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„Die Ergebnisse sollen jetzt nutzenstiftend in die Breite“

RWTH-Professor Achim Kampker zum neuen Aachener Fabrikplanungs-Kongress Anfang Juli
„Die Ergebnisse sollen jetzt nutzenstiftend in die Breite“

„Die Ergebnisse sollen jetzt nutzenstiftend in die Breite“
Ein Forschernetzwerk der RWTH Aachen will, unterstützt durch einen branchenübergreifenden Unternehmenskreis, auf dem Kongress „Exzellente Fabriken planen + bauen“ eine Blaupause für die Fabrikplanung der Zukunft vorstellen. Wie vor allem die mittelständische Industrie davon profitiert, erläutert der Aachener Fabrikplanungsexperte Professor Achim Kampker. §

Autor: Dietmar Kieser

Herr Professor Kampker, welche Parameter verändern sich derzeit im Umfeld einer Fabrik?

Die Veränderungen sind sehr vielfältig. Ein wichtiges Thema stellt beispielsweise die urbane Produktion dar. Die vormaligen Gründe für eine Verlagerung von Fabriken aus den Städten wie Schmutz oder Lärm zählen heute nicht mehr. Im Gegenzug verbringen wir auf dem Weg zur Arbeit viel Zeit im Stau. Doch was bedeutet es, wenn Fabriken zurückverlagert werden und wie sieht das aus? Jedenfalls entstehen eher kleinteiligere, dezentrale Strukturen. Überdies kommen neue Technologien zum Tragen…
An welche Technologien denken Sie?
Ich bin überzeugt davon, dass beispielsweise der 3D-Druck die Produktion und damit auch die Fabrikplanung revolutionieren wird. Zugleich verändern sich damit die logistischen Prozesse. So könnte sich ein Hersteller die Baupläne von Teilen per Datensatz kaufen und das End- oder Zwischenprodukt in Stadtnähe drucken und in kleineren Einheiten produzieren. Dies gilt nicht nur für vermeintlich einfache Produkte. Wird auf diese Weise beispielsweise eine Form oder ein Werkzeug hergestellt, dauert der Werkzeugbau statt einem halben Jahr gerade noch zwei Wochen.
Klingt das nicht sehr visionär?
Es mutet visionär an, ist aber nicht mehr weit entfernt. Ich rede nicht von einem Zeithorizont von 50, sondern von fünf bis zehn Jahren.
Wo sehen Sie heute die größten Hemmnisse in der Fabrikplanung und wo liegen die Denkfehler?
Wandlungsfähigkeit oder Flexibilität werden oft fehlinterpretiert. Der Versuch, mit Technologie alles abbilden zu wollen, führt zu enormen Investitionskosten. Zudem erschwert dieser Ansatz Neues zu integrieren. Dahingehend wird heute investiert und es werden Fabriken gebaut, die 30 Jahre halten sollen, während die Welt immer volatiler und dynamischer wird. Vor der letzten Finanz- und Wirtschaftskrise war der beste Produzent derjenige, der keine Produktion mehr hatte. Was fatal ist und verstärkt wird durch noch mehr Automation. Diesen Bogen überspannen wir gerade.
Verkürzt das immer schnellere Ticken der Welt nicht auch das Verfallsdatum einer Fabrik?
Produktseitig ist das bereits so. Planungsseitig ist es die Aufgabe der Fabrikplanung, genau dies zu verhindern. Sie darf nicht deterministisch, sondern muss agil und adaptiv planen und sich dabei auf die Bereiche mit dem größten Hebel konzentrieren. Dieser Return on Engineering oder Return on Planning muss von vorn herein in die Planung mit einbezogen werden.
Viele Großprojekte werden teurer als veranschlagt und Planungszeiten oft überschritten. Warum werden solche Mängel hingenommen, wo doch alles auf Optimierung und Effizienz ausgerichtet ist?
Hingenommen wird dies sicherlich nicht. Aber zum einen ist Fabrikplanung in den Unternehmen häufig eine Nebentätigkeit. In der Regel werden ja keine Fabrikplanungsprofis beschäftigt. Entweder ist jemand am Werk, der erstmals damit befasst ist oder zuletzt vor zehn Jahren involviert war. Zum anderen wird dort, wo professionell vorgegangen wird, nach wie vor sequenziell geplant. Dabei ist die Fabrikplanung häufig mit unscharfen Daten konfrontiert. Da man jedoch mit unscharfen Daten nicht gut umgehen kann, kommt es auch hier regelmäßig zu Problemen, da Fixwerte definiert werden und zu wenig in Szenarien gedacht wird.
Was empfehlen Sie?
Ähnliche Fabrikplanungsaufgaben in Modulen zusammenzufassen sowie klare Verantwortlichkeiten, Schnittstellen und Informationsflüsse zu definieren. Allein durch diesen modularen Ansatz kann im Gegensatz zum sequenziellen Vorgehen eine Halbierung der Planungszeit erreicht werden. Innerhalb der Module definieren wir, wie exakt eine Information sein muss. Bei einer gewissen Unschärfe muss man sich im Klaren sein, wie damit umzugehen ist, wodurch der Prozess deutlich effizienter wird. Dieses Vorgehen ist in der breiten Praxis noch nicht angekommen.
