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„Jeder einzelne Posten muss mit einem Preis versehen sein“

WZL-Direktor Prof. Günther Schuh erläutert, wie sich der Formenbau aus der Preisspirale befreien kann
„Jeder einzelne Posten muss mit einem Preis versehen sein“

„Jeder einzelne Posten muss mit einem Preis versehen sein“
„Die Dienstleistung darf nicht länger Teil des Werkzeugs sein. Das Werkzeug muss Teil der Dienstleistung werden.“ Bild: IPT
Werkzeug- und Formenbauer müssen ihre Leistungen und deren Wert besser kommunizieren, sagt Prof. Günther Schuh. Er ist Direktor des Werkzeugmaschinenlabors (WZL) der RWTH Aachen und des Fraunhofer-Instituts für Produktionstechnik (IPT) in Aachen.

Herr Professor Schuh, die Auftragsbücher der Werkzeug- und Formenbauer sind wieder voll, aber viele Betriebe klagen über die schlechten Margen. Was lässt sich tun?

Auch wir hören immer wieder: Trotz unserer viel gelobten Leistungen bekommen wir zu wenig bezahlt. Meine Antwort darauf: Vermittelt den Kunden den Wert Eurer Leistungen. Viele Betriebe listen zwar in ihren Angeboten auf, was sie bieten, geben aber nur einen Gesamtpreis an. Weil für den Kunden der Wert der einzelnen Leistung so nicht transparent ist, nimmt er ihn nicht wahr. Er realisiert nur, hier kostet mich das Werkzeug erheblich mehr als im Ausland. Dass er vielfach – im übertragen Sinn – ein Mittelklasse- oder Premiumfahrzeug mit einem Kleinwagen vergleicht, ist ihm nicht klar. Viele Leistungen, die für heimische Formenbauer selbstverständlich sind, können ausländische Billigunternehmen gar nicht anbieten. Aber nur, wenn diese Leistungen einen eigenen Preis haben, kann der deutsche Anbieter sie aus seinem Angebot herausrechnen und so dem Kunden zeigen: Wenn Du auch bei mir mit einem Kleinwagen zufrieden bist, ist mein Preis nicht höher – zumindest nicht so viel, dass sich der höhere Aufwand der Beschaffung im Ausland lohnt.
Sie werben für den Ausbau des Dienstleistungsangebots im Werkzeugbau. Würden die Kunden das honorieren?
Ich bin mir sicher, dass sie das honorieren – vorausgesetzt es gelingt, die Leistung richtig zu kommunizieren. Die Bepreisung ist ein Marketingproblem, mit dem alle kämpfen, die ein komplexes, Problem lösendes Produkt anbieten. Der Kunde eines Formenbauers will kein Werkzeug, sondern eine Problemlösung. Dafür muss der Special Tooler eine Reihe von Pflichtleistungen erbringen. Wenn er diese aber nicht kommuniziert, hat er auch keine Chance, sie bezahlt zu bekommen.
Das heißt, im Angebot müsste jede einzelne Leistung einen eigenen Preis haben?
Genau. Im Werkzeug- und Formenbau gibt es rund 30 Standard-Dienstleistungen. Davon werden heute acht bis zehn bezahlt. Etwa 20 ließen sich aber mit Sicherheit berechnen. Der Unterschied zwischen den acht und den 20 ist beträchtlich, weil es sich dabei um die größten Kostenfaktoren handelt. Die Dienstleistung darf nicht länger Teil des Werkzeugs sein, das Werkzeug muss Teil der Dienstleistung werden. Heute werden keine Produkte mehr verkauft, sondern Leistungssysteme – die Kombination aus Produkt und diversen Zusatzleistungen. Hier ist die Psychologie des Verkaufens gefragt. Die Automobilhersteller machen das sehr gut. Ein günstiges Basisangebot ermöglicht den Gesprächseinstieg, clevere Optionen machen den Mund wässrig und wecken Begehrlichkeiten. Grundsätzlich sollte man technologische Besonderheiten, die andere nicht beherrschen, immer gesondert aufführen und bepreisen. Auch von der Bauindustrie können Formenbauer hier einiges lernen. Dort gehört es zur Tagesordnung, ein günstiges Grundangebot abzugeben und durch Zusätze und Nachträge den Preis zu steigern. Um das zu erreichen, muss der Werkzeugbauer seine Angebote systematisieren und strukturieren.
