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In Alpentälern statt auf dem Himalaya

Optimiertes Kernblockformverfahren
In Alpentälern statt auf dem Himalaya

Zulieferung | Um Stahl- und Eisenguss mit dünnwandigen Partien, besserer Oberfläche und zu günstigeren Herstellkosten zu erzielen, setzt der Schweizer Gussspezialist Wolfensberger AG auf das optimierte Kernblockformverfahren.

Klaus Vollrath Fachjournalist in Aarwangen/Schweiz

„Bei bestimmten Gussteilen fordert der Markt heute eine Kombination von Genauigkeit und Oberflächenqualität, die mit dem klassischen Sandgießverfahren nicht so ohne weiteres dargestellt werden konnte“, sagt Marco Salvisberg, Produktmanager Sandguss und dünnwandiger Stahlguss der Wolfensberger AG in Bauma/Schweiz. Beispiel hierfür sind zwei Strömungsbauteile der VIAB (Verschleißfreies Integriertes Anfahr- und Bremssystem) von Voith, einer innovativen Entwicklung für schwere Nutzfahrzeuge wie die Modelle Actros SLT/Arocs SLT von Mercedes-Benz.
Diese modernen Schwerlasttransporter mit vier Achsen sind wahre Kraftpakete, die Lasten bis 250 t bewältigen können. Um solche Massen sicher bewegen zu können, verfügen sie über einen Sechszylindermotor mit 625 PS und einem Drehmoment von 3000 Nm. Bei solchen Drehmomenten und Bremslasten besteht die Herausforderung darin, mechanische Reibungsvorgänge beim Kuppeln und beim Bremsen zu begrenzen, weil hier Reibungswärme und Verschleißerscheinungen ein Ausmaß annehmen könnten, das mit herkömmlichen Konstruktionen nur schwer zu bewältigen wäre.
Im Lkw-Bereich setzt man daher bei längerdauernden Bremsvorgängen wie beispielsweise bei Bergabfahrten seit langem sogenannte hydrodynamische Retarder ein. Hierbei handelt es sich um eine Kombination aus Turbinenlaufrad und Stator, zwischen denen Öl zirkuliert. Das Öl wird beim Bremsen zwischen dem Laufrad und dem Stator mit hoher Intensität verwirbelt. Dadurch wird Bewegungsenergie des Fahrzeugs verschleißfrei in Wärme umgewandelt. Dieses Konzept hat Voith zu einer Turbo-Retarder-Kupplung weiterentwickelt. Zum Anfahren werden die Motorkräfte ebenfalls von einem Pumpenrad auf Öl und durch dieses wiederum auf das gegenüberliegende Turbinenrad übertragen, während die Kombination zum Bremsen umgekehrt als Retarder eingesetzt werden kann.
Dieses hybride System ermöglicht feinfühliges Anfahren und gewährleistet zusammen mit dem Motor beim Bergabfahren eine hohe Dauerbremsleistung. Dank der hydrodynamischen Kraftübertragung überhitzt die VIAB selbst bei intensivem Rangieren, im Gelände und beim Anfahren an extremen Steigungen mit voll beladenem Fahrzeug nicht.
„Wir gießen die beiden wichtigsten Strömungsbauteile dieser Neuentwicklung aus dem hochfesten Gusseisen mit Kugelgraphit EN-GJS-600-3“, ergänzt Marco Salvisberg. Bei den ersten Vorabklärungen mit dem Kunden hatte man schnell festgestellt, dass sich keines der beiden üblicherweise im Unternehmen eingesetzten Gießverfahren hierfür so richtig eignete: Für das klassische Sandgießen stellten die Anforderungen bezüglich Genauigkeit, Dünnwandigkeit und insbesondere Oberflächengüte eine kaum überwindbare Hürde dar. Alles Parameter, die entscheidenden Einfluss auf den Wirkungsgrad der gesamten VIAB-Komponente haben.
Da andererseits beim Präzisionsgießverfahren Exacast – bei dem die Konturen mithilfe einer feinen keramischen Masse abgeformt werden – der Aufwand und damit die Kosten negativ zu Buche schlugen, entschloss man sich, eine alternative Prozesskette aufzubauen, mit deren Hilfe man allen Anforderungen gerecht werden konnte.
„Die technologische Weiterentwicklung des sogenannten Kernblockverfahrens war die perfekte Lösung“, erläutert Marco Salvisberg. Bei diesem kastenlosen Fertigungsverfahren entstehen die Formen in einer Kernschießmaschine, die kunstharzgebundenen Sand mithilfe von Pressluft in eine Hohlform – die sogenannte Kernbüchse – „schießt“. Unter anderem die Verwendung eines geeigneten Sandes, eine besonders hohe Verdichtung sowie der Einsatz einer speziellen Schlichte garantieren das Erreichen der technischen Parameter. „Wir konnten dadurch die Oberflächenrauheiten auf ein Drittel des klassischen Sandgusses reduzieren. Bildlich gesprochen bewegen wir uns nun in Alpentälern statt auf dem Himalaya“, fügt Salvisberg hinzu. Auch in Bezug auf die Maßtoleranzen bewegt man sich mit DCTG 9 – 10 für Längentoleranzen (EN ISO 8062–3) an der unteren Grenze des klassischen Sandgusses.
Weiterentwicklung der automatisierten Kernblock- Fertigungslinie wird vorangetrieben
„Aktuell sind wir dabei, eine komplett neue, hoch automatisierte Kernblock-Fertigungslinie für Formen mit Abmessungen bis 500 x 500 x 400 mm aufzubauen und einzufahren“, erklärt der Produktmanager. Das Herzstück der bisherigen Anlage bildet ein Roboter, der mehrere Prozessschritte ausführt: Nach der Entnahme der Formbestandteile aus der Kernschießanlage sind dies das Vorwärmen im Ofen sowie das Schlichten und das anschließende Einlegen zur Trocknung der Formen in einen Mikrowellenofen, der zurzeit beschafft wird. Die weiteren geplanten Ausbaustufen beinhalten einen automatischen Formenzusammenbau sowie eine automatische Gießeinrichtung und eine anschließende Auspackstation.
Die Weiterentwicklung der automatisierten Fertigungslinie wird aktuell vorangetrieben. Parallel wird zudem daran gearbeitet, Stahlteile mit geringsten Wanddicken im Bereich von bis zu 2 mm zu fertigen. Nach einer intensiven Engineering- und Versuchsphase, die vielversprechende Ergebnisse geliefert hat, konnten für interessierte Kunden bereits Prototypen gegossen werden. •
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