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Noch eine Idee im (Alu-)Rohr

Neuartiges Wärmetauscherrohr: Wie aus der Idee ein erfolgreiches Produkt wird
Noch eine Idee im (Alu-)Rohr

Gute Ideen zu entwickeln, ist für Mittelständler kein Problem. Schwierig wird die Umsetzung dann, wenn Neuland betreten wird und einschlägige Erfahrungen fehlen. Wie solche Herausforderungen zu lösen sind, zeigt das Beispiel von Arup bei der Entwicklung des „Online Fin Tube (OLF)“

Ladeluftkühler senken die Temperatur der Luft noch kurz vor Eintritt in den Verbrennungsmotor. Die dafür notwendigen Wärmetauscherrohre aus Aluminium fertigt die Arup Alu-Rohr und Profil GmbH in Dortmund seit rund 30 Jahren. Insgesamt 160 000 km dieser Rohre liefern die 80 Mitarbeiter jährlich an über 40 Kunden weltweit.

„Bisher werden das flache Außenrohr und das Innenteil, das sowohl für die Wärmeaufnahme wie für die Gesamtstabilität sorgt, getrennt produziert“, beschreibt Geschäftsführer Norbert Aplienz die herkömmliche Fertigungsmethode. „Müsste es nicht möglich sein, beide Teile gleichzeitig zu formen – also online auf einer Maschine? Sie einfach zusammenzufalten und zu einem Flachrohr zu verschweißen?“ Diese Idee ließ ihn nicht mehr los. Der Anwender müsste dann Hüllrohr und innenliegenden „Fin“ nicht mehr getrennt lagern, konfektionieren und aufwändig ineinander montieren. Vielmehr könnte er die benötigte Länge einfach vom Rohr abschneiden. Es folgten Skizzen, Papiermodelle und manuell gefertigte Prototypen. „Das funktionierte – aber gab es nicht doch einen Haken?“, resümiert Aplienz die damaligen Überlegungen.
Schließlich ist eine Idee noch kein Produkt und genau hier beginnen für viele Mittelständler die Probleme: Neuland zu betreten bedeutet vor allem auch, bisher noch unbekannte Fragen meistern zu müssen. Wer hat hier Erfahrung und wer kann so ein Projekt trotz des Alltagsgeschäfts vorantreiben? Norbert Aplienz suchte deshalb 2009 die Unterstützung der Metatech GmbH in Kamen: „Wir wollten keine theoretischen Hilfestellungen, sondern einen technologie- und umsetzungsorientierten Partner, der das Projekt nicht nur mit kritischen Blicken betrachtet, sondern den gesamten Weg mit uns geht.“
Metatech setzt als ein vom Bundesministerium für Wirtschaft (BMWi) autorisiertes Beratungsunternehmen seinen Fokus auf Innovation, Technologie und Nachhaltigkeit und unterstützt mittelständische produzierende Unternehmen von der Idee bis zur erfolgreichen Umsetzung. „Zunächst sind das oft noch diffuse Vorstellungen – deshalb gilt es, diese Ideen gemeinsam mit dem Kunden erst einmal eindeutig zu definieren“, berichtet Geschäftsführer Dr. Claus-Michael Rogall von Metatech. Bei Arup standen neben dem Wärmetauscherrohr noch drei andere Ideen zur Auswahl. Die zweite Stufe des Innovationsmanagements befasste sich deshalb mit deren systematischer Bewertung.
Dazu ermittelt Metatech das Erfolgspotenzial mit Hilfe einer Reihe von Merkmalen, zum Beispiel dem Kundenmehrwert gegenüber der bisherigen Lösung, der Differenzierung vom Wettbewerb oder der Anzahl der potenziellen Kunden. Der nächste Gesichtspunkt ist der Umsetzungsaufwand. Kann das Unternehmen das Vorhaben überhaupt „stemmen“ – finanziell, auch hinsichtlich der Manpower? Bei aller Sorgfalt einer detaillierten Machbarkeitsüberprüfung: Welche Risiken bleiben trotzdem bestehen? Was wäre der „worst case“?
„Hier ist vor allem der Blick von außen wichtig. Ein Externer kann viel konsequenter auch schmerzhafte Stellen abklopfen“, betont Claus Rogall. Bei Arup wurden auf diese Weise alle vorhandenen Ideen geprüft und miteinander verglichen. „Das neue Wärmetauscherrohr erwies sich als die Idee mit den höchsten Erfolgsaussichten – die bessere Idee ist bekanntlich der Feind der guten.“