Wie lässt sich das machen?
In drei Schritten. Erstens: Auflisten aller Leistungen. Zweitens: Bepreisen der Leistungen, festlegen, wer sie erbringen soll, sowie ermitteln von Zeit- und Kostenaufwand. Und drittens: Einbringen dieser Positionen in die Vergabeverhandlungen. Dieses Vorgehen ist nicht nur ein probates, sondern auch ein schnell wirkendes Mittel im Preiskampf. Wie gesagt, viele Leistungen können ausländische Billiganbieter schon allein wegen der Entfernung nicht bieten – kurzfristige Hilfestellungen oder ein effizienter Service sind kaum möglich, die Abstimmung komplexer Sachverhalte aufwendig. Zudem fehlt oft das nötige Prozesswissen.
Ist die externe Kommunikation also die Lösung im Preiskampf?
Sie ist ein Teil der Lösung, reicht allein aber noch nicht. Es besteht auch ein direkter Zusammenhang zwischen der Bepreisbarkeit von Leistungen und der internen Kommunikation. Die eigenen Mitarbeiter müssen verinnerlicht haben: Jede Leistung hat ihren Wert, Verschwendung von Ressourcen können wir uns nicht leisten. Und noch etwas muss sich ändern: Die meisten Formenbauer sind – zu Recht – stolz auf ihre Werkzeuge. Dienstleistungen dagegen sind ungeliebte Stiefkinder. Ich verwende gerne ein Bild: Billiganbieter – egal aus welcher Region – sind wie Vampire, die sich in unseren Kunden festbeißen. Dienstleistungen sind der Knoblauch, mit dem wir diese Vampire von unseren Kunden fern halten können.
Der Aufwand für Serviceleistungen ist mitunter schwer einzuschätzen. Besteht nicht die Gefahr, dass die Kosten höher ausfallen als der Erlös?
Hier sind Managementqualitäten gefragt. Wenn ich nicht unabhängig von der Preisstellung plane und koordiniere, wie soll ich dann vernünftig arbeiten? Ohne Projektmanagement geht´s weder in kleinen noch in großen Unternehmen. Ohne Planvorgaben fehlen mir die Stellschrauben, um meinen Prozess zu optimieren. Warum also nicht zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen? Eine Gefahr sehe ich eher aus einer anderen Richtung. Wenn man zu schnell zu viele Dienstleistungen anbietet und sie bepreist, steigt ihr Wert auch intern. Die Betriebe müssen darauf achten, ihre Kosten nicht durch zusätzliche hoch qualifizierte Mitarbeiter in die Höhe zu treiben, ehe sie die Preise am Markt durchgesetzt haben. Zuerst müssen sie ihr aktuelles Angebot wertgerecht vermarkten. Im zweiten Schritt gilt es dann zusätzliche Leistungen anzubieten und mehr Kompetenz aufzubauen.
Und das funktioniert?
Es gibt Beispiele sehr erfolgreicher Unternehmen, die sich vom Werkzeug- und Formenbauer zum Berater und Dienstleister entwickelt haben. Das eigentliche Werkzeug ist nur noch ein Teil ihrer Leistung. Mit dem reinen Werkzeug gelingt es – wenn überhaupt – nur mühsam, ordentliche Margen zu erzielen. Ein modulares Optionspaket gibt dem Kunden zudem die Möglichkeit, genau die Leistungen auszuwählen, die ihm einen Mehrwert bringen. Weil er andere, für ihn nutzlose Optionen nicht bezahlen muss, wird das Werkzeug für ihn preiswerter.
Viele Werkzeugbauer bieten bereits eine ganze Reihe von Leistungen an. In welche Richtung kann oder muss sich ihr Angebot weiterentwickeln?
Bisher leisteten die Formenbauer einen Innovationsbeitrag, sie halfen Zeit zu sparen oder die Komplexität von Werkzeugen und Produkten zu reduzieren. Zukünftig heißen die Themen Produktivität, Verfügbarkeit und vermeiden von Wechselkosten.
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