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Eine facettenreiche Herausforderung

Der Vertrieb in Indien muss der indischen Realität angepasst werden
Eine facettenreiche Herausforderung

Einerseits ist Indien ein Markt wie jeder andere, mit den gleichen Grundregeln des Vertriebs. Andererseits sind es vor allem abstrakte Faktoren, die es zu berücksichtigen gilt. Indien-Kenner Michael Gandhi hat innovative Optionen parat.

Vor etwa 15 Jahren hat mein Vetter aus Indien eine zweiwöchige Reise nach Europa unternommen, auf der Suche nach einer Holzbearbeitungsmaschine für seine Möbelfabrik. Am Ende seines Besuches stand fest, er musste zwischen einer italienischen und einer deutschen Maschine entscheiden. Er entschied sich für die deutsche Maschine – obwohl diese wesentlich teurer war. Er ging nämlich davon aus, dass die deutsche Maschine länger halten würde und dass sich der Mehrpreis deshalb langfristig bezahlt machen würde. Er nahm sogar in Kauf, dass er im Reparatur-Fall auf sich alleine gestellt seien würde. (Das war insofern nicht schlimm, da die Maschine eine elektromechanische Steuerung hatte und keine elektronische, wie in heutigen Maschinen).

Heute sind neben ausländischen Maschinenbauern auch indische auf dem Markt vertreten. Kauft mein Vetter heute eine Maschine, hat er eine wesentlich größere Auswahl und braucht dafür nicht einmal sein Büro zu verlassen, denn Vertriebsingenieure der diversen Maschinenbauer stehen bei ihm auf der Matte. Bei der Aufstellung, Inbetriebnahme und Reparatur ist er nicht mehr auf sich alleine gestellt. Und die Langlebigkeit, für die er früher gerne mehr bezahlt hat? „Was bringt es mir, wenn die Mechanik 30 Jahre hält, die Elektronik aber nach drei Jahren obsolet ist?“
Das obige Beispiel ist zwar aus dem Maschinenbau, gilt aber genauso für nahezu jeden anderen Bereich der Wirtschaft. Mir ist kein Bereich bekannt, in dem Indien nicht bereits unabhängig ist oder die Unabhängigkeit anstrebt. Ob es sich dabei um eine preisgekrönte Melkmaschine handelt, die von einem einfachen Kleinbauern entwickelt wurde und bis zu 60 % günstiger als die deutsche Konkurrenz angeboten wird, oder um eine Marsrakete, die von hochqualifizierten Wissenschaftlern innerhalb von 15 Monaten zu einem unschlagbar günstigen Preis zusammengebaut und erfolgreich ins All geschickt wurde – der indische Bedarf an Produkten und Dienstleistungen wird bereits von indischen Anbietern abgedeckt. Darüber hinaus sind zahlreiche ausländische Anbieter auch in Indien anwesend.
Dies bedeutet einerseits, dass Marktpotenzial für nahezu alles vorhanden ist; andererseits aber auch, dass Konkurrenz in der einen oder anderen Form ebenfalls existiert oder auftauchen wird. Produkt und Vertrieb in Indien müssen deshalb der indischen Realität angepasst werden. „Made in Germany“ ist kein Garant mehr für Umsatz, sondern impliziert eher, dass das Produkt teuer – sowohl bei der Anschaffung als auch im Unterhalt – und anspruchsvoll in der Bedienung ist.
Mit seiner fast kontinentalen Größe, seiner riesigen Bevölkerung sowie kulturellen und sprachlichen Vielfalt ist Indien selbst für indische Unternehmen eine Herausforderung. Eine einfache „Erfolgsformel“ gibt es nicht. Unten aufgelistet sind einige Faktoren, die meines Erachtens eine wichtige Rolle spielen, wenn man in Indien erfolgreich sein will:
Lokale Anwesenheit: Der Vertrieb in Indien kann nicht von Deutschland aus ferngesteuert werden – dafür ist Indien viel zu weit weg, viel zu groß und viel zu komplex. Lokale Anwesenheit gewährleistet mehr als nur Nähe zum Kunden. Ist man in der einen oder anderen Form professionell in Indien vertreten, hat man seinen Finger am Puls des indischen Marktes – man erkennt, was die Konkurrenz-Situation ist, welche Preise erzielt werden können und welche Trends zu erwarten sind.
Einer der größten Irrtümer, der mir immer wieder begegnet, dreht sich um die indischen Sprachen. „Indisch“ als Sprache gibt es nicht. Laut neuester Erhebung, gibt es in Indien 780 verschiedene Sprachen, von denen 22 offiziell anerkannt werden. Der Unterschied zwischen zwei indischen Sprachen kann so groß sein, wie zum Beispiel zwischen Finnisch und Griechisch. Oft haben zwei Sprachen nicht einmal die gleiche Schrift. Anders als man glaubt, spricht nur eine kleine Minderheit Indiens Englisch. Darüber hinaus, ist das „indische“ Englisch oft anders als das „britische“.
Aus Sicht des Vertriebs bedeuten diese Tatsachen zweierlei: Erstens, muss eine lokale Anwesenheit eine Sprachkompetenz besitzen und zweitens, konzentriert man sich nur auf die englisch-sprechende Kundschaft, verliert man Anschluss an den Großteil des indischen Marktes.
Preis-Leistung-Verhältnis: Dies bedeutet nicht, dass Inder das billigste Produkt kaufen, sondern eines, das ihnen das größte Preis-Leistung-Verhältnis bietet. Innovationen sollen einen Mehrwert (nicht Mehrpreis) bieten. Mehr Leistung (des Produktes) ist nicht immer notwendig – erst recht nicht, wenn sie mehr kostet, als sie einbringt. Ich ziehe deshalb den englischen Begriff „value for money“ vor.