Trotzdem kosten Innovationsprojekte Geld, darum unterstützt das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie solche Vorhaben mit einer Reihe von Förderprogrammen. „Viele mittelständische Unternehmen haben jedoch keine großen Erfahrungen mit der Antragsstellung und der Abwicklung“, stellt Dr. Christian Bach fest, der als weiterer Metatech-Berater das Projekt bei Arup begleitete. Metatech übernahm es deshalb auch, das geeignete Projekt aus dem „Zentralen Innovationsprogramm Mittelstand“ zu ermitteln. Die internen und externen Entwicklungsaufwände wurden dadurch bei Arup in erheblichem Umfang gefördert.
Im März 2010 gab schließlich der amerikanische Mutterkonzern grünes Licht und das Projekt „Online Fin Tube“ konnte beginnen – mit der Produktspezifikation, der Entwicklung der Fertigungsfolge und dem Layout der Anlage. Metatech übernahm federführend das Projektmanagement und half bei der Auswahl leistungsfähiger Projektpartner.
Aus fertigungstechnischen Gründen wurde für den Innenfin zunächst eine Wabenform angedacht. Doch es stellte sich die Frage, ob solche Kammerquerschnitte auch für einen optimalen Wirkungsgrad sorgen. Je größer die umströmte Alu-Fläche, desto größer ist die Kühlwirkung, aber auch der unerwünschte Druckverlust. Und wie beeinflussen kleinste Lötstellen die Luftströmung? „Den optimalen Querschnitt mit der bestmöglichen Wärmeübertragungsleistung ergab dann eine CFD–Analyse“, berichtet Claus-Michael Rogall (CFK = (Computational Fluid Dynamics). Diese Strömungssimulationen erledigten externe Spezialisten, bei deren Auswahl die Erfahrungen von Metatech behilflich waren.
Die Rollensätze für das so ermittelte Profil entwickelte Arup dann in Eigenregie. Ebenso die Konstruktion der gesamten „Online“-Fertigungsanlage: Beide Alubänder werden übereinander eingezogen und das Profil des Innenfins zuerst gerollt. Dann werden sie zusammengeführt, „verheiratet“, und schließlich zu einem geschlossenen Rohr umgeformt und induktiv verschweißt. Durch diese Eigenentwicklung konnten außerdem viele Baugruppen einer vorhandenen Anlage wiederverwendet werden, was sich positiv auf die Kosten auswirkt. Für die noch fehlenden neuen Module definierte Metatech dann das Lastenheft und wählte auch hier den geeigneten Projektpartner aus, einen qualifizierten Sondermaschinenhersteller.
Schließlich war es soweit: „An einem Montag wurde die Anlage aufgestellt, am Dienstag waren schon die ersten Innenfins gerollt“, erinnert sich Norbert Aplienz immer wieder gern, „und am Donnerstag konnte ich das erste komplette Rohr in den Händen halten!“ Die Prototypenfertigung begann dann am 1. Oktober 2011 – Rohrquerschnitte und Finoberflächenstrukturen konnten nun dem jeweiligen Anwendungsfall optimal angepasst werden. Dieses neuartige Wärmetauscherrohr kombiniert somit einen hohen Vorfertigungsgrad mit exzellenten Wärmeübertragungseigenschaften und ermöglicht damit neue Kühlerdesigns und Fertigungsabläufe für die Automobilindustrie.
Der Erfolg einer gleichzeitigen Produkt- und Verfahrensinnovation schweißte natürlich auch die Mitarbeiter von Arup zusammen, deshalb stellten sie Norbert Aplienz schon bald die Frage: „…und was machen wir mit den anderen Ideen im Rohr?“
Udo Mathee Fachjournalist in Coesfeld
Industrieanzeiger
Titelbild Industrieanzeiger 4
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4.2024
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