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In China ist Stillstand keine Option

Chinas und Asiens Wettbewerbsfähigkeit steigen
In China ist Stillstand keine Option

Zwar schießen in China die Zuwächse nicht mehr in den Himmel. Dennoch lockt die Wirtschaftsweltmacht mit weiterhin guten Investchancen. Für deutsche Maschinen- und Anlagenbauer bleibt die Volksrepublik ein Markt mit großen Möglichkeiten.

In der VR China waren hohe Wachstumsraten in den vergangenen 30 Jahren die Norm. Durch die schwächere weltwirtschaftliche Konjunktur, aber vor allem durch Entwicklungen im Inland, steht das Wirtschaftsmodell des Reichs der Mitte unter Reformdruck: Urbanisierung, Demografie, Umweltverschmutzung, Kostendruck und Exportüberschüsse heißen nur einige der Baustellen. Auf die sich daraus ergebenden Veränderungen im Raum Greater China müssen sich deutsche Unternehmen einstellen.

Chinas wirtschaftliche Dynamik war 2012 gedämpfter als gewohnt. Im vierten Quartal erholte sich die Wirtschaft aber und wuchs im Gesamtjahr real um 7,8 %. Auch für die kommenden Jahre sind die Aussichten gut. Den Zielwert von 7,5 % Zuwachs des Bruttoinlandsproduktes (BIP), den die chinesische Regierung im 12. Fünfjahresprogramm (2011 bis 2015) anvisiert hat, wird China dabei wohl meist übertreffen. Dies ist zwar deutlich unter den gewohnten zweistelligen Zuwächsen der vergangenen Dekaden, trotzdem bleibt China ein Markt mit großen Möglichkeiten. Allerdings wurde der Fortschritt bezahlt mit wachsender Ungleichheit und einer verheerenden Umweltbilanz.
Im aktuellen 12. Fünfjahresprogramm wurde daher nachhaltiges und grüneres Wachstum zu den obersten Zielen erkoren. Beim Machtwechsel im Herbst 2012 hat der damalige Präsident Hu Jintao die Verdoppelung des Pro-Kopf-BIP bis 2020 in Aussicht gestellt. Mit rund 6100 US-Dollar im Jahr 2012 ist dieses bereits in einem Bereich angekommen, in dem Ökonomen ein überproportionales Ansteigen der privaten Kaufkraft sehen.
Zukünftig soll daher der Binnenkonsum eine größere Rolle spielen, wohingegen Investitionen, die derzeit etwa 45 % der Wirtschaftsleistung ausmachen, weniger Bedeutung zukommen wird. Auch der Export als bislang wichtiger Träger der Konjunktur dürfte in den kommenden Jahren nicht mehr die gleiche Dynamik aufweisen. 2012 hatten die schwachen Absatzmärkte in den USA und vor allem der EU für ein Wachstum unter den Erwartungen gesorgt. Auch wurde Umwelttechnik zu einer der sieben Schlüsselindustrien für die zukünftige Entwicklung ernannt. In den kommenden Jahren wird China daher einer der größten Märkte für Umwelttechnik sein, allerdings dürften, wie bei den erneuerbaren Energien, starke Wettbewerber entstehen.
Die Investitionslandschaft in China wird dabei facettenreicher. Verschiedene Faktoren sorgen dafür, dass Standorte abseits der Küstenregionen attraktiver werden. Die Hauptzentren der Industrie heißen weiterhin Shanghai, Beijing und das Perlflussdelta in der Provinz Guangdong, doch in diesen explodieren die Kosten. Löhne, Umweltauflagen und wegfallende Steuervorteile spielen die Hauptrolle. Und in den kommenden Jahren wird sich der Trend fortsetzen: die Führung in Peking will die Mindestlöhne weiter anheben und die arbeitsfähige Bevölkerung Chinas schrumpft.
Als erstes hat die Leichtindustrie Südchinas auf die veränderten Rahmenbedingungen reagiert und ist entweder in Länder Südostasiens abgewandert oder hat Standorte im Inland ausgewählt. Besonders dynamisch haben sich die Regionen Sichuan/Chongqing im Südwesten und Nordostchina entwickelt. Im Norden wurde im ehemaligen Rostgürtel durch die Aufbaustrategie „Redeveloping China’s Northeast industrial base“ vor allem für Schwerindustrie, Luftfahrt und Automobilbau eine neue Heimat geschaffen. Rund 350 deutsche Unternehmen sind dort zuhause. Der Südwesten konnte dagegen Industrien wie IT und Elektronik anziehen, die vielfach mit Luftfracht versenden. Etwa 170 deutsche Firmen haben hier investiert.
Logistik gilt neben dem Fachkräftemangel als das Hauptproblem, mit dem potenzielle Investoren beim Umzug ins Landesinnere umgehen müssen. Soll wie von VW für den lokalen Markt in Chengdu oder Foshan gefertigt werden, ist dies dagegen kein großes Thema. Solchen Schlüsselinvestoren folgen die Zulieferer in aller Regel. Für den Transport bietet sich ansonsten neben Lkw, Flugzeug und Schifffahrt auf dem Yangzi neuerdings auch die Bahn stärker an. Neue Direktverbindungen nach Europa haben zwar ein Limit, aber auch innerhalb Chinas wird aufgrund der neu gebauten Hochgeschwindigkeitstraßen Schienenkapazität für den Frachtverkehr frei.
