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Inteview mit VDMA-Chefvolkswirt Dr. Ralph Wiechers

Interview mit VDMA-Chefvolkswirt Ralph Wiechers
„Der Fachkräftemangel beschäftigt die Branche mehr als die Digitalisierung“

Fragile Lieferketten, Fachkräftemangel und die Corona-Pandemie: Der Maschinen- und Anlagenbau durchlebt, wie viele andere Branchen auch, gerade turbulente Zeiten. Wir haben mit VDMA-Chefvolkswirt Dr. Ralph Wiechers über die aktuellen Herausforderungen und den Stand der Digitalisierung gesprochen und darüber, wie sich der Maschinenbau aufstellen muss, um für junge Menschen attraktiv zu sein.

» Alexander Gölz, Chefredakteur Industrieanzeiger

Das Jahr 2021 war für den deutschen Maschinenbau kein leichtes Jahr. Wie bewerten Sie das vergangene Jahr?

Für unsere Branche war es ein sehr turbulentes Jahr. So etwas habe ich in meiner 30-jährigen Laufbahn beim VDMA noch nicht erlebt. Die Corona-Pandemie hat 2020 zu einem spürbaren Produktionsrückgang im Maschinen- und Anlagenbau geführt. 2021 war dann ein dynamischeres Aufholjahr als wir es noch Ende 2020 gedacht hatten. Temporäre Betriebsschließungen blieben den Unternehmen anders als beispielsweise im Hotel- und Gastronomiegewerbe, erfreulicherweise weitestgehend erspart. Man hat sich auf die veränderte Situation besser einstellen und die Produktionsabläufe sogar weiterentwickeln können. Natürlich bedurfte es Anpassungen: in der Produktion auf Abstand arbeiten, Hygienevorschriften festlegen und umsetzen, Homeoffice integrieren und natürlich Impfangebote machen. Hinzu kamen die vielfältigen Reisebeschränkungen, zum Beispiel für Monteure und den Vertrieb sowie Logistikprobleme, gestörte Lieferketten. Das alles kostet Ressourcen und bedarf oftmals angepasster Prozesse. Die Verantwortlichen in den Unternehmen haben dies aber sehr gut gemeistert.

Wie schlagen sich die deutschen Maschinenbauer bei der Digitalisierung?

Wir müssen hier unterscheiden zwischen den eher größeren Unternehmen und den kleineren Mittelständlern. Die Großen schlagen sich sicherlich gut und sind dank ihrer Kapazitäten ordentlich aufgestellt. Gleiches gilt für kleinere Unternehmen, die wie Startups agieren und deren Geschäftsmodelle auf der Digitalisierung aufbauen. Aber dann haben wir eben auch sehr viele Mittelständler, die oft noch gar nicht diese unmittelbare Notwendigkeit haben, sich noch offensiver digital aufzustellen oder schlichtweg mit dem Fachkräftemangel für Digitalisierungsprojekte kämpfen. Darüber hinaus gibt es Branchen, die schon sehr weit sind bei der Entwicklung und Implementierung digitaler Geschäftsmodelle, wie beispielsweise die Landtechnik, während andere, sagen wir mal, etwas hinten dran sind. Insofern sehen wir im Maschinen- und Anlagenbau einen unterschiedlichen Digitalisierungsgrad und selbstredend auch Nachholbedarfe. Wir dürfen deshalb nicht nachlassen, müssen weiter am Ball bleiben, weil die Digitalisierung jetzt und in Zukunft ein Wettbewerbsvorteil ist und vielfältige Geschäftsmöglichkeiten eröffnet.

Was kommen neben der Digitalisierung für weitere Herausforderungen auf den Maschinenbau zu?

Aktuell rückt der Fachkräftemangel wieder in den Fokus. Er beschäftigt die Branche noch mehr als die Digitalisierung. Die Pandemie hat wenig überraschend die Lage nicht entschärft. Es geht darum, gut ausgebildete Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zur Lösung der großen Aufgaben unserer Zeit – die Digitalisierung und die Entwicklung klimafreundlicher Technologien – zu gewinnen, oder selbst auszubilden.

