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Ingenieure heben verborgenes Wissen

PLM: Integrationsplattform muss Produktlebenszyklus verknüpfen
Ingenieure heben verborgenes Wissen

Die hohe Bedeutung von Produktdaten in ihrem Lebenslauf und die erkennbaren Potenziale von PLM machen die Installation in allen Betrieben und insbesondere im Maschinenbau mit seinen mittelständischen Strukturen zwingend erforderlich.

Die digitale Produktentwicklung wird immer komplexer und erfasst nicht nur immer mehr Bereiche eines Unternehmens, sondern zunehmend auch die Zulieferer. Tenor aller Experten: Aus diesem Grund müssen Hersteller und Zulieferer mittels PLM (Product Lifecycle Management) schon sehr früh in der verteilten Entwicklung über Unternehmensgrenzen zusammenarbeiten.

Eine Umfrage hat ergeben, dass die Firmen kaum eine Alternative zu PLM sehen. „Die Einbindung der Zulieferer in neue Entwicklungsprojekte erfolgt heute zu einem wesentlich früheren Zeitpunkt“, weiß Ulrich Sendler von SendlerCircle, einer Interessengemeinschaft der Anbieter von Software und Service für virtuelle Produktentwicklung. „Diese fortschrittliche Art der Zusammenarbeit treibt im Moment alle Beteiligten der Branche um.“ Laut Sendler erstrecken sich Nutzen und Einsatz von PLM derzeit vor allem auf den digitalen Produktentstehungsprozess. Gefordert sei hier eine Lösung, die alle produktbeschreibenden Informationen wie Lastenhefte, CAD-Baugruppen samt aller internen Verknüpfungen, Simulationsergebnisse oder Prüfberichte im Kontext und in aktueller Version allen am Entwicklungsprojekt Beteiligten zur Verfügung stellen.
Eine Umfrage der EADS-Tochter Cimpa GmbH, Hamburg, in Zusammenarbeit mit dem Lehrstuhl für Virtuelle Produktentwicklung (VPE) der Universität Kaiserslautern unter 400 Zulieferern der Flugzeugindustrie, des Automotive-Sektors, des Maschinenbaus sowie des Chemiebereichs ergab, dass heute bereits fast zwei Drittel der Unternehmen bei der Produktentwicklung auf PLM setzen und dass jedes dritte, das bereits PLM eingeführt hat, nach eigenen Angaben seine Kundenanforderungen damit besser erfüllen kann. Zudem geben die Umfrage-Ergebnisse Aufschluss über Nutzen, Chancen und Risiken des PLM-Einsatzes und die Erwartungen der Zulieferer an die PLM-Anbieter. „Besonders bemerkenswert ist, wie wichtig PLM-Lösungen bei der durchgehenden Datenhaltung und -organisation sind“, so Prof. Martin Eigner von der Uni Kaiserslautern: PLM sei der wichtigste Ansatz, um Ingenieure von den administrativen Tätigkeiten zu entlasten. Und Uwe Farkas, Cimpa-Geschäftsführer, ergänzt: „Die Ergebnisse spiegeln genau unseren PLM-Ansatz wider, in dem Prozesse die Treiber für PLM sind.“
Für Zulieferer spielt dabei das Thema Integration eine große Rolle. Als zurzeit größte Herausforderung bei der Produktentwicklung werden angesehen: Geschwindigkeit, Kosten und Qualität (61, 59 und 54 %). Genau hier zeigt sich der Nutzen von PLM-Lösungen. Laut Umfrage sorgen sie vor allem für die Sicherung der Qualität (64 %), unterstützen die Unternehmen bei immer kürzeren Entwicklungszeiten oder der Produktdokumentation im Rahmen der Produktzulassung und -haftung (jeweils 53 %). Dementsprechend niedrig ist die Zahl der Befragten, die eine Alternative zu PLM sehen (6 %). Jedes dritte Unternehmen, das bereits PLM bei sich im Unternehmen eingeführt hat, berichtet aber auch von besserer Dokumentenverwaltung und besserer Übersicht über alle Bereiche und Produkte.
Drei Viertel der Befragten (77 %) empfinden den hohen und schwer kalkulierbaren Aufwand bei der Einführung als Risiko; nur jeder Dritte fürchtet dagegen fehlende Akzeptanz bei Anwendern. Als größte Chance gilt die Integration aller Beteiligten am Produktentstehungsprozess (68 %). An zweiter Stelle stehen bessere Prozesse, wie 55 % angeben. Größere Wettbewerbsfähigkeit wird hier nur von einem Viertel der Teilnehmer angegeben. Für Prof. Eigner steht fest: „Es ist unbedingt erforderlich, PLM-Lösungen weiter zu entwickeln. Dem Ingenieur muss das in den gespeicherten Daten vorliegende Wissen über die Produkte für zukünftige Entscheidungen zugänglich gemacht werden. Erst durch eine Weiterentwicklung über das administrative Datenmanagement hinaus wird der Einsatz zukünftiger PLM-Lösungen zur Unterstützung in Innovationsvorhaben denkbar.“
