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Das größte Potenzial liegt jenseits von Europa

Mittelstand reizt Global Sourcing noch nicht aus
Das größte Potenzial liegt jenseits von Europa

Das größte Potenzial liegt jenseits von Europa
In einem Global-Sourcing-Team sollten Kollegen aus der Technik, Konstruktion, Entwicklung, Logistik und Qualitätssicherung zusammenarbeiten. Bild: Rawpixel/Fotolia
Asien ist besser als sein Ruf, wenn es um die Qualität von Zulieferteilen geht. Davon ist Thanh-Duy Tran, Partner bei Kloepfel Consulting, überzeugt. Trotz des schwachen Euros rät er Unternehmen zum Global Sourcing, denn Lieferantenbeziehungen brauchen einen langen Vorlauf.

Kirsten Seegmüller Freie Journalistin in Leinfelden

„Ich betreibe Global Sourcing – meine Lieferanten sitzen in Frankreich, Polen und in der Schweiz.“ So ließe sich das Einkaufsverhalten vieler kleiner und mittelständischer Unternehmen (KMU) beschreiben. „Der Mittelstand kauft meist in Europa ein“, beobachtet Thanh-Duy Tran, Partner bei Kloepfel Consulting, „echtes Global Sourcing wird wenig betrieben.“ Als internationaler Lieferantenmanager optimiert er seit zehn Jahren den Einkauf und die Supply Chain von Mittelständlern und Konzernen.
Dabei gebe es am anderen Ende der Welt genug Lieferanten, die den deutschen Markt bedienen können und wollen. Doch gerade bei technisch anspruchsvollen und hochpreisigen Produkten steht die Qualität der Zulieferteile auf Rang 1 der Prioritätenliste. Da haben China & Co. immer noch ein Image-Problem. „Technik und Vertrieb haben sehr hohe Ansprüche“, weiß Tran, „oft geben die Ingenieure sogar vor, welche Teile bei welchem Lieferanten geordert werden müssen.“ Und die sind meist ganz in der Nähe.
Dabei könnten Qualitätsprobleme bereits im Vorfeld vermieden oder zumindest reduziert werden. Was Unternehmen nicht sehen oder sehen wollen: Oft fehlt eine saubere Dokumentation, in der Zeichnungen und Spezifikationen hinterlegt sind und sofort aktualisiert werden, sobald sich etwas daran ändert. Innerhalb des Unternehmens und im Kontakt mit langjährigen Geschäftspartnern weiß man ja, wie die Schrauben oder Bleche auszusehen haben. Sogar bei Konzernkunden findet Tran manchmal veraltete Dokumentationen. „Mit solchen Unterlagen können nur Lieferanten arbeiten, die ihre Kunden sehr gut kennen.“ Sie sind oft zusammen mit ihnen gewachsen und merken gleich, wenn eine Zeichnung unvollständig ist. Korrekturen erfolgen auf Zuruf. Manchmal hat der Lieferant sogar bessere Unterlagen als sein Kunde. Von Dienstleistern in Asien, Afrika oder Südamerika kann man das nicht erwarten. „Die brauchen klare Vorgaben und Unterlagen.“
Selbst wenn Unternehmen gerne Global Sourcing in China betreiben würden, machen ihnen die eigenen Kunden oft einen Strich durch die Rechnung, denn die erwarten Maschinen made in Germany oder zumindest engineered in Germany. „Chinesische Zulieferteile werden im Maschinenbau oft nicht akzeptiert“, erklärt Tran. Auch wenn Lieferbeziehungen Interna sind, bekommen Kunden es mit, wenn in Asien gefertigt wird. Ein anderer Punkt betrifft die Einhaltung von Arbeits-, Tier- und Umweltschutz. „Niemand kann garantieren, dass die Auflagen erfüllt werden“, so Tran, „aber mit einem zuverlässigen Auditor vor Ort lassen sich Verstöße – zumindest die groben – verhindern. Tran empfiehlt kleine, internationale Privatfirmen, deren Eigentümer mit ihrem Namen für einen professionellen Service stehen. Sie sind lange am Markt, bringen die fachliche Expertise mit und kennen die Regionalität. Von großen Dienstleistern rät Tran ab: „Dort herrscht eine zu hohe Mitarbeiterfluktuation.“
Generell stellt er Asien ein gutes Zeugnis aus: „Fälle wie Kik gehen durch die Medien, aber die meisten Firmen arbeiten mindestens so professionell wie deutsche Dienstleister“, sagt Tran. Das liege daran, dass diese Unternehmen auf der grünen Wiese entstanden sind und sich besser organisieren können als gewachsene Betriebe. Zudem sei der Preisdruck im Maschinenbau längst nicht so massiv wie in der Textilbranche.
Einer Umfrage zufolge will der Einkauf neue lokale Märkte erschließen
