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Ökodebatte im Stau: Dabei müssen sich alle bewegen

Kolumne: Aus dem „wahren“ Berufsleben
Die Ökodebatte steckt im Stau – und alle müssten sich bewegen

Die Ökodebatte steckt im Stau - und alle müssten sich bewegen
Wir brauchen Ideen und Innovationen, die Antriebe schadstofffrei machen, und das möglichst ohne gefährliche Chemikalien oder seltene Erden. Bild: Barry Barnes/stock.adobe.com
Die Fahrverbote in vielen deutschen Städten sind nicht bloß eine Verwaltungs-Anordnung. Sie bilden eine historische Zäsur, die unsere Gesellschaft zu spalten und zu lähmen droht, meint unser Kolumnist.

Dipl.-Kfm. Hans Andreas Fein
Strategieberater und Trainer für Autozulieferer und Fabrikausrüster in Stuttgart

Die einen glauben, dass mit Fahrverboten in Städten der Automobillawine, die dort die Luft verpestet, Einhalt geboten und den Autokonzernen nun das Handwerk gelegt wird. Die anderen denken, dass Umwelt-Fundamentalisten im Verbund mit linken Systemgegnern unserer Wirtschaft schaden und die deutschen Unternehmen an die Rivalen in Amerika und China ausliefern.

In Wahrheit schaden die Fahrverbote uns allen. Sie gefährden die Existenz von hunderttausenden Bürgern, die im guten Glauben ein Fahrzeug mit Dieselmotor gekauft haben und nicht mehr wissen, wie sie notwendige Arztbesuche, Kinder abholen, Betreuung pflegebedürftiger Verwandter in ihrem Alltag bewältigen können, und wie sie den unerwarteten Wertverlust ihrer oft teuersten Anschaffung verkraften sollen. Fahrverbote bei gleichzeitiger staatlicher Subventionierung von Diesel – das beschädigt das Vertrauen in die Politik und unseren Rechtsstaat. Empörung herrscht über die Abgaswerte der Autos und gleichzeitig Ignoranz gegenüber den existenziellen Nöten vieler Bürger. Wird damit die sehr berechtigte Sorge, dass die hohen Schadstoffe in den Städten das Leben vieler Menschen um ein paar Jahre verkürzen könnte, höher eingestuft, als die Tatsache, dass viele Menschen durch die Verbote in den wirtschaftlichen Ruin getrieben werden oder an den unlösbaren Alltagsproblemen ebenfalls gesundheitlich Schaden nehmen oder gar verzweifeln könnten? Wie sieht es mit deren verlorenen Lebensjahren aus? Sind sie selbst schuld, es sind ja auch Dieselfahrer? Und jetzt sind die Umweltaktivisten am Drücker?

Wohin wird uns die Welle der Empörungen und Unversöhnlichkeit auf beiden Seiten treiben? Sie entzweit unsere Gesellschaft, schwächt unsere Wirtschaft. Wenn wir den Diesel abschalten und Daimler, BMW und VW „kaltstellen“, machen wir uns noch mehr abhängig von den finanzwirtschaftlich wie politisch dominierenden Ländern wie China und den USA. Wer kann das wollen? Ein immer schwächeres Deutschland wird seine Ziele und Ideale in Sachen Umwelt nicht durchhalten können. Im Gegenteil, diese Richtung wird uns am Ende weiter wegbringen von dem erträumten sauberen Zustand, als wir es uns wünschen.

Der Schlüssel ist: Wir brauchen beides, saubere Luft und starke Unternehmen. Wir brauchen Ideen und Innovationen, die Antriebe schadstofffrei machen, und das möglichst ohne gefährliche Chemikalien oder seltene Erden.

Als Deutschland im vorigen Jahrhundert durch den von ihm angezettelten Krieg in Schutt und Asche lag, kam niemand auf die Idee, aus Gründen des Gesundheitsschutzes die Autos aus den Städten zu verbannen oder das Aufräumen der Ruinen wegen des Gesteinstaubes zu verbieten. Die Lösung lag darin, mit anzupacken und den Zustand gemeinsam zu verbessern. Schritt für Schritt, Tag für Tag. Und das wäre auch heute das Rezept, um die Emissions-Brocken aus dem Wege zu räumen.

Der Aufbruch könnte so aussehen: Die Autofahrer beschränken ihre Fahrten in den Städten aufs Notwendige. Zum Beispiel könnte jeder auf eine Fahrt pro Woche mit seinem Auto verzichten. Die Städte könnten den Verkehr flüssiger machen, aus den behaupteten „Grünen Wellen“ tatsächliche machen, nachts viele nicht notwendige Ampeln abschalten und die Bußgeldeinnahmen aus dem Verkehr direkt in zusätzliche schadstofffreie Busse investieren. Der Öffentliche Personennahverkehr könnte über sich hinauswachsen und durch die Künstliche Intelligenz seine Streckenführung und Taktung optimieren.

Die Politik könnte mit Anreizen steuern statt mit Verboten und immer neuen Regelungen. Jede gute Idee zur Schadstoffreduktion verdient die Aufmerksamkeit der Medien, die besten Ideen auch Auszeichnungen von Politik und Gesellschaft. Und Umweltinnovationen mit großen Skaleneffekten sollten Förderungen und Vergünstigungen in Aussicht gestellt werden. Die Autoindustrie schließlich müsste ihre ganze Kraft statt aufs Bremsen und Verhindern auf schadstofffreie neue Antriebe und ebenso auf die Schadstoffreduktion des Fahrzeugbestandes setzen.

Wenn jede dieser Gruppen einen Schritt über die Grenzen hinausgeht, die sie für sich selbst gesetzt hat und vehement verteidigt, dann würden wir den „Schadstoffberg“ schnell, in jedem Fall schneller als jetzt abtragen. Und dann würden alle gewinnen. Das könnten wir, wenn wir wollten.

*Der Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder und nicht immer die der Redaktion


Bild: Hans Andreas Fein

Von unten

Klimawandel, Energiewende und Mobilitätswandel werden heiß diskutiert. Von den politischen Akteuren wie von den jungen und älteren Umweltaktivisten wird dazu viel gesagt, geschrieben, kommentiert und plädiert. Dabei wird oft mit dem Blick „von oben“ argumentiert. Doch „von unten“, also aus dem Blickwinkel des „wahren Berufslebens“, sieht die Sache, und vor allem die möglichen Konsequenzen, oft etwas anders aus. Unsere Kolumnisten, vier erfahrene Berufstätige, erleben und beobachten den Wandel, die Pläne und die Panik im Berufsalltag aus nächster Nähe. Heute schreibt Hans Andreas Fein, seit 30 Jahren Strategieberater mit Erfahrung in Europa, USA und China.

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