Eine solche integrierte Plattform für die globale Zusammenarbeit von Unternehmen ist die PLM-Lösung Enovia der Dassault Systèmes AG aus Stuttgart. „Mit der neuen V6-Plattform können wir unsere Zulieferer, Kunden und Ingenieurbüros direkt über das Internet anbinden“, berichtet Walter Knoblauch, PLM-Manager beim Pressenbauer Schuler AG aus dem schwäbischen Göppingen. „V6 und der dahinter liegende SOA-Ansatz erlauben die Integration von funktionalen, logischen und physischen Anforderungen, so dass unsere Produktentwicklung in einem System stattfinden kann. Eine komplette Formpresse können wir nun innerhalb von 20 Sekunden über das Internet laden, was vorher undenkbar gewesen wäre.“
Von IBM, die die Enovia-V6 in ihr Vertriebs- Portfolio integriert hat, heißt es dazu: Die heutige Produktentwicklung erfordert eine Orchestrierung von Mechanik, Elektronik und Software zu einem mechatronischen System. „Diese Orchestrierung erstreckt sich über die gesamte Lieferkette, die Hunderte von Partnern und Zulieferern einbinden kann“, so Dr. Thomas Wedel, Leiter IBM PLM Solutions Marketing in Deutschland.
Auch die Siemens Product Lifecycle Management Software GmbH aus Köln hat mit Tecnomatix für Automobilzulieferer ein modulares Set von Lösungen für das gesamte Management von Fertigungsprozessen und -informationen im Programm. Diese Lösungen sind an ein Open Manufacturing Data Backbone (OMDB) gekoppelt und adressieren so die für Zulieferer kritischen Anforderungen zur effizienten Angabe von Angeboten und die Einführung und Umsetzung von Fertigungsprozessen. Mit Solid Edge with Synchronous Technology hat der Siemens-PLM-Bereich jetzt einen weiteren Ansatz für die einfachere 3D-Modellierung angekündigt, mit der das Bearbeiten von Zuliefererdaten genauso problemlos möglich ist wie das Bearbeiten der eigenen Daten: „Wie viele andere Firmen vergeben wir teilweise Konstruktionsarbeit nach draußen, um die Entwicklungskosten zu reduzieren. Einen großen Teil dieser Einsparungen verlieren wir allerdings wieder durch nachträgliche Konstruktionsänderungen, die bisher nur vom Dienstleister auf seinem System effizient durchgeführt werden konnten“, berichtet Fritz Holzner, CAD-Systemmanager bei der Brückner Maschinenbau GmbH & Co. KG. Mit den neuen Werkzeugen in Solid Edge with Synchronous Technology können wir jetzt sofort alle Konstruktionsänderungen schnell selbst umsetzen und zusätzlich die Auswahl an Zulieferern ausweiten, da wir nicht mehr auf native Solid Edge-Daten angewiesen sind, so Holzner weiter. Aus ähnlichen Gründen hat auch Harman/Becker Automotive Systems in Karlsbad, Hersteller von innovativen Infotainment Systemen, kürzlich seine Installation von Winchill ProjektLink und WindchillPDMLink erweitert. Mit diesen Arbeitsplätzen erhalten Nutzer und Kunden an verschiedenen Standorten Zugriff auf aktuelle Informationen, die sowohl M-CAD- als auch E-CAD-Baugruppen sowie Materialstammdaten aus dem ERP-System des Unternehmens umfassen.
Nach den Erfahrungen von Sendler preschen heute gerade solche kleineren und mittleren Zulieferunternehmen mit dem PLM-Einsatz vor: „Dort sind heute häufig schon eher 3D-Lösungen zu finden, als bei ihren größeren Kunden, wo oft noch 2D dominiert.“ Einen Grund sieht Sendler darin, dass ein Auto heute nur noch zu einem runden Drittel aus Mechanik und zu zwei Dritteln aus Elektronik besteht, während sich die Qualifikation der Ingenieur-Mannschaften etwa in den Auto-Großkonzernen aber eher umgekehrt zusammensetzt. „Was also passiert jetzt mit den Maschinenbau-Ingenieuren? Aus denen lassen sich nicht so leicht mal eben IT-ler machen“, fragt Sendler. Diese Situation habe dazu geführt, dass die Großen feststellen mussten, dass sie die kleinen Unternehmen brauchen. „Und genau dieser übergreifende Einsatz ist nicht ohne PLM darstellbar“, so Sendler. Der Experte sieht gegenwärtig einen weiteren Wandlungsprozess: PLM war in den vergangenen Jahren eher IT-gesteuert, die IT hat die Geschäftsprozesse bestimmt, nach denen sich die Produktionsbereiche meist richten mussten. Jetzt sei ein Umkehrtrend feststellbar: Die IT müsse die passenden Lösungen dazu finden. „Gerade mit diesem Wandlungsprozess tun sich viele aber heute noch schwer“, hat Sendler festgestellt.
Edgar Lange Fachjournalist in Düsseldorf

