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„Der Wettbewerb wird härter“

VDMA-Werkzeugbau-Vorstand Hubert Waltl über die aktuelle Situation der deutschen Branche
„Der Wettbewerb wird härter“

„Der Wettbewerb wird härter“
„Mir liegt am Herzen, dass die Betriebe den Nutzen von Netzwerken, Organisationen und Verbänden erkennen. Nur gemeinsam sind wir stark.“
Hubert Waltl sieht den deutschen Werkzeugbau auf einem guten Stand. Dennoch müsse die Effizienz konsequent weiter verbessert werden, mahnt der Vorstand der Fachgruppe Werkzeug- und Formenbau des Fachverbands Präzisionswerkzeuge im VDMA. Im Hauptberuf leitet Waltl den VW Werkzeugbau-Konzernverbund.

Herr Waltl, wie sehen Sie derzeit die Situation des deutschen Werkzeug- und Formenbaus im internationalen Wettbewerb?

Die meisten Unternehmen haben noch gut gefüllte Auftragsbücher. Hinsichtlich Produktivität, Qualität und Komplexität nehmen sie nach wie vor den Spitzenplatz ein. Dennoch ist die Situation angespannt. Anbieter aus anderen Regionen holen auf. Insbesondere jene aus Asien – vor allem die Chinesen und zunehmend auch die Koreaner – kommen immer stärker. Die Herausforderung für uns: Vorauszueilen ist immer schwieriger als aufzuholen.
Welche Auswirkungen erwarten Sie durch die Finanzkrise für die Branche?
Meine berufliche Erfahrung sagt mir: In schwierigen Zeiten wird noch mehr auf die Kosten geschaut. Insofern wird unser Leben sicher nicht leichter. Das Thema Lebenszykluskosten, das den reinen Anschaffungspreis relativiert, ist zwar mittlerweile durchaus im Bewusstsein der Verantwortlichen, das Problem dabei ist jedoch der Nachweis. Darzustellen, welche Kosten über die gesamte Nutzungsdauer eines Werkzeugs anfallen, ist nicht ohne Weiteres möglich, vielfach auch einfach zu teuer und aufwändig.
Im Fall einer Rezession: Wo stehen unsere heimischen Werkzeugbauer im Vergleich zum internationalen Wettbewerber?
Die deutschen Unternehmen sollten einen nicht zu unterschätzenden Vorteil haben. Sie stehen seit vielen Jahren im harten Wettbewerb, haben daraus gelernt und sich fit gemacht. Außerdem kennen sie das zyklische Verhalten des Markts und wissen sich darauf einzustellen. Deshalb gehe ich davon aus, dass eine weltweite Rezession beispielsweise chinesische Anbieter deutlich härter treffen würde.
Wo sehen Sie die Stärken, wo die Schwächen des deutschen Werkzeug- und Formenbaus?
Zu den Stärken gehören ganz klar die Qualität der Werkzeuge, die kurzen Durchlaufzeiten und das Beherrschen hoher Komplexität. In diesen Bereichen sind wir nach wie vor führend. Auch beim Service und bei den Dienstleistungen haben wir gegenüber asiatischen Wettbewerbern Vorteile, einfach aufgrund der Nähe zu den Kunden und der größeren Erfahrung, aber auch durch die Qualifikation unserer Mitarbeiter. Herausforderungen, mit denen wir einfach umgehen müssen, sind das Lohnniveau sowie gesetzliche Vorgaben, beispielsweise hinsichtlich Arbeitszeitflexibilität oder Umweltauflagen. Zu den Schwächen gehört für mich, dass die Betriebe zu wenig organisiert sind und die Chancen von Netzwerken noch viel zu wenig nutzen. Kooperationen sind nach wie vor eher die Ausnahme. Dabei ließe sich dadurch vieles erreichen. Messeauftritte, die Mitarbeit in Hochschulprojekten, gebündelte Aktivitäten bei Einkauf und Vertrieb, um nur einige Beispiele zu nennen. Gemeinsam lässt sich vieles stemmen, was für den Einzelnen zu teuer oder zu aufwändig wäre.
Seitens der Forschung wird mittlerweile für noch weitergehende Kooperationen geworben, bis in die Konstruktion hinein. Nach dem Motto: Probleme nicht selbst lösen, sondern anderen zugänglich machen, die bereits eine Lösung dafür haben…
