgesamt finden sich über 40 000 Produkte im Portfolio, eingesetzt werden sie im Maschinen- und Anlagenbau, der Automatisierungstechnik, Mess-, Steuer- und Regeltechnik, Automobilindustrie sowie Elektro-, Installations-, Transport- und Energietechnik. Im Geschäftsjahr 2006/07 (Stichtag 30. September) setzte die Lapp-Gruppe etwa 1,03 Mrd. Euro um.
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