Das Rückgrat der deutschen Wirtschaft ist der Mittelstand. Und dort sind es häufig die Familienunternehmen, die über mehrere Generationen hinweg nachhaltig gewirtschaftet haben und beachtliche Erfolge erzielen konnten. Ein Merkmal der Familienunternehmen ist dabei eine personalistische Gesellschafterstruktur, überwiegend in der Rechtsform der GmbH. Das heißt, dass die Anteile in der Hand mehrerer natürlicher Personen sind. Diese Personen sind oftmals reine Anteilseigner, im Übrigen aber nicht in das operative Geschäft des Unternehmens eingebunden.
Personalistische Gesellschafterstruktur in
Familienunternehmen
Der GmbH-Gesellschafter ist Inhaber seines Geschäftsanteils, der sämtliche Rechte und Pflichten des Gesellschafters verkörpert, die seine Mitgliedschaft in der GmbH betreffen. Wird nun über das Vermögen des Gesellschafters das Insolvenzverfahren eröffnet, so fällt der Geschäftsanteil in die Insolvenzmasse. Das bedeutet, dass der insolvente Gesellschafter zwar weiterhin Gesellschafter der GmbH bleibt, der Insolvenzverwalter aber jetzt das Sagen hat. Denn die Befugnis, den Geschäftsanteil zu verwalten und darüber zu verfügen, geht auf den Insolvenzverwalter über.
Insolvenzverwalter sitzt nun mit am Tisch
Dieser Umstand hat in der Praxis insbesondere die Folge, dass der Insolvenzverwalter das Stimmrecht und das Gewinnbezugsrecht ausüben kann, während der insolvente Gesellschafter plötzlich der Gesellschaft wie ein außenstehender Dritter gegenübersteht. Ab diesem Zeitpunkt ist Streit vorprogrammiert. Ist es bis dahin das Interesse aller Gesellschafter gewesen, den werbenden Zweck der Gesellschaft zu fördern, so ist die Motivation des Insolvenzverwalters eine andere: Ihm geht es primär darum, die Insolvenzmasse zu vergrößern.
Dies wird er primär dadurch zu erreichen versuchen, dass er auf möglichst hohe Ausschüttungen hinwirkt und etwaige Gesellschafterdarlehen fällig stellt. Einer gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht gegenüber der Gesellschaft sowie den Mitgesellschaftern unterliegt der Insolvenzverwalter dabei nicht. Dies kann zur Folge haben, dass die Gesellschaft massive Liquiditätsabflüsse erleidet und geplante Investitionen außen vor bleiben müssen. Aus der Gesellschafterinsolvenz folgt im schlimmsten Fall die Gesellschaftsinsolvenz. Stellt der Insolvenzverwalter zudem die Werthaltigkeit des Geschäftsanteils fest, so wird er ihn unter Umständen an den Meistbietenden verkaufen, was zu einer ungewollten Überfremdung der Gesellschafterstruktur führt.
Die Insolvenz eines Gesellschafters eines Familienunternehmens ist also mit erheblichen Risiken, sowohl für die Gesellschaft selbst als auch für die übrigen Gesellschafter sowie die Unternehmerfamilie verbunden. Die gesetzlichen Vorschriften reichen zur Risikominimierung nicht aus, weshalb rechtsgestaltende Vorsorgemaßnahmen zu treffen sind. Solche sind auf den verschiedenen Gestaltungsebenen auch durchaus vorhanden.
Vorsorge durch Satzungsgestaltung
Die Insolvenz eines Gesellschafters kann zwar im Gesellschaftsvertrag als Grund genannt werden, der zur automatischen Auflösung der Gesellschaft führt. Dieser Automatismus dürfte aber in den meisten Fällen unerwünscht sein, da damit eine Beendigung der Geschäftstätigkeit und Liquidation der Gesellschaft einhergeht. Sofern es aber im Interesse der Gesellschafter liegt, die gewerbliche Tätigkeit ohne den insolventen Gesellschafter fortzusetzen, kann dies auch nicht durch eine Klausel realisiert werden, die den Ausschluss des insolventen Gesellschafters für den Insolvenzfall vorsieht. Denn diese Klauseln begründen Pflichten, die im Insolvenzfall einfache Insolvenzforderungen darstellen.
Demgegenüber bietet die Einziehung des Geschäftsanteils ein wirksames Mittel, denn die Einziehung führt zur vollständigen Vernichtung des Geschäftsanteils. Als Gegenleistung erhält die Insolvenzmasse eine Abfindung, die sich grundsätzlich am Verkehrswert des Geschäftsanteils richtet. Gleichwohl birgt die mögliche persönliche Haftung auf die Abfindungszahlung für die verbliebenen Gesellschafter erhebliche wirtschaftliche Risiken. Die Gesellschafter werden vor einem entsprechenden Beschluss stets zwischen der Haftung und der möglichen Überfremdung der Gesellschaft abzuwägen haben. Besonderes Augenmerk sollte deshalb zusätzlich auf die liquiditätsschonende – aber rechtlich noch zulässige – Reduzierung des Abfindungsanspruchs des Ausscheidenden gerichtet sein.
Verfügungen unter Lebenden
Häufig werden in Familienunternehmen Geschäftsanteile schon zu Lebzeiten auf die nächste Generation übertragen. Bereits auf dieser Ebene kann Vorsorge im Hinblick auf eine spätere Insolvenz des Beschenkten getroffen werden. Bei Übertragung von Unternehmensanteilen im Wege der Schenkung zu Lebzeiten sollte deshalb bereits im Übergabevertrag der bedingte Rückfall des Schenkungsgegenstands beim Eintritt eines möglichst genau bestimmbaren Ereignisses im Vorfeld der Insolvenz des Beschenkten festgelegt werden, etwa auf den Zeitpunkt des Insolvenzantrags. Soll die Schenkung mit einer Versorgung des Schenkers kombiniert werden, so sollte zur Absicherung für den Fall der Insolvenz des Beschenkten eine Nießbrauchlösung gewählt werden.
Erbrechtliche Vorsorge
Auf der Ebene der Gestaltungen von Todes wegen bietet sich zunächst die Enterbung der insolventen Person an. Dies könnte zwar die Überfremdungsgefahr reduzieren, führt aber zu pflichtteilsrechtlichen Folgeproblemen, welche die Enterbungslösung unbefriedigend erscheinen lassen. Als geeignet hat sich jedoch die Gestaltung einer Vor- und Nacherbeinsetzung in Kombination mit Dauertestamentsvollstreckung herausgestellt. Steuerlich kann diese Lösung allerdings ungünstig sein, weshalb die steuerlichen Folgen für jeden Einzelfall eingehend zu prüfen sind und dann abzuwägen ist. Zudem trifft auch diese Lösung wegen ihrer Unflexibilität auf Bedenken in Bezug auf Unternehmernachlässe. Wird diese Lösung nach erfolgter Abwägung gewählt, so sollten Regelungen für den wirtschaftlichen Besserungsfall vorgesehen werden, etwa in der Form der Vollerbeneinsetzung auf ein bestimmtes Ereignis.
Frühzeitige Vorsorge ist Pflicht
In jedem Fall sollte der Fall des insolventen Gesellschafters nicht erst bedacht werden, wenn das Insolvenzverfahren schon eröffnet ist, sondern wird idealerweise bereits bei der Gründung einer Gesellschaft berücksichtigt. Auch anstehende Nachfolgeregelungen können eine gute Gelegenheit sein, die vorhanden Regelungen im Hinblick auf eine mögliche Gesellschafterinsolvenz auf den Prüfstand zu stellen.