Produktanpassung: Ein Produkt muss den Vorstellungen und Bedürfnissen des Kunden entsprechen und nicht denen des Herstellers. Viele, darunter namhafte deutsche Unternehmen haben leider Jahre gebraucht, um dies festzustellen und erst vor kurzem angefangen, ihre Produkte den indischen Bedürfnissen entsprechend anzupassen.
Service: Indien ist heute ein Verbrauchermarkt. Um sich von der Konkurrenz abzusetzen, bedarf es somit nicht nur eines besseren „value for money“, sondern auch eines besseren Rundum-Service. Damit die Serviceleistungen eines deutschen Unternehmens für den indischen Markt auch bezahlbar bleiben (je nach Industriebereich kann der Tagessatz eines Technikers aus Deutschland dem Monatsgehalt eines indischen Technikers entsprechen) und zeitnah durchgeführt werden können, bedeutet dies wiederum eine lokale Anwesenheit.
Flexibilität: Sich auf den eingefahrenen Pfad zu begeben, ist oft der falsche Ansatz. Im Westen entwickelte Produkte und Vertriebsstrategien lassen sich schwer auf Indien übertragen. Vielmehr ist es notwendig, unkonventionell zu denken – nicht nur in Bezug auf das Produkt, sondern auch in den Bereichen Service, Vertrieb und Werbung. Erzielt man mit der einen Strategie nicht die erhofften Ergebnisse, entwickelt man eine andere.
Dazu zwei Beispiele: Hindustan-Lever, ein indisch-niederländisches Unternehmen aus dem Bereich Hygieneartikel, hat große Erfolge gefeiert, in dem es beispielsweise Shampoo und Waschpulver in Kleinstverpackungen für Einmal-Anwendungen anbot. Der Zielmarkt hierfür war die bis dahin vernachlässigte ländliche Bevölkerung (entspricht weit über die Hälfte der indischen Bevölkerung), die sich aufgrund ihres geringen Einkommens die sonst üblichen „Family Packs“ nicht leisten konnte. Sogar die Vertriebsstruktur und die Werbung (mit Indiens 22 Sprachen und kultureller Vielfalt, keine leichte Aufgabe) wurden dem ländlichen Raum angepasst. Was einst als Pilotprojekt begann, wurde so erfolgreich, dass sich mittlerweile auch die Konkurrenz diese Strategie angeeignet hat.
Tata Motors, der Hersteller des inzwischen weltbekannten Kleinstwagen „Nano“, richtet neuerdings sein Augenmerk auf Studenten und Berufsanfänger, weil die Strategie „Auto des armen Mannes“ nicht die erhofften Ergebnisse brachte. Die Werbung und Wagenfarben wurden dieser neuen Zielgruppe angepasst. Die Werbebotschaft ist nicht mehr „Familie“, sondern „Freunde und Fun“. Die Wagenfarben sind nicht mehr langweilig und bieder, sondern knallbunt.
Gewinn: Weil der indische Kunde preisbewusst ist, sind große Gewinnmargen nicht zu erwarten. Gewinne sind volumenbezogen; angesichts der Größe des Marktes aber können die kumulierten Gewinne durchaus beachtlich sein – vorausgesetzt natürlich, man hält die Kosten in einem vertretbaren Rahmen.
Geduld: Angesichts der sowohl heimischen als auch heimisch gewordenen Konkurrenz dient Indien schlecht als reiner Absatzmarkt. Schnelle Erfolge sind daher kaum zu erwarten. Um sich in Indien zu etablieren, muss man sich zunächst auf dem Markt positionieren und Vertrauen gewinnen, was Zeit und Geduld braucht.
Benehmen: Vertrieb ist noch immer eine zwischenmenschliche Angelegenheit. Dabei ist es den meisten Indern nicht wichtig, ob man sich nach westlicher oder indischer Art grüßt. Wichtig ist das Auftreten an sich. Aufgrund der Kolonialgeschichte Indiens reagieren Inder empfindlich auf überhebliches, besserwisserisches oder oberlehrerhaftes Benehmen ihres ausländischen Gastes.
Nach der obigen Ausführung wäre die Frage, ob ein Indien-Engagement sich überhaupt lohnt, durchaus berechtigt. Die Antwort dazu ist ein eindeutiges „Ja“! Deutschland ist eine Exportnation und ein Indien-Engagement bietet gewaltiges Pozential. Hat man sich in Indien einmal etabliert, steht einem neben dem riesigen indischen Markt auch die gesamte sogenannte „Dritte Welt“ offen. Indische Unternehmen exportieren bereits in diesen Erdteilen, so wie auch einige deutsche Unternehmen, die in Indien tätig sind. Des Weiteren entdecken immer mehr indische Unternehmen den Westen als lukrativen Markt. Um dem Preisvorteil indischer Produkte entgegenzutreten, muss ein deutsches Unternehmen eine konkurrenzfähige Kostenstruktur besitzen – etwas, das man nicht erreicht, wenn man ausschließlich auf Standorte in Deutschland setzt.
Es gibt verschiedene Wege, ein Indien-Engagement zu gestalten. Dabei waren bisher eine eigene Niederlassung, eine Übernahme, ein Joint-Venture oder der Vertrieb über Wiederverkäufer die üblichen Optionen. Gandhi Consulting bietet eine andere, innovative Option, die kostengünstige Lösungen zu den oben genannten Anforderungen anbietet.
Michael Gandhi Gründer Gandhi Consulting, Rottweil
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