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Blechteilelieferung auf den Tag genau

Moderne Organisationsstruktur verbessert Termintreue
Blechteilelieferung auf den Tag genau

Organisation | Dank konsequenter Neuausrichtung seiner Fertigungsorganisation konnte der schwäbische Blechverarbeiter H.P. Kaysser seine Lieferperformance deutlich verbessern.

Klaus Vollrath Fachjournalist in Aarwangen/Schweiz

„Von uns als typischem Blechverarbeitungsbetrieb erwarten die Kunden ein extrem breites Spektrum an Leistungen“, weiß Dipl.-Ing (FH) Thomas Kaysser, geschäftsführender Gesellschafter der H.P. Kaysser GmbH + Co. KG in Leutenbach. Das Unternehmen fertigt Blechteile vom einfachen Biegeteil bis zu kompletten Gehäusen für Werkzeugmaschinen. Dabei erhält der Kunde alles, was er braucht, aus einer Hand: Dies umfasst jede gewünschte Zusatzleistung bis hin zur Komplettmontage und Bestückung ganzer Baugruppen und Aggregate oder auch die Beratung durch eine schlagkräftige Engineering-Abteilung.
Typisch sind überwiegend kleine bis mittlere Serienlosgrößen sowie eine kaum noch überschaubare Vielfalt an Artikeln. Pro Jahr sind es 10 000 bis 20 000 unterschiedliche Produkte. Die Kunden kommen aus Bereichen wie Maschinenbau, Anlagenbau, Lkw-Bau, chemische Industrie, Pharmazie oder Luft- und Raumfahrt. Diese Abnehmer stellen hohe Anforderungen an die Qualität und ebenso an die Fähigkeit zur Einhaltung vereinbarter Liefertermine.
„Zu unseren wesentlichen Handicaps zählt zunächst die enorme Bandbreite unterschiedlichster Werkstoffe und Technologien, die bei uns zum Einsatz kommen“, erläutert Kaysser-Geschäftsführer Achim Hinterkopf. Schon die schiere Zahl der Legierungen sowie der Abmessungen der Halbzeuge wie Bleche, Rohre und Profile sei kaum überschaubar. Hinzu komme die sehr große Zahl unterschiedlichster Anlagen und Verfahren. Auch für Montageaufgaben benötige man eine sehr große Zahl an Zukaufteilen. Insgesamt schätzt er, dass die Zahl solcher Teile in der Größenordnung von mehreren 100 000 liege. Diese Bestände müsse man bei der Planung berücksichtigen. Für die Ermittlung eines möglichen Liefertermins seien alle diese Faktoren ebenso wie die aktuelle Auslastung und Verfügbarkeit von Mitarbeitern und Maschinen ins Kalkül zu ziehen.
„Angesichts dieser Rahmenbedingungen kann man sich vorstellen, was für eine Mammutaufgabe es war, unsere bisher bei etwa 75 Prozent angesiedelte Lieferperformance zu verbessern“, verrät Hinterkopf. Trotz aller Leistungsbereitschaft der Belegschaft und einer ausgereiften Softwareausstattung habe man früher Terminüberschreitungen nicht immer vermeiden können.
Innerhalb von zwei Jahren habe man jetzt den Durchbruch geschafft. Hierfür wurde die gesamte bisherige Fertigungsorganisation konsequent umgestellt. Eine wesentliche Rolle spielte dabei das im Unternehmen eingesetzte Fertigungsplanungs-Programm, eine Lösung für das Enterprise Resource Planning (ERP) der Infor GmbH. „Heute sind wir soweit“, sagt Achim Hinterkopf, „dass der gesamte Fertigungsprozess im Prinzip schon am Tag der Bestellungsannahme transparent im System angelegt und komplett durchgeplant ist.“ Dem Kunden könne man somit einen verbindlichen Liefertermin zusagen. Zugleich könne man ihn frühzeitig ansprechen, falls der geplante Termin nicht zu halten sei.
„Voraussetzung für den Erfolg war eine tiefgreifende Neustrukturierung wesentlicher Abläufe im Unternehmen“, ergänzt Thomas Kaysser. Heute läuft die Ressourcenverwaltung ausschließlich im Verantwortungsbereich der Fertigungsorganisation. Den Meistern fällt in diesem Zusammenhang die Aufgabe zu, die Prozesse in ihrem Bereich auf Stimmigkeit mit den Regelvorgaben abzuprüfen und Abweichungen sofort zu melden. In diesem Zusammenhang veränderten sich auch ihre eigenen Aufgabenbereiche: Die Zuständigkeit für Terminänderungen und entsprechende Umplanungen in den Abläufen liegt jetzt ausschließlich bei der Abteilung Fertigungssteuerung, denn das neue Konzept kann nur funktionieren, wenn alles, was in der Produktion passiert, für die EDV jederzeit transparent ist.