Verschiedene Faktoren begünstigen eine anhaltende Nachfrage im riesigen Binnenmarkt. Zum einen sorgen die Lohnsteigerungen für eine wachsende Kaufkraft, zum anderen geht der Infrastrukturausbau im Riesenmaßstab weiter. Megaprojekte wie eine Eisenbahn nach Tibet, die Hongkong-Zhuhai-Macau-Brücke oder eine Nord-Süd-Wasserumleitung sind dabei nur einige der Leuchttürme. Dazu sorgen die in die Agglomerationen ziehenden Massen für weiteren Bedarf, denn China erlebt die größte Urbanisierungsbewegung aller Zeiten. Schon heute lebt jeder zweite Chinese in einer Stadt, bis 2020 werden es 60 % der Bevölkerung sein. Und die größte Ausweitung der Urbanisierungsrate wird in den Zentralprovinzen erfolgen. Um diese Veränderung zu bewältigen, müssen weitere gewaltige Infrastrukturinvestitionen getätigt werden.
Das 12. Fünfjahresprogramm hat daher einen großen Schwerpunkt auf diese Herausforderung gelegt: Flughafenausbau, Straßenbau, Erweiterung des Hochgeschwindigkeitsnetzes, nachhaltige Energieversorgung und Übertragungstechnik, Krankenhäuser, Wasserver- und -entsorgung sowie der Wohnungsbau. Daneben wird der Entwicklung des Inlands besondere Aufmerksamkeit geschenkt, und die noch bestehenden großen Unterschiede zwischen den Küstenregionen und Westchina sollen durch Aufbaustrategien und zum Teil durch Steuervorteile moderiert werden.
China wird in immer mehr Warenkategorien zum größten Hersteller weltweit. Immer hochwertigere Produkte kommen aus dem Reich der Mitte. Knapp über 20 Mio. Automobile wurden im vergangenen Jahr produziert, und im Maschinenbau werden chinesische Hersteller zu sehr ernstzunehmenden Konkurrenten. Für Unternehmen, die international bestehen wollen, führt kaum ein Weg an einem Engagement in und mit China vorbei. Ohne eine Präsenz vor Ort geht es heute kaum noch, allerdings müssen Unternehmen genau überlegen, welche Kernkomponenten in Deutschland gefertigt werden und welche Schritte verlagert werden. Dabei wird nicht für den Export gefertigt, sondern in China für China.
Auch Forschung und Entwicklung vor Ort gewinnt stärker an Bedeutung. Innovationen im „good-enough“-Segment haben sich auch in anderen Emerging Markets bewährt. Hier besteht für deutsche Firmen noch Potenzial in der Entwicklung mit China. Für den deutschen Maschinenbau bleibt China der wichtigste Markt weltweit. 2012 sanken jedoch die Importe.
Die Sonderverwaltungsregion Hongkong (SVR) spielt eine immens wichtige Rolle im Chinageschäft. Genau wie Macau wird die ehemalige britische Kolonie bis mindestens 2047 ihr Rechts- und Verwaltungsumfeld behalten. Dieses – zusammen mit dem ungehinderten Fluss von Informationen, Kapital, Waren und den hochqualifizierten Arbeitskräften – machen Hongkong zu einem der wettbewerbsfähigsten Standorte weltweit. Im Zentrum Asiens mitgelegen – in einem Radius von fünf Flugstunden lebt die Hälfte der Weltbevölkerung – sind Handel und Logistik die tragenden Säulen der Volkswirtschaft. Durch die enge Verzahnung mit dem angrenzenden Perlflussdelta, aus dem fast ein Drittel der chinesischen Exporte stammt, hat sich Hongkong zu einem Schifffahrts- und Luftfahrtzentrum der Weltklasse entwickelt, das Vierfache der kompletten jährlichen Wirtschaftsleistung macht der Außenhandel aus.
Von Hongkong aus organisieren viele Firmen den Vertrieb in China oder ihr Asien-Sourcing. Nach dem Willen der chinesischen Regierung soll Hongkong als Finanzzentrum Greater Chinas weiter an Bedeutung gewinnen und die Internationalisierung des Renminbi Yuan vorangetrieben werden. So können Zahlungsvorgänge für Handelsgeschäfte mit chinesischen Partnern seit 2009 direkt in Renminbi Yuan abgewickelt werden. Den chinesischen Partnern kann so das Währungsrisiko abgenommen und neben Preisvorteilen können niedrigere Transaktionskosten erzielt werden.
Die Verbindungen zwischen China und seinen Nachbarn in der Region werden nicht nur durch Trends der Produktionsverlagerung enger. Mit einem engmaschiger werdenden Netzwerk von Freihandelsabkommen und Währungsswaps zwischen der Volksrepublik und Anrainerländern in Asien entsteht sukzessive ein Wirtschafts- und Währungsraum von zunehmender Konvergenz. Dazu gehören die Cepa-Abkommen mit Hongkong und Macau, das Economic Cooperation Framework Agreement mit Taiwan und das ACFTA Freihandelsabkommen (ASEAN-China Free Trade Area) mit den ASEAN-Ländern.
Durch den Abbau von Handelshemmnissen und die Möglichkeit, Geschäfte in Renminbi Yuan abzuwickeln, wird ein friktionsloser Handel in der ganzen Region befördert. 2011 entfielen 71% der Bestände chinesischer Direktinvestitionen auf die Region Asien. Es wird zunehmend offensichtlich, dass für deutsche mittelständische Unternehmen eine vermehrt ganzheitliche Betrachtung der Region bei der Formulierung von Unternehmenszielen und -strategien sinnvoll erscheint. Die begonnene Integration der Greater-China-Volkswirtschaften hat dabei ohne Frage einen gewissen Modellcharakter für die ganze Region.
Wolfang Ehmann, AHK Hongkong Achim Haug, gtai, Hongkong
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