Warum mit dem sensibelsten Bereich beginnen, wenn an anderer Stelle noch genügend Potenziale brach liegen? Über ein gemeinsames Vertriebsnetz ließen sich beispielsweise neue Märkte erschließen – auch in Asien –, die für Einzelne unerreichbar wären. Ein gemeinsamer Einkauf führt zu einer stärkeren Position gegenüber Lieferanten und damit zu besseren Konditionen. Durch den Austausch von Produktionskapazitäten kann der eine bestimmte Maschinen besser auslasten und der andere spart sich die Investition in vergleichbare Systeme. Und durch den Zukauf von Leistungen kann ich mein Angebotsspektrum erweitern. So lässt sich die Effizienz noch deutlich steigern, ohne das eigene Know-how offen legen zu müssen. Ich finde es sehr schade, dass nicht mehr Werkzeugbauer die Möglichkeiten nutzen, die Netzwerke, Organisationen oder der VDMA als Verband bieten.
Sind aus Ihrer Sicht zu wenige Werkzeugbauer in den Verbänden organisiert?
Wenn man betrachtet, wie viele Betriebe es gibt und wie viele Mitglied sind, dann finde ich das schon. Das Problem ist: In guten Zeiten braucht niemand einen Verband, und bei schlechter Konjunktur ist vielen der Mitgliedsbeitrag zu hoch. Aber gerade für den Mittelstand gilt: Nur gemeinsam sind wir stark, und nur gemeinsam haben wir eine Chance, uns Gehör zu verschaffen und unsere Interessen zu vertreten. Außerdem vergessen viele, was beispielsweise der VDMA ihnen bietet. Das beginnt bei Beratungsleistungen, geht weiter über Bildungsangebote oder die Vermittlung von Netzwerkkontakten, bis hin zur Organisation gemeinsamer Messeauftritte, wie kürzlich auf der Euroblech in Hannover.
In welchen Bereichen müssen sich die deutschen Werkzeug- und Formenbauer weiterentwickeln oder verbessern?
Die meisten Betriebe sind derzeit auf einem guten bis sehr guten Stand. Sie haben in den letzten Jahren ihre Hausaufgaben gemacht. Das gilt auch hinsichtlich CAD-Systemen und Datendurchgängigkeit. Dennoch müssen sie sich natürlich ständig weiterentwickeln. Schlanke Strukturen sind ebenso wichtig wie das weitere Reduzieren von Fehlerquellen und Verschwendung über den gesamten Prozess. Besonderes Augenmerk sollte – wie gesagt – auf der Bildung von Netzwerken liegen, denn sie helfen, die Fixkosten zu reduzieren. Technologisch müssen wir uns unter anderem mit neuen Werkzeugkonzepten, Materialien und Beschichtungen auseinandersetzen. Hier ist ein guter Kontakt zu Hochschulen sehr hilfreich.
Ist der Eindruck noch richtig, dass gerade kleinere Unternehmen häufig Berührungsängste haben, wenn es um Hochschulen geht?
Dazu gibt es keinen Grund. Die Professoren und ihre Mitarbeiter arbeiten heute sehr industrienah. Im Werkzeugbau des VW-Konzerns nutzen wir diese Zusammenarbeit in zweierlei Hinsicht: Die Wissenschaftler helfen uns, neue Technologien zu erarbeiten und nebenbei lernen wir vielversprechende Nachwuchskräfte kennen. Diese Kontakte sind ein guter Nährboden für die Zukunft.
Haben breit aufgestellte Formenbauer künftig noch Chancen, oder ist mit Blick auf die getaktete Fertigung die Spezialisierung eine Voraussetzung für den Erfolg?
Das lässt sich nicht so allgemein sagen. Natürlich ist eine synchronisierte Fertigung einfacher, wenn man sich auf ein sich wiederholendes Werkzeugspektrum konzentriert. Aber auch bei einem heterogenen Portfolio lässt sich der Durchfluss effizienter gestalten. Das Aufbrechen und bündeln der Arbeitsinhalte ist dann zwar etwas schwieriger, aber durchaus möglich. Auch hier gilt es, die entsprechenden Schnittstellen zu schaffen und sie clever zu verbinden.

Marktchancen
Hinsichtlich Produktivität, Qualität und Komplexität nehmen deutsche Werkzeugbauer nach wie vor den Spitzenplatz ein. Diesen zu halten, ist jedoch angesichts des aufholenden internationalen Wettbewerbs eine Herausforderung. Um sie zu bewältigen, können Kooperationen zwischen mehreren Betrieben die Effizienz und damit Marktchancen verbessern, Netzwerke die Fixkosten reduzieren sowie Verbände und gemeinsames Handeln die eigenen Interessen stärken.
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