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Industrie 4.0: Fundiert Strategien wählen

Industrie 4.0
Fundiert Strategien für Industrie 4.0 wählen

Fundiert Strategien für Industrie 4.0 wählen
Die auf der Website der WBA kostenlos erhältliche Studie „Industrie 4.0: Implement it!“ zeigt auf, wie die Umsetzung von Industrie 4.0 gehen kann. Bild: Kir Smyslov/Fotolia
Um eine erfolgreiche Implementierung von Industrie 4.0 zu erreichen, stellt die RWTH Aachen ein Reifegradmodell sowie eine Vorgehensweise zur Bewertung potenzieller Industrie 4.0-Lösungen vor.

Prof. Dr.-Ing. Günther Schuh, Prof. Dr.-Ing. Wolfgang Boos, Christoph Kelzenberg, Jan Wiese, Felix Stracke
Werkzeugmaschinenlabor WZL der RWTH Aachen, Abteilung Unternehmensentwicklung

Zur erfolgreichen Umsetzung potenzieller Industrie-4.0-Lösungen (Use-Cases) ist initial eine strukturierte Analyse der gesamten Wertschöpfungskette erforderlich. Das hier vorgestellte Industrie-4.0-Reifegradmodell besteht in Anlehnung an das Reifegradmodell von Acatech aus sechs Stufen, welche die notwendigen Schritte zur vollständigen Umsetzung von Industrie 4.0 im Unternehmen repräsentieren. Die untersten beiden Stufen Computerisierung und Vernetzung stellen notwendige Grundvoraussetzungen dar. Darauf aufbauend folgen die Stufen Visualisierung, Transparenz, Vorhersage und Adaptabilität, die mit aufsteigendem Nutzen unterschiedliche Umsetzungsgrade von Industrie 4.0 repräsentieren. Während Visualisierung vor allem das Erkennen von Zuständen ermöglicht, wird im Rahmen der Transparenz ein verbessertes Verständnis über Wirkzusammenhänge erreicht. Auf der Stufe der Vorhersage können Systemzustände datenbasiert antizipiert werden, um als finale Zielstellung automatisch zu reagieren und selbstoptimierende Systeme zu schaffen (Adaptabilität).

Industrie 4.0 zielgerichtet implementiern

Um die Komplexität eines produzierenden Unternehmens adäquat abzubilden, wird der Status quo für jede einzelne Unternehmensfunktion entlang der gesamten Wertschöpfungskette ermittelt. Anschließend muss im Sinne einer erfolgreichen Implementierung priorisiert werden, in welchen Unternehmensfunktionen die Umsetzung von Industrie 4.0 forciert werden soll. Dies geschieht in Abhängigkeit von der Unternehmensstrategie sowie relevanten Prozessschwachstellen und stellt die Zielausprägung dar.

Anschließend werden potenzielle Industrie-4.0-Use-Cases zur operativen oder technologischen Verbesserung dahingehend analysiert, ob deren Umsetzung einen Beitrag zur Zielerreichung in den einzelnen Unternehmensfunktionen leistet. Trägt eine Lösung potenziell zur Zielerreichung bei, wird untersucht, welche Voraussetzungen zu ihrer Umsetzung im Unternehmen notwendig sind. Die Abbildung illustriert das Vorgehen am Beispiel der Unterstützung von Montage- und Reparaturvorgängen durch den Einsatz von Smart Glasses. Neben Produkt- und CAD-Daten werden zur Umsetzung des Use-Cases Maschinen- und Feedbackdaten benötigt, um Mitarbeitern entsprechende Informationen zur Verfügung stellen zu können. Im hier gezeigten Beispiel liegen Produkt- und CAD-Daten im Unternehmen bereits in entsprechenden Softwarelösungen vor. Allerdings findet bislang keine Sammlung von Maschinen- oder Feedbackdaten aus der Fertigung statt. Zudem existiert bislang weder eine zur Aggregation und Synchronisation der Informationen entsprechende Middleware-Lösung, noch eine zentrale Datenverwaltung vor, welche die benötigten Informationen für die angestrebte Smart Glasses-Anwendung zur Verfügung stellen könnte.