Zugleich wurde die Zusammenarbeit zwischen Arbeitsvorbereitung und Fertigungssteuerung neu geregelt. Dies ist von erheblicher Bedeutung, da für viele Aufträge teils sehr aufwendige Vorrichtungen benötigt werden. Aufgabe der Arbeitsvorbereitung ist es, stimmige Zahlen zu all diesen Abläufen zu ermitteln und der Fertigungssteuerung zur Verfügung zu stellen.
„Selbstverständlich kann man eine so tiefgreifende Umstellung nicht sozusagen mit einem Schlag einführen“, sagt Achim Hinterkopf. Deshalb habe man das Modell zunächst nur an den Laserarbeitsplätzen ausprobiert. Hier wurde damit geübt, bis die Mitarbeiter überzeugt waren. Erst danach wurde das neue Modell flächendeckend im Betrieb eingeführt. Zu den Neuerungen bei der Umstellung gehört auch, dass der gesamte „Papierkrieg“ an Begleitzetteln oder Prüfformularen jetzt ebenfalls zentral von der Fertigungssteuerung verwaltet und termingerecht mit den Abläufen im Betrieb bereitgestellt wird.
„Im Zuge dieser Neuorganisation haben wir auch die betriebsinternen Logistikabläufe in erheblichem Umfang umgestellt“, betont Thomas Kaysser. Logistikfunktionen und Produktion wurden systematisch voneinander getrennt. Mitarbeiter in der Produktion konzentrieren sich auf ihre wertschöpfenden Tätigkeiten, während die Betriebslogistik dafür sorgt, dass Material und Werkzeuge rechtzeitig zur Hand sind. Dazu gehörte auch eine Umstellung der betriebsinternen Transportvorgänge.
Waren früher große Flächen mit „wartenden“ Paletten vollgestellt, was teils erhebliche Zeitverzögerungen bedingte, sei das Motto heute: „Alles auf Rollen“. Dafür wurden Rollgestelle konstruiert, mit deren Hilfe sich Paletten schnell bewegen lassen. Auch für Montageaufgaben gibt es spezielle Gestelle, die mit allen für den jeweiligen Auftrag erforderlichen Kleinteilmagazinen bestückt sind. Ein spezieller Logistikzug übernimmt den fahrplanmäßigen Transport von Teilen und Material zwischen den Lagerplätzen und den Produktionsabteilungen.
Umdenken in der Belegschaft
„Zu den wesentlichen Voraussetzungen für den Erfolg des Systems gehörte auch, die gesamte Belegschaft auf dem Weg dorthin mitzunehmen“, weiß Geschäftsführer Hinterkopf. Statt sich auf externe Berater zu verlassen, habe man lieber Zeit darin investiert, die Mitarbeiter auf dem Weg zu dieser neuen Arbeitsorganisation zu begleiten. Eines der größten Hindernisse war hierbei, die bisherige handwerkliche Sichtweise abzulösen, weil die Mitarbeiter sonst „am System vorbeiarbeiten“.
Heute wird für jeden Mitarbeiter ein Tagesarbeitskonto vorgegeben, das alle zu erledigenden Aufgaben auflistet. Anfangs gab es Irritationen, weil das Konto am Ende des Tages leer war. Inzwischen arbeiteten die Mitarbeiter aktiv darauf hin, „ihr“ Konto bis zum Abend leerzubekommen. Die Meister suchten bei Problemen mit dem Abteilungskonto nach Lösungen oder schalteten erforderlichenfalls die Betriebsleitung ein. Bei ihnen musste man Verständnis dafür wecken, dass Entscheidungen und Maßnahmen konsequent und ohne Ausnahme über das ERP-System abzuwickeln waren und Eigenmächtigkeiten nur zu Störungen führen.
„Die dadurch verbesserte Termintreue wurde von den Kunden sehr positiv aufgenommen“, freut sich Thomas Kaysser. In den letzten zwölf Monate sei es gelungen, die Lieferperformance von 75 auf 95 % zu steigern. Die Kundschaft reagierte mit einem erheblichen Anstieg des Bestellvolumens, was vorübergehend sogar zu einem Absinken der Lieferperformance auf nur noch 91 % führte. Inzwischen verzeichne man einen Wiederanstieg. Die 95 % seien wieder in greifbarer Nähe. •
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