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„Der WSM wird schlanker, effizienter und dezentraler“

Hauptgeschäftsführer Christian Vietmeyer zur Neuaufstellung des Wirtschaftsverbands
„Der WSM wird schlanker, effizienter und dezentraler“

Um als Wirtschaftsverband für seine Mitglieder weiter attraktiv zu bleiben und für neue attraktiver zu werden, geht der WSM mit neuem Führungspersonal und neuer Struktur in die Offensive. Hauptgeschäftsführer Christian Vietmeyer erläutert den Wandel.

Neuer Präsident, neuer Hauptgeschäftsführer und seit kurzem auch eine neue Adresse. Ein Symbol für den Umbruch beim WSM?

Das ist kein Zufall. Der WSM stellt sich neu auf. Personell hat dieser Neuorientierungs-prozess bereits stattgefunden, nun wird er auch strukturell umgesetzt. Der Wirtschafts-verband wird schlanker, effizienter und dezentraler. Nicht allein mehr durch die Haupt-geschäftsführung und die Fachreferenten wird ein Teil der verbandlichen Aufgaben bewältigt, sondern in einem breiteren Kreis und auch in einer engeren Zusammenarbeit mit unseren Mitgliedsfachverbänden.
Wie bedrohlich wäre die Krise des WSM geworden, wenn einige große Mitgliedsverbände ihren angekündigten Austritt zum Jahresende 2012 wahrgemacht hätten?
Dies hätte sicherlich zu einer existentiellen Krise geführt. Durch einen Beschluss zur Neuordnung am 6. Juni 2012 gelang es jedoch, dass es zu diesen Austritten nicht kam. Dadurch war die Bedrohung vom Tisch. Zudem konnten auf der letzten Mitgliederversammlung Ende 2012 neue Präsidien zum Mitmachen gewonnen werden.
Wollten die Unzufriedenen mit ihren angekündigten Austritten die Notbremse ziehen?
Bereits in 2011 wurde begonnen, Grundlagen für die Neuordnung zu legen. Im Folgejahr brachten einige damit zum Ausdruck, dass sie viel tiefgreifendere Reformen wünschten. Daraufhin wurden zum Beispiel drei Arbeitsgruppen gebildet mit der Aufgabe, die Finanzierung und Strukturierung des WSM neu zu ordnen.
Welche Ergebnisse haben die Arbeitsgruppen geliefert?
Die Ergebnisse wurden auf der letzten Mitgliederversammlung vergangenen November vorgestellt. Eine der Arbeitsgruppen befasst sich mit dem strukturellen Aufbau des Verbands, eine andere mit der Satzung, die dritte mit der Beitragsordnung. Die neue Satzung wird auf der nächsten Mitgliederversammlung am 29. April verabschiedet. Dort wird auch die gleichfalls neue Beitragsordnung verabschiedet, die ab 2014 in Kraft tritt. Die dritte Arbeitsgruppe „Haus und Pension“ stellt eine Besonderheit dar. So wird eine Immobilie, die wirtschaftlich betrachtet nur einigen Fachverbänden zuzuordnen ist, ebenso verursachungsgerecht zugeordnet wie ehemals ausgesprochene Pensionsverpflichtungen. Im Ergebnis gibt es eine gewisse wirtschaftliche Entflechtung oder Bereinigung.
Was wurde maßgeblich geändert?
Vorn an steht unsere neue Beitragsordnung. Ab dem 1. Januar 2014 gelten niedrigere Beiträge. Dies hängt damit zusammen, dass der WSM schlanker wird. Die Personalkosten sind erheblich gesenkt, und wir sparen Sachkosten. Mit dem Umzug in das Verbandshaus von Unternehmer NRW in der Uerdinger Straße in Düsseldorf belegen wir eine geringere Mietfläche. Auch in vielen anderen Bereichen drehen wir an der Kostenschraube. In den letzten Jahren wurde auf der Kostenseite viel zu viel angehäuft. Einzelne Mitglieder vermochten den daraus resultierenden Mehrwert nicht mehr erkennen.
Wie beschreiten Sie konkret den Weg zu einer schlankeren, effizienteren Einheit?
