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Mit oder ohne Aura

IT-Zukunftsstudie: So kommunizieren wir in 25 jahren
Mit oder ohne Aura

Mit oder ohne Aura
Alles eine Frage der digitalen Aura: Ob jemand in der Nähe ein Auto zu verkaufen hat oder vielleicht gerade Juwelen braucht, wird in Zukunft vielleicht das Handy wissen Bild: Deutsche Telekom
In einer Delphi-Studie haben über 400 Spezialisten ihre Einschätzung über die digitale Zukunft abgegeben. Die Mehrzahl der bewerteten Thesen bliebe nicht ohne Folgen für die Wirtschaft – im positiven oder negativen Sinne. Es ist aber auch von neuen Märkten die Rede.

Im Café plaudert eine junge Frau mit ihrer Begleiterin. Sie ist völlig ins Gespräch vertieft, als der Gast am Nachbartisch sie anspricht, weil er ihr Auto kaufen möchte. Woher er das weiß? Ihre digitale Aura hat es ihm verraten.

Dass uns in Zukunft so eine Wolke von Informationen überallhin begleiten könnte, codiert von elektronischen Geräten am Armband oder in der Aktentasche, ist zunächst nur eine These. Genau genommen, eine von 35 Thesen, die Fachleute für eine Untersuchung des Karlsruher Fraunhofer-Instituts für System- und Innovationsforschung bewertet haben. Diese Delphi-Studie sollte Aufschluss darüber geben, wie wir wohl in 25 Jahren kommunizieren werden.
Die digitale Aura sehen die Experten dabei eher skeptisch. „Codierte Präferenzprofile“, wie die Datenwolken aus technischer Sicht auch bezeichnet werden, führten unweigerlich zum gläsernen Menschen. Dementsprechend meinen gut zwei Drittel der Fachleute, dass die Fragen des Datenschutzes das größte Hindernis für die digitale Aura seien und hier noch viel getan werden müsse. Knapp die Hälfte bezweifelt aber auch, dass sich die technischen Probleme dahinter lösen lassen – und manch einer fragt sich, wer denn überhaupt davon träumt, dass die Technik in seiner intelligenten Umgebung auf alle Wünsche und Emotionen reagiert.
Wie das bei Delphi-Studien so ist, gab es weder zur Aura-Frage noch zu den anderen Thesen ein klares Ja oder Nein. „Eine Delphi-Studie kann keine Vorhersage sein“, erläutert Dr. Simone Kimpeler, eine der Autorinnen. Aber Trends zeichnen sich bei hunderten von Antworten natürlich ab. Sie sind es auch, deretwegen das Fraunhofer ISI diese Art der Zukunftsforschung betreibt. „Was wir in der Studie erfahren haben, ist einer der Bausteine für konkretere Szenarien, die wir demnächst publizieren wollen“, sagt die Karlsruherin. Bis Ende des Jahres laufen noch die Arbeiten an einer Roadmap für den Standort Baden-Württemberg. Gefragt sein werden voraussichtlich IT-Anwendungen, die über die Grenzen von Branchen hinweg eingesetzt werden können. „Das Thema Sicherheit von und durch IT ist hier wegen der globalen Entwicklung sicher zu nennen“, so Kimpeler. Aber auch Blogs könnten eine größere Rolle spielen, wenn beispielsweise die künftigen Nutzer schon früh die Gelegenheit bekommen, mit den Entwicklern über das Internet in Kontakt zu kommen und diesen ihre Wünsche mitzuteilen. Diese und weitere Beispiele wollen die Forscher in Szenarien beschreiben, die für Wirtschaftsunternehmen von Nutzen sein könnten, um ihre eigene Strategie zu entwickeln.
Ein Aspekt, den die Studie beleuchten sollte, war aber auch die Sensibilität der Experten für das, was ihre Entwicklungen bewirken könnten. Technikern werde ja oft vorgeworfen, sich nur für das Machbare zu interessieren, berichtet Kimpeler. „Es war gut, vor allem auch an den individuellen Kommentaren zu sehen, dass die Experten sich sehr wohl mit der Frage befassen, was für die Gesellschaft wünschenswert oder auch ökonomisch sinnvoll sein könnte.“
Der Einsatz von Datenhandschuhen und -brillen wie auch Retina-Displays – nach deren Perspektiven die Studie fragte – sei ein gutes Beispiel für die kontroverse Diskussion. Ein Retina-Display beispielsweise könnte ja nicht nur zum Heilen einer Krankheit genutzt werden. Mit einem ins Auge implantierten Chip wäre nicht mal mehr ein Bildschirm erforderlich, um sich Firmendaten vor Augen zu führen oder den aktuellen Pulswert beim Sport zu kontrollieren.
„Die Kommentare dazu waren sehr unterschiedlich, sowohl in der positiven wie in der negativen Richtung“, sagt Kimpeler. Was den Einzug solcher Technik in den Alltag angeht, sind die Experten für die nahe Zukunft denn auch noch skeptisch. Aber in gut zehn bis 15 Jahren könnten sich rund 80 % den Datenhandschuh als verbreitetes Modeaccessoire vorstellen – was nicht nur ein neuer Markt für IT-Produkte wäre, sondern wegen hoher Stückzahlen und niedriger Preise auch weitere Anwendungen erschließen könnte.
Manche der abgefragten Thesen sind dem Alltag aber näher: So muss vielleicht bald niemand mehr auf die Palme gehen, weil eine penetrant höfliche Stimme erklärt: „Ich habe Sie nicht verstanden. Bitte wiederholen Sie die Eingabe.“ Keine zehn Jahre soll es dauern, bis Spracherkennungssoftware einer Trefferquote von 100 % näher rückt und dann auch untrainierte Sprecher und solche mit Dialekt versteht. Die hohen Trefferquoten werden vor allem für Anwendungen in Operationssälen interessant sein, denn dort sind 10 % Fehler – was den aktuellen Werten entspricht – inakzeptabel.
Den Quantencomputer – heut noch ein theoretisches Konzept – hatten die Karlsruher ebenfalls auf ihre Liste gesetzt. Diese weiterentwickelte Rechnertechnik, die auf den Regeln der Quantenmechanik beruht und Mikrophysik und Computertechnnik verbinden soll, wäre für aufwendige Simulationen von Vorteil, da viele Berechnungen parallel laufen könnten. Wer darauf brennt, ihn zu nutzen, muss allerdings mit dem Satz „Besser spät als nie“ vertröstet werden. Wegen technischer Hemmnisse und hoher Kosten wird daraus wohl vor 2022 nichts werden. Allerdings müsste sich die Gesellschaft auf eine Entwicklung dieser Art vielleicht noch besser vorbereiten. Bislang rechnen 38 % der Befragten damit, dass es wohl Probleme geben dürfte, für die Benutzung solcher Supercomputer geeignetes Fachpersonal zu finden.
Dr. Birgit Oppermann birgit.oppermann@konradin.de

