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Der US-Markt tickt anders

Gefragt: Deutsche Ingenieurskunst gepaart mit amerikanischer Seele
Der US-Markt tickt anders

Investieren in den USA I Für den deutschen Mittelstand bietet der US-Markt viele Vorteile. Das Programm Select USA unterstützt ausländische Firmen bei einer Investition in die US-Industrie. §

Autor: Nora Nuissl

„Der Markt USA ist so spannend – gerade der Bereich Maschinenbau ist in den Vereinigten Staaten so differenziert –, dass man es sich als Unternehmen nicht leisten kann, diesen auszulassen“, stellt Karl Haeusgen, Sprecher des Vorstands der Hawe Hydraulik SE, heraus. Der Münchener Hersteller von hydraulischen Komponenten und Systemen hat bereits 1997 in einen Standort im Land der unbegrenzten Möglichkeiten investiert. Grund für das Maschinenbau-Unternehmen war die Frage des Marktvolumens und die Nähe zu interessanten Konzernen, wie dem US-Landtechnikriesen Deere & Company.

Die lokale Nähe zu amerikanischen Unternehmen, ob im Bereich des klassischen Maschinen- und Anlagenbaus, der Kunststoff- und Metallindustrie oder im Zulieferermarkt für die Automobilindustrie, sei eine Grundvoraussetzung für langfristigen Erfolg auf dem US-Markt, attestiert Edward Fantasia, Mitarbeiter der Select USA-Vertretung des Wirtschaftsministeriums. Doch nicht nur für große Konzerne wie Siemens oder Daimler sei eine Investition in die US-Wirtschaft interessant. „Die Ausgangssituation der Investition in die USA ist für deutsche kleine und mittlere Unternehmen grundsätzlich äußert positiv“, resümiert Edward Fantasia.
2014 investierten deutsche Firmen rund 6,3 Mrd. $ in den US-Markt
Zum einen wächst das Bruttoinlandsprodukt (BIP) der Vereinigten Staaten moderat, aber konstant: 2014 hat sich das US-BIP mit rund 17,4 Billionen $ um 2,5 % im Vergleich zum Vorjahr gesteigert, wie das amerikanische Wirtschaftsministerium mitteilte. Damit ist Amerika laut einer Studie der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) das Zugpferd unter den reichen Industrienationen, vor Europa, Japan, Großbritannien und Russland. 2014 investierten deutsche Unternehmen rund 6,3 Mrd. $ in Neugründungen oder Expansionen von US-Standorten. Deutschland rangiert damit nach Großbritannien, Japan und Kanada auf Platz vier der Rangliste ausländischer Investitionen. Rund 191 Mio. $ flossen 2014 von Unternehmen hierzulande in Investitionsprojekte im Bereich Maschinen- und Anlagenbau und Werkzeugbau in den USA. Zählt man Automobilzulieferer und OEMs dazu, legten deutsche Firmen vergangenes Jahr fast die Hälfte des gesamten Investitionsvolumens in die USA im Bereich Fertigung an, stellt Fantasia fest.
Für eine Investition in den amerikanischen Markt spricht außerdem die steigende Kaufkraft sowie die Erholung in der Bevölkerung und in der Wirtschaft. Der gegenwärtig starke Dollar und schwache Euro-Kurs bietet laut US-Experte Fantasia ein Markteintrittsfenster für deutsche KMU. „Mithilfe langfristiger Markterschließungsstrategien könnten diese Positionen ausgebaut und dauerhaft gefestigt werden“, ist Fantasia überzeugt.
Doch wie können deutsche Unternehmen Fuß auf dem breiten amerikanischen Markt fassen? „Um die Akzeptanz auf dem US-Markt zu erhöhen, ist eine Kooperation mit amerikanischen Zulieferern und lokalen Wirtschaftsförderungsgesellschaften ein erster Schritt. Zudem sollte sich ein Unternehmen überlegen, wo es sinnvoll ist, Stärken von US-Herstellern mit dem eigenen Know-how zu kombinieren und in der Produktion einzubinden“, betont der Konsulatsrepräsentant. Amerikanische Firmen würden eine führende Rolle im Bereich der Digitalisierung einnehmen, deutsche Unternehmen punkteten dagegen in der Ingenieurskunst und dem klassischen Maschinenbau. Gerade diese Kombination der jeweiligen Landesstärken macht für Haeusgen den spannenden Vorteil aus: „Wir bieten unseren Kunden inner- und außerhalb der USA ein German-engineered product – with soul and service the American way“, schmunzelt der Hawe-Vorstandssprecher.
Das Unternehmen verfolgt den Grundsatz, nur mit Locals zu arbeiten und beschäftigt 85 Mitarbeiter an mittlerweile drei US-Standorten. Denn gerade die ungeschriebenen Regeln auf dem US-Markt sollten nicht unterschätzt werden. „Auf dem amerikanischen Markt verschieben sich Schwerpunkte teilweise vollkommen anders als in Deutschland. Beispielsweise wird im deutschen Maschinenbau technisch argumentiert, in den USA hingegen ist die Frage nach der Service-Unterstützung viel wichtiger“, erklärt Haeusgen. Auch bei Prototypen herrschen andere Regeln: Während in Deutschland eine ausführliche Spezifikation geschrieben und ein Bauteil monatelang getestet werde, bevor es als Prototyp ausgeliefert wird, gehe bei US-Firmen die Geschwindigkeit vor. „Firmen erwarten dort einen Prototypen nach ein bis zwei Wochen und testen diesen dann selbst“, erläutert Haeusgen.
Während der Hydraulikhersteller Ende der 90er-Jahre mithilfe der Mitarbeiter vor Ort die andersartigen Geschäftsregeln auf eigene Faust identifizieren musste, haben es Unternehmen heute leichter. „Während ich damals selbst tausende von Kilometern durch die USA gefahren bin und mögliche Standorte besichtigt habe, kann man heute viel mit Schreibtischrecherche herausfinden“, vergleicht Haeusgen.
Select USA unterstützt ausländische Firmen bei einer Investition in die USA
Heute können sich Unternehmen, die in einen US-Standort investieren wollen, auch an das Programm Select USA der amerikanischen Regierung wenden. „Wir unterstützen interessierte Unternehmen, indem wir als neutrale Partei Beratung bei Wirtschafts-, Standort- und regulatorischen Fragen anbieten. Wir geben einen Einblick in die Subventionsmöglichkeiten, die auf bundesstaat- licher Ebene angeboten werden und vermitteln den Unternehmen entsprechende Kontakte zu lokalen Wirtschaftsförderungsgesellschaften“, erläutert Fantasia das Programm. Außerdem veranstaltet die US- Regierung in regelmäßigen Abständen den „Investment Summit“, bei dem zahlreiche Vertreter aus der Politik und Wirtschaft aus den USA und dem Ausland anwesend sind.
Bei dem ersten Summit im Jahr 2013 hat auch Jesús López Marín, Vorstandsvorsitzender von Edelmann Technolgy, einen Einblick in das Netzwerk USA bekommen. Der mittelständische Hersteller von Wickel- und Schneidemaschinen für die Vliesstoffindustrie hat im Oktober 2014 einen Servicestützpunkt in den USA gegründet, da der Bedarf an Maschinen dort kontinuierlich zugenommen hat. „Zunächst stand für uns die Standortsuche auf dem Plan: Wir haben bestimmte Bundesstaaten ausgewählt und dann Landkreise nach logistisch günstigen Merkmalen durchforstet. Für den Standort in Virginia haben wir uns entschieden, da dort eine gute Verkehrsanbindung gegeben ist, die ländlichen Lohnkosten attraktiv sind und der Standort nicht weit von Virginia Tech, einer Hochschule, entfernt ist“, erzählt López. Von der Nähe zur Hochschule erhofft sich das bayerische Unternehmen, zukünftig Personal rekrutieren zu können. Das Wirtschaftsministerium unterstützt ansiedelnde Unternehmen in den USA auch tatkräftig: „Oftmals bilden Hochschulen auf eigene Kosten direkt für einen Arbeitgeber aus. Da es gerade in ländlichen Regionen schwer ist, qualifiziertes Fachpersonal zu bekommen, ist das ein sehr attraktives Angebot. Das war uns wichtiger als etwa steuerliche Anreize“, betont López.
Zwar gilt es, bei einer Investition in einen ausländischen Standort einige Hürden zu meistern, bereut haben es die beiden Unternehmen jedoch nicht. „In den USA herrscht eine große Offenheit für neue Technik, Produkte und Möglichkeiten. Man fühlt sich immer willkommen“, schwärmt Haeusgen. Das Hydraulikunternehmen macht heute rund 50 Mio. $ Umsatz im US-Markt, das sind rund 17 % vom Gesamtumsatz 2014. Auch López schätzt den Standortvorteil: „Das Verhältnis zu unseren Kunden hat sich sehr verbessert. Vor allem die Mund-zu-Mund-Propaganda hat uns viele neue Wartungsaufträge verschafft, die wir von Deutschland aus nie bekommen hätten.“ •