Glücklicherweise ist auch dank des Einsatzes meines Vorgängers niemand in die Arbeitslosigkeit gegangen. Künftig kaufen wir Leistungen wie beispielsweise Rechtsgutachten auf dem Markt ein und stellen diese unseren Mitgliedern zur Verfügung. Einzelbedarfe lassen sich so zielgerichteter befriedigen. Durch das Auslagern auf externe Leistungserbringer schaffen wir Kostentransparenz. Unsere Mitglieder profitieren davon. Das ist die Zukunft des WSM.
Statt solidarischer Quersubventionierung wird das Leistungsspektrum an die Nachfrage angepasst?
Ja, die Mitgliedsbeiträge decken nur den verbandlichen Kernbereich. Deshalb treten wir in Zukunft mit drei Leistungsbereichen an. Das ist erstens der Kernbereich mit der wirtschaftspolitischen Interessensvertretung, ausgeübt durch den Hauptgeschäftsführer und die Fachreferenten. Für die themenbezogenen Fachgruppen als zweiten Bereich erstellt der WSM zwar das organisatorische Gerüst. Doch dieser Zusammenschluss interessierter Mitglieder wird sich finanziell selbst tragen. Ein Beispiel: Das Thema REACH ist Stoffrecht und tangiert längst nicht alle Mitglieder. Es bezahlen also nur jene, die diesem Cluster beitreten. Auch deshalb kann der WSM seine Mitgliedsbeiträge senken. Der dritte Bereich erstreckt sich auf vom Markt bezogene Einzelleistungen wie biespielsweise die genannte Rechtsgutachten.
Sehen Sie den WSM gerüstet, um Sprachrohr für weitere Fachverbände zu werden?
Diese schlankere, transparentere und effizientere Struktur soll uns helfen, auch wieder wachstumsfähig zu werden. Ich wüsste einige Verbände, die sachlich und fachlich gut zu uns passen würden. Wir führen ja bereits Gespräche. Doch das ist kein Geschäft von heute auf morgen. Gewiss ist es unser Ziel und Anspruch, für Fachverbände attraktiver zu werden. Da habe ich auch solche Verbände im Blick, die früher einmal Mitglied waren.
Mit Ulrich Grillo ist jetzt wieder ein Familienunternehmer BDI-Präsident. Was erhoffen sich die mittelstandsorientierten Verbände von seiner Amtsführung?
Wir begrüßen das sehr und erhoffen uns in der Tat einiges. Der WSM ist und bleibt Mitglied im BDI, wo wir die Fahne für den Mittelstand hochhalten. Umso mehr erwarten wir uns als der Mittelstandsverband vom neuen BDI-Präsidenten, dass der industrielle Mittelstand im BDI noch besser als bisher gehört wird.
Etwa mit Blick auf das Erneuerbare-Energien-Gesetz, welches das Gros der WSM-Firmen wegen ihrer Größe nicht entlastet?
Das ist ein Mittelstandsproblem. Es muss eindeutig klar werden, dass diese monetären Belastungen nicht weiter tragbar sind. Beispielsweise belastet die gestiegene EEG-Umlage jeden Arbeitsplatz in der Massivumformung jährlich mit einem vollen durchschnittlichen Monatsgehalt.
Was tun? Subventionen grundsätzlich abschaffen?
Der WSM ist grundsätzlich gegen Subventionen, da sie den Wettbewerb verzerren. Die EEG-Umlage ist eine gigantische Subvention für die Erzeuger von grünem Strom. Kein Wunder, dass derzeit große Betreiber von Kohle- und Gaskraftwerken leider die Freude an einer sicheren, zuverlässigen und vor allem störungsfreie Stromversorgung hierzulande verlieren. Nach unseren Berechnungen kann ein Stromausfall von nur wenigen Sekunden eine mittelständische Firma einen fünf- bis sechsstelligen Betrag kosten. Gerade die Werke der stahlbearbeitenden Industrie sind gespickt mit Roboteranlagen. Bei Stromausfall werden nicht nur die gerade bearbeiteten Teile zerstört. Vielmehr dauert die Neueinrichtung der Systeme oft einen halben Tag, was dem Zulieferer erhebliche Schwierigkeiten bereitet. Wenn dann einzelne Politiker sagen, die Industrie müsse damit fertig werden, dann verstehen sie nicht, wie industrielle Wertschöpfungsketten in Deutschland funktionieren.
