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Personalentwicklung: Durchsetzen ohne Ellbogen

Betriebliche Selbsterneuerung braucht Durchsetzungsstärke
Durchsetzen ohne Ellbogen

Die betrieblichen Denk-, Aktions- und Organisationsweisen sind an die der Disruption geschuldeten Entwicklung anzupassen. Das ruft die Kräfte der Beharrung auf den Plan. Durchsetzungsstärke als Führungseigenschaft gewinnt einen neuen Stellenwert.

Hartmut Volk
Freier Journalist in Bad Harzburg

Prof. Dr. Jens Weidner ist ein Mann mit weitem Erfahrungshorizont. In Philadelphia arbeitete er mit Gangschlägern, für die deutsche Justiz behandelte er zehn Jahre lang Gewalttäter. An der Hamburger Hochschule für Angewandte Wissenschaften lehrt er Kriminologie, Viktimologie sowie Sozialisationstheorie. Am Schranner Negotiation Institute in Zürich weiht er Führungskräfte in die Geheimnisse der Durchsetzungsstärke ein. Für ihn „die unbedingte Voraussetzung, um betriebliche Innovationen in die Wege zu leiten und die dazu notwendigen Veränderungen in allen betrieblichen Belangen voranzutreiben“.

Das Bestehende auf seine Zukunftsfähigkeit hin infrage zu stellen und das Unternehmen auf die Entwicklung hin orientiert nach innen und außen neu aufzustellen, sei ohne die Triebfeder „Durchsetzungsstärke“ zum Scheitern verurteilt, meint Weidner. Neues, über den gewohnten Aktivitätshorizont Hinausgehendes löse nicht automatisch Begeisterung aus. Schließlich beginne Fortschritt dem Schumpeter-Wort zufolge immer mit schöpferischer Zerstörung. Das wecke Befürchtungen und die äußerten sich als Widerstand gegen Veränderungen.

Wer Neuerungen initiieren und etablieren wolle, müsse deshalb nicht nur mit Widerstand rechnen, sondern damit auch umgehen und ihn ertragen können, weiß der Hochschullehrer. „Ohne Durchsetzungsstärke und die dazu gehörenden Einstecker-Qualitäten bleiben die üblichen, nicht selten von persönlichem Besitzstandsdenken geleiteten Standardsätze Sieger in diesem Wettkampf von Beharren und Aufbrechen.“ Wie die lauten, ist in keinem Unternehmen ein Geheimnis: „Das geht hier nicht!“; „Das haben wir schon immer so gemacht!“; „Haben Sie denn keinen Respekt vor den Traditionen unseres Hauses!“; „Sie sind noch zu neu hier. Machen Sie sich erst einmal mit den Gepflogenheiten bei uns vertraut!“.

Weidner weiß auch, Durchsetzungsstärke hat zwei Gesichter: „Der Grat zwischen veränderndem Bewegen auf der Basis überzeugender und mitnehmender Durchsetzungsstärke und hartem Durchdrücken auf der Grundlage einer Beschlussfassung auf Geschäftsleitungsebene ist schmal.“ Er gibt deshalb zu bedenken: „Etwas zu erzwingen ruft immer Widerspenstigkeit auf den Plan. Solche Widerstände zu überwinden bindet Ressourcen. Das schwächt den Prozess der Transformation.“

Und darum stellt er klar: „Positiv durchsetzungsstarke Führungskräfte, die sich in ihrer Aufgabenstellung selbst behaupten, setzen sich durch, indem sie ihre Mitarbeiter auf dem als alternativlos erkannten Weg mitnehmen. Sie zwingen sie nicht auf diesen Weg. Sie legen es nie auf die Vernichtung von Andersdenkenden an ebenso wie sie es vermeiden, über unterlegene Widersacher zu triumphieren oder sie zu demütigen. Wer um die Problematik von Veränderungen weiß, geht in jeder Hinsicht mit Umsicht und respektvoll vor, achtet die Regeln der Fairness und Sachlichkeit, kennt Mitgefühl und Verständnis“, rät Weidner.