„Die US-Industrie legt Wert auf lokale Partner“
Herr Fantasia, das Programm Select USA der US-Regierung unterstützt Unternehmen bei einer Investition in die USA. Was bietet Select USA?
Select USA fungiert als neutrale Institution und Beschwerdestelle, ohne jegliche Standortpräferenzen. Wir beraten Unternehmen bei Wirtschafts- und Standortfragen sowie bei regulatorischen, Visa-, Einwanderungs- und Subventionsfragen. Außerdem pflegen und vermitteln wir gute Kontakte zu lokalen US-Wirtschaftsförderungsgesellschaften sowie Verbänden.
Warum ist es wichtig, einen Standort in den USA zu haben?
Häufig fassen ausländische Unternehmen Fuß in den Vereinigten Staaten mit Handelsvertretern oder einer Vetriebsgesellschaft und werden enttäuscht, weil der langfristige Erfolg ausbleibt. Die US-Industrie legt sehr viel Wert auf einen kompetenten und lokalen Partner. Daten des US-Wirtschaftsministeriums zeigen, dass deutsche Unternehmen rund vier Mal mehr Absatz mit einer Tochtergesellschaft in den USA machen, als durch Importe aus Deutschland.
Mit welchen Befürchtungen kommen deutsche KMU häufig auf Sie zu?
Deutsche Unternehmen fühlen sich von der Vielfältigkeit amerikanischer Rechts- und Finanzebenen und von komplizierten Zuständigkeiten herausgefordert. Außerdem kommt häufig die Frage nach Produkthaftungen und Visa auf. Hier rate ich, sich gründlich mit Select USA zu informieren und mit professionellen lokalen Dienstleistern inklusive der Wirtschaftsförderungsgesellschaften vor Ort in Kontakt zu treten, diese helfen gerne weiter. nu
Weitere Informationen unter: www.selectusa.gov

Die Harvard Business School hat im Auftrag des US-Wirtschaftsministeriums ein Cluster Mapping der USA mit Daten zu Kompetenzzentren je nach Wirtschaftsbranche oder Wachstumsdaten entwickelt. Weitere Informationen finden Sie unter: www.clustermapping.us
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