Bewertung potenzieller Use-Cases

Vor dem Hintergrund begrenzter finanzieller Ressourcen ist eine fundierte Aufwand-/Nutzen-Bewertung potenzieller Use-Cases vor deren Ausgestaltung und Umsetzung unerlässlich. Die Bewertung erfolgt hinsichtlich monetärer sowie nicht-monetärer Aspekte. Für eine monetäre Bewertung von Use-Cases eignet sich als finanzielle Kennzahl die Amortisationszeit (Return on Investment – ROI). Sie gibt den benötigten Zeitraum an, innerhalb dessen sich eine Investition amortisiert und repräsentiert damit zugleich das jeweilige Umsetzungsrisiko. Wird das Investitionsobjekt nach Nutzung wieder veräußert, muss das eingesetzte Kapital um Liquiditätserlöse reduziert werden. Die durchschnittlichen Rückflüsse umfassen gesteigerte Umsätze sowie eingesparte Kosten. Je kleiner die Amortisationszeit, desto vorteilhafter ist ein Use-Case.

Nutzwertanalyse in vier Schritten

Für die nicht-monetäre Bewertung wird die Nutzwertanalyse herangezogen, welche in vier Schritten abläuft. Zuerst werden relevante Zielkriterien bestimmt. Relevant sind solche Kriterien, die vor allem Unternehmensfunktionen adressieren, in denen das Unternehmen Schwachstellen bzw. Verbesserungspotenziale aufweist. Im nächsten Schritt erfolgt die relative Gewichtung eines jeden Kriteriums durch paarweisen Vergleich. Dies erfolgt mithilfe der identifizierten Deltas aus einem Soll-/Ist-Vergleich. Adressiert ein Zielkriterium ein größeres Delta, so ist es in Relation gesehen wichtiger als andere Zielkriterien. Im dritten Schritt werden die Teilnutzen der einzelnen Zielkriterien ermittelt, um im letzten Schritt auswerten zu können welcher Use-Case dem Unternehmen welchen Nutzwert bringt und damit am passendsten ist.

Im Anwendungsfall des bereits genannten Beispiels der Smart Glasses werden auf Seiten des monetären Nutzens vor allem eingesparte Reise- und Personalkosten sowie eine Reduktion der Ausfallzeit einer im Ausland stationierten Anlage monetäre Vorteile bieten. Hinsichtlich nicht monetärer Aspekte steigert die Datenbrille vor allem Informationstransparenz, Prozesssicherheit und Wissensweitergabe.

Portfoliomatrix als hilfreiches Tool

Abschließend werden die Ergebnisse aus monetärer und nicht-monetärer Bewertung zur Entscheidungsfindung grafisch in einer Portfoliomatrix zusammengefasst. Neben Amortisationsdauer und Nutzwert eignet sich für die dritte Dimension wie Investitionsvolumen oder Kapitelwert. Zur Entscheidungsableitung dient die Visualisierung einer Indifferenzgerade. Jeder Use-Case wird horizontal und vertikal mit der Indifferenzgerade verbunden. Use-Cases, die unterhalb der Indifferenzkurve liegen, werden nicht durchgeführt, da die Amortisationszeit außerhalb des vom Unternehmen definierten Zeitraums liegt. Für Use-Cases oberhalb der Indifferenzgerade ist die Reihenfolge absteigend der Distanz der Schnittpunkte auf der Indifferenzgerade zu wählen.

Weiterführende Beschreibungen zu organisatorischen Strukturen, Arbeitsweisen oder relevanten Entscheidungsgrößen zur monetären und nicht-monetären Bewertung können in der Studie „Industrie 4.0: Implement it!“ nachgelesen werden. Um die Inhalte möglichst praxisnah zu vermitteln, werden die präsentierten Inhalte anhand von zwei Industrie 4.0-Lösungen exemplarisch angewendet. Die komplette Studie ist kostenlos auf der Website der WBA Aachener Werkzeugbau Akademie verfügbar: https://werkzeugbau-akademie.de/


Zur Serie

  • Teil 1 der Serie in Ausgabe 9.19 hat einen geeigneten Ordnungsrahmen zur Implementierung von Industrie-4.0-Lösungen vorgestellt.
  • Teil 2 in Ausgabe 14.19 erläuterte Prozesse, um Industrie-4.0-Use-Cases zu entwickeln und umzusetzen.
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