Regiert dort eher das Zufallsprinzip?
Im Planungsteam reden viele unterschiedliche Disziplinen miteinander. Zwar benutzen Architekten, Bauingenieure, Städteplaner und Maschinenbauingenieure häufig die gleichen Begriffe, für den einzelnen bedeuten diese jedoch etwas anderes. Sehr erhellend war, als Studenten aus dem Maschinenbau, dem Bauingenieurwesen und der Architektur versuchsweise eine Fabrik planten. Allen hat es viel gebracht, mit anderen Softwaretools zu arbeiten, aber auch sich in andere Denkweisen einzufinden. Was ich aber mit Erschrecken festgestellt habe: Wenn wir dies erst einüben müssen, dann haben Generationen aneinander vorbei geredet. Das zeigt, wie sehr der Erfolg von den Menschen abhängt. Allzu oft bringt wohl nur der Zufall die richtigen Leute zusammen.
Wenn Produktions- und Gebäudeplanung integriert ablaufen, steigt dadurch nicht die Komplexität im Planungsprozess?
Nicht wenn es richtig gemacht wird. Sind die Schnittstellen klar definiert, wird der Aufwand sogar reduziert.
Welche Rolle spielen virtuelle Planungshilfen dabei?
Die Vernetzung der Tools steht erst am Anfang. Zwar gibt es eine Vielzahl an Planungshilfen, die aber nicht sinnvoll integriert sind. Dabei geht es nicht darum, eine riesige Datenkrake zu schaffen. Vielmehr sind die Schnittstellen von den Prozessen her sauber zu definieren und die Tools dann einzubinden. Derartiges gibt es noch nicht. Wir arbeiten mit verschiedenen Partnern aus Forschung und Industrie daran, die Tools der Produktions- und Gebäudeplanung zu vernetzen.
Wie tauglich sind die Tools der Digitalen Fabrik für die Praxis der Fabrikplanung?
Sie sind sehr hilfreich, wenn sie richtig eingesetzt werden. Es wäre jedoch ein Irrtum anzunehmen, damit automatisiert planen zu können.
Sie treten mit einem Netzwerk an, die Fabrik und Fabrikplanung der Zukunft zu entwerfen. Wie deutlich wird sich die Fabrikplanung von der heutigen unterscheiden?
Vor allem vor dem Hintergrund neuer Trends, wie der urbanen Produktion, oder disruptiver Technologien, wie dem 3D-Druck, werden sich die Anforderungen und die Komplexität der Fabrikplanung verändern. Um unter diesen Umständen effektiv und effizient Fabriken planen zu können, benötigen wir eine neue, interdisziplinäre und synchronisierte Herangehensweise, die sich konsequent an der Aufgabenstellung orientiert. Hierauf richten wir unsere Arbeiten aus.
Mit einigen Lehrstühlen ist der „Forschungsverbund Interdisziplinäre Fabrikforschung“ seit Jahren aktiv. Warum suchen Sie jetzt erst den Ergebnisaustausch mit der Fachöffentlichkeit?
Wir haben gesehen, dass unser Tun erfolgreich ist und in die richtige Richtung zielt. Vieles wurde ausprobiert, getestet und weiterentwickelt. Dieses Wissen von mehreren Jahren und das riesige Potenzial, das dahinter steckt, wollen wir jetzt einer breiten Fachöffentlichkeit zugänglich und für diese nutzbar machen.
Kann man davon ausgehen, dass Sie einen grundsätzlich neuen Fabrikplanungsansatz propagieren?
Ja, das modulare und parallelisierte anstelle eines sequenziellen Planens ist vergleichsweise neu in der Fabrikplanung. Setzt sich dieser Ansatz durch, wird er die derzeit gültige Vorgehen ablösen. Ich denke, dass dies der richtige Weg ist.
Welches Ziel verfolgen Sie mit dem Kongress „Exzellente Fabriken planen + bauen“?
Wir wollen in einem Netzwerk die Fabrikplanung erfolgreicher gestalten und die Fabrik der Zukunft entwerfen. Aber nicht durch Vorzeichnen. Vielmehr sollen die Kongressteilnehmer die Thematik gemeinsam mit uns aus verschiedenen Blickwinkeln weiterentwickeln und mitgestalten. Ich bin überzeugt, dass im interdisziplinären Dialog der Teilnehmer kreative und innovative Ideen entstehen. Die Integration eines „World Café“ ermöglicht es beispielsweise, dass viele kleine Gruppen verschiedene Themen in gemütlicher Atmosphäre diskutieren. Hierbei entstehen in der Regel wertvolle Ideen, die dann aufgegriffen und in die Erarbeitung neuartiger Ansätze eingebunden werden können.
Und was macht diesen Kongress für den mittelständischen Planer interessant?
Dass unsere erprobten Ansätze auch beim Mittelstand funktionieren und nicht nur bei Großkonzernen. Wer nicht jedes Jahr eine Fabrik plant und für wen dies im Bedarfsfall eine Art Lebensaufgabe darstellt, kann auf diese Ansätze zurückgreifen. Damit lassen sich die gestellten Aufgaben zielgerichtet und effizient lösen. •