Zum Thema Global Sourcing hat Kloepfel eine Online-Befragung durchgeführt, an der 123 Einkäufer teilgenommen haben, darunter Operative (10 %) und Strategische Einkäufer (37 %), Einkaufsleiter (34 %) und Geschäftsführer (8 %). Trotz der weit verbreiteten internationalen Beschaffung führen nur 27 % der Unternehmen eine eigene Global Sourcing-Abteilung. Im Vergleich zu Unternehmen ohne eine solche Abteilung sehen die Einkäufer mehr Einsparungspotenzial und bewerten die Risiken geringer. Die größten Risiken liegen für die Befragten in der Qualität, im Marken- und Kopierschutz sowie in der Versorgung und Logistik.
Die Motive für den internationalen Einkauf sind vielfältig: 96 % der Teilnehmer setzen sich das Ziel, die Beschaffungskosten zu senken. 83 % der Einkäufer sehen ein Einsparungspotenzial von mindestens 10 %, knapp ein Viertel geht von mehr als 20 % aus. „Dann lesen sie in einer der vielen Manager-Zeitschriften, dass die Ware in China nur die Hälfte kostet, und schon ist der Auftrag vergeben“, sagt Tran. Doch diese Rechnung geht nicht auf. Welcher Lieferant am Ende teurer, günstiger oder nur billiger ist, zeigt sich erst auf den zweiten Blick.
Ausschreibungen sollten so detailliert wie möglich gestaltet werden
Wichtig dabei sind detaillierte Ausschreibungen: „Lieferanten sollten möglichst viele Informationen zu ihren Produkten preisgeben“, rät Tran. Zwar könne der Wettbewerber das Leistungsverzeichnis kopieren, müsse aber nachweisen, dass auch er die Vorgaben erfüllen kann. „Dann erst zeigt sich, wer wirklich kompetent ist und dass vermeintlich günstige Anbieter genauso teuer sind wie alle anderen.“ Je weniger Spezifikationen, desto mehr arte die Ausschreibung in einen reinen Preiskampf aus. Solche Verhandlungen sind umso schwieriger, je kleiner der Pool an Lieferanten ist, aus denen man auswählen kann. Deshalb wollen knapp zwei Drittel (64 %) der Befragten ihre Abhängigkeit von Lieferanten reduzieren.
Wer jetzt ins Global Sourcing einsteigt, hat es schwer, denn im Vergleich zu vielen asiatischen Währungen hat der Euro bis zu 20 % an Wert verloren – und das geplante Einsparpotenzial von 30 % ist auf 10 % geschrumpft. „Unter diesen Umständen lohnt sich Global Sourcing nicht“, so Tran. Dennoch rät er Unternehmen, sich schon heute einen Lieferantenstamm für morgen aufzubauen. „Asien wird nicht tatenlos zusehen, dass nur Europa viel exportiert“, so Tran, „ diese Länder werden etwas unternehmen, um selbst wieder mehr exportieren zu können.“
Wer jetzt Qualität und Logistikketten aufbaut, hat den Fuß in der Tür, wenn der Euro wieder anzieht. „Lieferanten muss man verstehen und strategisch mit ihnen arbeiten“, rät Tran, „diese Umstellung funktioniert nicht über Nacht.“ Wenn man wartet, um später wieder einzusteigen, ist man einer von vielen, was sich wiederum auf die Einkaufspreise auswirkt.
In jedem Einkaufsteam sollte ein Vertriebskollege sitzen
Wer Global Sourcing professionell aufziehen will, braucht Unterstützung von Kollegen aus anderen Abteilungen: Neben der Technik, die für eine saubere Dokumentation sorgt, sollten die Konstruktion, Entwicklung, Logistik und Qualitätssicherung zusammenarbeiten. Doch die wenigsten KMU haben ein solches Global Sourcing Team. Diese Abteilung würde nicht nur Preise und Lieferwege ermitteln, sondern auch anspruchsvollere Aufgaben erfüllen – beispielsweise einen Zugang zu ausländischen Märkten finden. In dem Fall sollte ein Vertriebler mit im Boot sitzen. „Manche Unternehmen bauen zuerst ein Vertriebsbüro auf und entwickeln dann eine Global-Sourcing-Strategie“, erklärt Tran.
Doch anders als der Vertrieb reisen Einkäufer nicht so gern. „Sie sind froh, wenn sie ihr Tagesgeschäft bewältigen und die Produktion am Laufen halten“, glaubt Tran. Proaktive Einkäufer, die Strategien entwickeln, Beschaffungsmärkte erschließen oder Einkaufsprozesse optimieren, sieht er in den Betrieben selten. Zudem vermissen 71 % der Einkäufer Schulungen und Fortbildungen und finden, dass vor allem Sprachkurse fehlen. „Für den Vertrieb gibt es deutlich größere Schulungsbudgets als für den Einkauf“, konstatiert Tran. Entsprechend wenig Kurse werden von privaten Bildungsinstituten angeboten.
Die komplette Studie mit allen Grafiken kann kostenfrei bestellt werden: Christian Fischer, Leiter Unternehmenskommunikation, c.fischer@kloepfel-consulting.com.
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