Wie können wir den Fachkräftemangel in Deutschland bewältigen?

Der Maschinenbau steht bei der Rekrutierung von Talenten generell im Wettbewerb, insbesondere mit der Automobilindustrie oder auch der Elektrotechnik. Es kämpfen also drei Branchen mehr oder weniger um dieselben Leute. Und der Maschinen- und Anlagenbau gilt manchmal, obwohl wir schon große Fortschritte gemacht haben, noch als eine Branche, die an Attraktivität aufholen muss im Vergleich zu anderen Industrien. Damit sich das nicht zur Wachstums- und Innovationsbremse entwickelt, müssen wir besser herausstellen, warum unsere Branche attraktiv ist – gerade für junge Menschen. Ich selbst habe in einem Maschinenbauunternehmen als Auszubildender meinen Berufsweg begonnen, und ich kann nur jedem jungen Menschen raten, wenn er sich für einen technischen Beruf interessiert, nicht nur in die großen Automobilfirmen zu schauen, sondern auch in einen mittelständischen Maschinenbaubetrieb.

Lieferkettenprobleme sind allgegenwärtig. Wie muss sich der Maschinenbau aufstellen? Geht der Weg über mehr Diversifizierung?

Man kann das nicht pauschal beantworten. Es gibt diese Überlegungen, sich bei nichtkritischen Teilen eine breitere Lieferantenbasis aufzubauen. Bei kritischen Teilen, die oftmals aus wenigen Bezugsquellen beschafft werden, ist dies jedoch oft schwierig. Typisch für den Maschinenbau sind sehr enge Kunden-Lieferantenbeziehungen, auch gegenüber Systemlieferanten. Enge Beziehungen über Jahre, ja Jahrzehnte, die gepflegt wurden und nun ungern aufs Spiel gesetzt werden. Ähnlich verhält es sich mit der globalen Diversifizierung, also der Frage, aus welchem Land beziehe ich als Unternehmen meine Teile. Die Lösung kann nicht sein, dass all das, was vorher in Asien gekauft wurde, jetzt aus Europa bezogen werden soll. Wer sagt uns denn, dass wir nicht auch in Europa irgendeinen Störfall mit folgenschweren Lieferproblemen erleben? Ganz zu schweigen von den Vorteilen der internationalen Arbeitsteilung. Wir benötigen daher eher eine globale Aufstellung. Viele Unternehmen sind ohnehin global aufgestellt, mit Produktion oder Montage vor Ort. Und es gibt einen klaren Trend, wenn möglich vor Ort zu beschaffen, was für die lokale Produktion benötigt wird.

Was empfehlen Sie kleinen und mittleren Unternehmen, um gut durch diese Zeiten zu kommen?

Ich habe die kleinen und mittleren Unternehmen in den vielen Jahren, in denen ich diese Branche begleite, immer als sehr flexibel und anpassungsfähig erlebt. Das ist sicherlich ein wesentliches Element ihrer Wettbewerbsfähigkeit. Die Herausforderungen werden in Zukunft sicherlich nicht weniger werden. Was sich regelmäßig als große Herausforderung erweist, , sind die begrenzten personellen Kapazitäten und Ressourcen von kleineren Unternehmen.

Wie lautet ihr Ausblick für 2022?

Wir haben unsere Prognose für das Produktionswachstum von fünf auf sieben Prozent erhöht. Mit diesem Zuwachs wären wir dann preisbereinigt wieder über dem Vorkrisenniveau. Ich bin guter Dinge, dass wir – natürlich nur wenn die Pandemie bewältigt wird und es keine tiefgreifenden politische Änderungen gibt – diese positive Entwicklung auch in das Jahr 2023 mitnehmen können.

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