Gipfeltreffen
Fachkongress | Auf dem Kongress „Exzellente Fabriken planen + bauen“ in Aachen diskutieren hochkarätige Experten, damit Fabrikplanung Unternehmen einen echten Mehrwert schafft.
Trends, Orientierung, Ideen und Visionen – auf Einladung mehrerer Forschungsinstitute der Aachener RWTH diskutieren am 2. und 3. Juli Fachexperten und Firmenchefs die Perspektiven der Fabrik und der Fabrikplanung. Unter dem Titel „Exzellente Fabriken planen + bauen“ kreist im Aachener Tivoli zwei Tage lang alles um die wichtigsten Themen der Produktionssystemplanung, der Bauplanung und der Architektur in Unternehmen. Bereits die Initiatoren – acht Professoren von sieben Lehrstühlen sowie dem Eon Energy Research Center – garantieren dafür, dass die Thematik nicht nur aus verschiedenen Blickwinkeln, sondern auch ganzheitlich aufgezeigt wird.
Die Keynotes des ersten Kongresstages
Aus der Perspektive von Produktions- und Fabrikplanern, Architekten, Bauingenieuren und Nutzern der Fabrik werden zuerst die künftigen Herausforderungen der Fabrik dargestellt. Der Bogen der Keynotes reicht von der Fabrikplanung der Zukunft (Prof. Günther Schuh, WZL) über die Fabrik als Schule – Vom Arbeitsort zum Lernort (Prof. Gunther Henn, Henn GmbH) und der Zukunft der Fertigung und ihre Auswirkungen auf die Fabrikhalle (Dr. Detlef Kayser, McKinsey) bis zur robusten Fabrikplanung zur Sicherung der Wertschöpfungskette (Christian Hünten, FM Insurance). Anschließend legen zwei Parallelstränge Schwerpunkte sowohl auf den Planungsprozess als auch auf Fabrik- und Gebäudekonzepte. Jeweils fünf Referenten zeigen hier die Wege und Lösungsansätze auf, um mit Fabrikplanung einen echten Mehrwert zu schaffen.
Ergebnisse der neuen Studie am zweiten Kongresstag
Der zweite Kongresstag greift die beiden Parallelstränge mit insgesamt acht Vorträgen auf und schließt mit der Sesssion „Factory planning – next steps“ ab. Bevor Prof. Achim Kampker diese nächsten Schritte skizziert und einen Ausblick gibt, präsentieren Experten von WZL und McKinsey die brandneue Studie „Exzellente Fabrikplanung – Learning and Best Practice. Die im Vorfeld durchgeführte Studie verfolgt das Ziel, Potenziale, zukunftsrelevante Handlungsfelder sowie Best Practices einer erfolgreichen Fabrikplanung zu identifizieren. Hierfür haben die Wissenschaftler die Planungsprojekte einer Vielzahl von Unternehmen ebenso analysiert wie deren Vorgehen beim Planen. Die Kernergebnisse werden im Rahmen des Kongresses vorgestellt.
Diskussion und Networking im „World Café“
Bei derart geballter Wissensvermittlung sollen die Forumsteilnehmer aber nicht nur Impulse für ihr Unternehmen orten, sondern auch im Dialog untereinander kreative und innovative Ideen entwickeln. Ein „World Café“ ermöglicht in den Pausen fundierte Diskussionen in vielen kleinen Gruppen. Neben dem Erfahrungsaustausch ist reichlich Raum fürs Networking gegeben.
Angesichts der thematischen Ausrichtung und der hochkarätigen Referenten aus Industrie und Forschung hat der Kongress das Potenzial, vom Start weg zum Gipfeltreffen der deutschen Fabrikplanung zu avancieren. Das in Aachen entstandene Netzwerk aus Maschinenbauern, Bauingenieuren, Architekten, Städteplanern und vielen weiteren Stakeholdern will aber vor allem eines: Wissenschaft und Industrie enger zusammenzurücken. Nur so, betont Achim Kampker, könne den enormen Herausforderungen begegnet werden. Schließlich könnten diese Aufgaben nur interdisziplinär bewerkstelligt werden.
Bei all dem steht das primäre Ziel fest: durch einen verzahnten, interdisziplinären Ansatz die Planungszeit und die -kosten gegenüber heutigen Projekten zu halbieren. (dk) •
Die Initiatoren des Kongresses sind die Aachener Professoren und Lehrstuhlinhaber Günther Schuh (Produktionssystematik), Achim Kampker (Produktionsmanagement), Markus Feldmann (Stahlbau), Dirk Müller (Gebäude- und Raumklimatechnik/Eon Energy Research Center), Rainard Osebold (Baubetrieb und Projektmanagement), Peter Russell, Computergestütztes Planen in der Architektur), Martin Trautz (Tragkonstruktionen), sowie Kunibert Wachten (Städtebau und Landesplanung).
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