Auch wenn die Bedienung persönlicher Interessen, etwa bei Karriereambitionen, im Vorantreiben von Veränderungen eine durchaus motivierende Kraft sein könne, dürfe diese Motivation bei der positiven Durchsetzungsstärke nicht der Motor des Tuns sein. „Was nur einem Vor- und diversen anderen Nachteile bringt, kennen wir nur zu Genüge als karrieristisches Handeln. Und wir kennen auch dessen Folgen für Prosperität und Existenz von Unternehmen. Seriöse Durchsetzung hat mit Ego-Tripping nichts zu tun!“

Weidner präzisiert: „Durchsetzungsstärke bei der Verfolgung als erforderlich erkannter Veränderungen bedeutet, etwas aus der Gesamtentwicklung heraus als für das Unternehmen Unerlässliches voranzubringen, sich für diese Transformation mit erklärender Arbeit einzusetzen, sie auf dieser Basis voranzutreiben und sie gegen Querschüsse abzuschirmen oder zu verteidigen. Das mit sozialer Kompetenz zu leisten, das ist für mich die Durchsetzungsstärke, die neue Horizonte für alle Beteiligten aufzeigt und deren Bereitschaft, mit dahin aufzubrechen, stimuliert.

Und dann verblüfft Weidner mit einer Erkenntnis der Optimismus-Forschung: Es wird nur der ein Superheld, der sich auch selbst für super hält. Wissenschaftlich spreche man vom Above Average Effect. Der besage: Wer sich durchsetzen will, der braucht Selbstbewusstsein. Darum rät Weidner Führungskräften: „Pflegen Sie Ihren Above-Average-Effect, also sich für überdurchschnittlich zu halten!“ Klinge dieser Rat auch zunächst unangenehm narzisstisch nach Ego-Tripping, erweise er sich aber bei unvoreingenommener Überlegung als notwendige Basis für die Entwicklung von Selbstbewusstsein und darauf aufbauender Durchsetzungsstärke.

Weidner: „Worin liegt eine zentrale Gefahr für die Fähigkeit, sich durchzusetzen? Im fehlenden Glauben an sich selber! Darin, permanent an sich selbst zu zweifeln, sich selbst für einen notorischen Underdog zu halten. Wer in den eigenen Augen klein ist, kann nicht in denen der anderen groß sein. Wer sich die Selbstwirksamkeitsüberzeugung als wesentliche Handlungsgrundlage mit Selbstzweifeln ständig unter den Füßen wegzieht, darf sich nicht wundern, wenn die anderen diese innere Zwiespältigkeit spüren, ausnutzen und jedwedes Vorwärts im Treibsand des Taktierens und Hinhaltens versandet.“

Weidner gibt einige Tipps zur Absicherung der Durchsetzungsstärke: Sich Fragen stellen! „Menschen mit dem Gespür, was Durchsetzungsstärke fordert, überprüfen ihr Standing und ihr Handeln immer wieder anhand von Fragen: Von wo könnten potenzielle Querschüsse drohen? Wie kann ich die neutralisieren? Was könnte mir bei der Verfolgung meiner Aufgabenstellung möglicherweise in der Darstellung der Sache wie im eigenen Verhaltensauftritt schaden? Welche Entwicklungen bergen Gefahren für meine Zielsetzung? Wie sind über und unter der Hand gehandelte Informationen einzuordnen und einzuschätzen? Und: Unsinnige Kraftproben vermeiden, selbst wenn sie eigentlich angesagt wären! Die kosten nur Energie, Zeit, schaden der eigentlichen Aufgabe und sorgen zum unguten Schluss auch noch für eine Rufschädigung. Außerdem zu allem ein wenig Demut. „Bitte nicht den Above-Average-Effect dahingehend überstrapazieren, sich selber zu über- und andere gering zu schätzen und diese Haltung dann auch noch in Attitüde, Auftritts- wie Umgangsverhaltensweisen wie ein Banner vor sich herzutragen.“

Und dann hat Weidner noch einen abschließenden Kernsatz parat: „Wer potenzielle Problemsituationen und -personen nicht einigermaßen richtig einzuschätzen und aufzulösen vermag, empfiehlt sich nicht als durchsetzungsfähig.“


Mehr zum Thema

In seinen im Campus Verlag erschienenen Büchern „Optimismus – Warum manche weiter kommen als andere“ und „Die Peperoni Strategie – So nutzen Sie Ihr Aggressionspotential konstruktiv“ geht Professor Jens Weidner auf das hier beschriebene Thema ein. Empfehlenswert zur Gesamtproblematik ist auch das Buch von Andreas Krebs und Paul Williams: „Die Illusion der Unbesiegbarkeit“ aus dem Gabal Verlag.

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