Zur Studie
In der zweistufigen Delphi-Studie sind die Einschätzungen von über 400 Personen berücksichtigt worden. Sie haben 35 Thesen zu den zukünftigen Informations- und Kommunkationstechniken bewertet, die Forscher vom Fraunhofer ISI gemeinsam mit Partnern aufgestellt haben. Unter anderem war die Meinung zur technischen Machbarkeit und den Auswirkungen auf Gesellschaft, Wirtschaft und Leben gefragt. Die aktuelle Studie ist die dritte Untersuchung – ihr gingen Befragungen zu IT und Gesellschaft sowie zu IT und Gesundheitsbereich voran.
Weitere Informationen und Down-load der Ergebnisse:
https://www.wirtschaft-suedwest.de/uploads/media/FAZIT_Delphi3.pdf

Für die Wirtschaft relevant
Einige Thesen, die in der Delphi-Studie bewertet wurden, wirken sich besonders auf die Wirtschaft aus. Wann damit zu rechnen ist, zeigen die angegebenen Jahreszahlen.
Um 2014
Software kommt aus Brasilien, Russland, Indien oder China, selbst wenn die Hardware aus Deutschland ist.
Um 2015
Software wird vor allem für Embedded Systems geschrieben.
Um 2016
  • Open Source wird wichtiger als kommerzielle Software.
  • Software für Standardaufgaben kommt vor allem von lokalen Firmen.
  • Embedded Systems werden bedeutender als herkömmliche PC-Systeme.
  • Software wird vor allem für Simulationen entwickelt, um teure Experimente abzulösen.
  • IT wird für Gesundheit, Wellness und Tourismus gebraucht – es kommt zu einem neuen Boom.
Um 2017
  • Einweg- und Wegwerfelektronik zu Cent-Preisen machen Bauelemente günstig.
  • Verborgene IKT-Systeme nutzen Funketiketten, intelligente Endgeräte agieren eigenständig („Evernet“).
  • Die Industrie einigt sich auf Standards für Schnittstellen, so dass sich Computer, Fernseher oder Video herstellerübergreifend verständigen.
Um 2018
  • Neue Methoden machen die Softwareentwicklung doppelt so schnell.
  • Siliziumbasierte Speicher und Prozessoren sind bis zu den Grenzen des technisch Machbaren miniaturisiert.
  • Mobile ITK-Geräte sind mit hocheffizienten und sicheren Energiespeichern ausgestattet.
Um 2019
Mehr als die Hälfte der kleineren und mittleren Unternehmen nutzt semantische Technik: Maschinen verstehen sprachlich erteilte Aufträge.
Um 2020
Mikroelektronik nutzt neue, biologisch inspirierte Verfahren und Prinzipien für Speicher und Prozessoren.
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