Wo sehen Sie derzeit den größten Bedarf um einzulenken, damit die Zulieferketten stabil bleiben?
Bei den Zahlungszielen und -fristen. Je kürzer diese sind, desto eher sichern sie die Liquidität des Lieferanten. Aktuell versuchen vor allem große Tier-1 der Automobilsparte Zahlungsziele auf deutlich über 30 Tage, nämlich auf 60 zu verlängern. Das ist für unsere Zulieferer inakzeptabel.
Was hat der WSM dagegen in der Hand?
Wir unterstützen unsere Mitglieder argumentativ oder bewerten rechtlich die Bedingungen. Wie wichtig Information an der Stelle ist, zeigt die geplante Umsetzung der Zahlungsverzugsrichtlinie 2011/7/EU. Demnach bleibt es zwar bei der grundsätzlichen Zahlungsfrist von 30 Tagen, nach deren Ablauf automatisch Verzugszinsen zu zahlen sind. Es heißt aber auch, wer 60 Tage vereinbart, muss dies ausdrücklich tun. Im Kern ist diese Richtlinie eigentlich nicht schädlich, viele verstehen sie aber falsch. Die genannten 60 Tage beziehen sich nur darauf, wie eine 60-Tage-Frist formal zu vereinbaren ist. Für deutsche Lieferanten gibt es überhaupt keinen Grund, von der 30-Tage-Regelung nach BGB abzuweichen. Aber selbst darauf sollte man sich nicht einlassen, denn konkludent werden Zahlungsziele nie vereinbart, sondern in Allgemeinen Einkaufsbedingungen festgelegt.
Ist in Deutschland diese EU-Richtlinie also nicht anzuwenden?
Genau. Aber viele haben darüber gelesen und überwiegend höre ich, die EU würde 60 Tage vorschreiben. Das tut sie aber nicht! Das Missverständnis dieser Richtlinie führt dazu, dass mancher sagt: Dies gehe jetzt ohnehin einher mit einer beabsichtigten Verlängerung der Zahlungsziele wegen einer gewissen Abkühlung des Marktes.
Apropos Markt: Wie beurteilt die Branche ihre Aussichten in diesem Jahr?
Wir rechnen mit einer allenfalls leichten Abkühlung. Die Stahl- und Metallverarbeiter sind exportorientiert, vor allem auch ihre Abnehmer. Zwar wird der chinesische Automobilmarkt nicht mehr die glänzenden Zahlen erreichen, sie sind aber immer noch ordentlich. Überdies wartet der US-amerikanische Anlagenbau mit guten Zahlen auf. Rückgänge in Europa fängt die Branche also immer noch in den globalen Märkten auf. Dies führt möglicherweise zu einer Eintrübung, ist aber kein Grund zur Sorge. Von Krise kann keine Rede sein.
Eine eher persönliche Frage zum Schluss: Was hat Sie als Leiter der Rechtsabteilung des WSM zuzeiten der Verbandskrise bewogen, auf den Posten des Hauptgeschäftsführers zu wechseln?
Als ich gefragt wurde, handelte ich aus dem Gefühl der Verantwortung für WSM heraus. Außerdem gab es und gibt es immer noch ein beeindruckendes Engagement des Ehrenamts und der Unternehmer. Man läuft davor nicht weg.

Mittelstandslobbyist

Christian Vietmeyer ist seit Juni 2012 Hauptgeschäftsführer des Wirtschaftsverbands Stahl- und Metallverarbeitung e. V. (WSM) mit Sitz in Düsseldorf und Hagen. Der Rechtsanwalt studierte in Osnabrück und Freiburg und absolvierte in London ein Aufbaustudium mit dem Abschluss Master of Laws (LL.M.). Nach der ersten Berufsstation beim Wirtschafts- und Beratungsunternehmen KPMG wechselte der 41-Jährige in eine mittelständische Kanzlei, bei der er alsbald Partner wurde. Im Sommer 2011 trat Vietmeyer beim WSM die Stelle des Leiters der Rechtsabteilung an.
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