Kosteneffizienz
PLM-Systeme integrieren die unterschiedlichen Softwarewerkzeuge zur Produktentwicklung. Die geldwerten Vorteile liegen auf der Hand: Mittels PLM lassen sich Entwicklungszeiten und -kosten senken, weil einmal erstellte Daten nie mehr erfasst werden müssen und ausgetauscht werden können. Weiter erwarten die Anwender bessere Qualität, einfachen Umgang bei zunehmender Variantenvielfalt und zentrale Produktdokumentation im Rahmen der Zulassung und Haftung.

„Der Anwender muss optimal arbeiten können“

Nachgefragt

Ist PLM schon beim Mittelstand angekommen?
Ja, allerdings sind viele Unternehmen noch zu stark auf das Datenmanagement der CAx Lösungen fokussiert. Hier enden viele PLM-Projekte. Dabei sind die produktrelevanten, technischen Informationen im Unternehmen aber viel breiter gestreut. Gerade die Prozesse und Informationen außerhalb der reinen Konstruktion bieten ein großes Optimierungspotential, das nur teilweise erschlossen ist.
Was ist der Grund dafür?
PLM-Projekte sind komplex. Solch Projekte bieten leider immer wieder die Gefahr, das Ziel aus den Augen zu verlieren. Daher sind einheitliche Beschreibungen wichtig. Diese sollten zu Beginn des Projektes festgehalten und von allen unterschrieben werden. Daran muss sich das Projekt über die gesamte Laufzeit ausrichten. Die Integration aller bestehenden Systeme ist die wichtigste Anforderung von PLM.
Wie wollen Sie den Anwendern helfen?
Leider sind die PLM-Lösungen am Ende äußerst komplex. Der Anwender mit Detailanforderungen wird nicht mehr berücksichtigt. Wir trennen daher die Anwendungsoberfläche komplett von dem PLM-System. Damit habe ich die Möglichkeit die PLM-Systeme so zu konfigurieren, dass sie die Prozesse und Daten optimal managen, und gleichzeitig kann ich den Anwendern einen auf ihre Aufgaben optimierten Arbeitsplatz zur Verfügung stellen. Es wird der Anwender und nicht die Applikation in den Vordergrund gestellt.
Wie beurteilen Sie Web-Technologien bei PLM-Einsätzen?
Die Möglichkeiten, über das Internet mein PLM-System weltweit nutzen zu können, Daten weltweit verfügbar zu haben und das auf einer standardisierten und ausgereiften Technologie, ist phänomenal. Damit können auch spezialisierte Dienste anderer Applikationen, aber auch Dienste aus dem Internet in die PLM-Umgebung einfließen. Damit wird PLM flexibler und kann mit dem Unternehmen wachsen. wm
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