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Siegfried Hänchen

Köpfe der Industrie
Siegfried Hänchen

Siegfried Hänchen
Nach beinahe drei Jahren schwerster Krankheit starb Siegfried Hänchen am 2. Dezember 2011 im Alter von 78 Jahren. Bis Ende 2008 war er geschäftsführender Gesellschafter der Herbert Hänchen GmbH & Co. KG in Ostfildern/Ruit mit etwa 200 Mitarbeitern. Angefangen bei seiner Mitwirkung an der Konstruktion des ersten Hydraulik-Zylinders im väterlichen Betrieb 1951 bis zum Eintritt in den Ruhestand hat er den Bereich der Fluidtechnik geprägt wie wenige.

Noch mehr als für Hydraulik interessiert er sich aber für Menschen: „Mensch sein, Mensch bleiben“, das steht wie eine Überschrift über über seinem Leben. So las der Verstorbene Biografien von Konrad Adenauer ebenso gerne wie die von Carl Benz, Gottlieb Daimler oder Ernst Heinkel. Ihn faszinierten Menschen als Gegenüber, die für den Verstorbenen immer wieder ein noch spannenderes Neuland waren als die Technik, die ihn ein Leben lang begeisterte.
Am 4. August 1933, dem Geburtstag von Siegfried Hänchen, beschäftigte sich sein Vater Herbert Hänchen im schlesischen Penzig bereits seit 8 Jahren mit Kolben und Zylindern von Kraftfahrzeugen. Damit hatte Siegfried Hänchen 1951 bereits eine Grundlage für den ersten Hydraulikzylinder, den er noch vor dem Beginn seines Maschinenbau-Studiums 1956 bis ’60 in Esslingen konstruierte. Vorausgegangen waren Flucht und Vertreibung: Gegen Kriegsende wurde die Produktion nach Naumburg an der Saale verlagert. 1950 waren in dem Familienbetrieb bereits wieder 30 Mitarbeiter mit der Feinbearbeitung von Metall beschäftigt. Unter ihnen befand sich der Lehrling Siegfried Hänchen. Doch Demontage, Enteignung durch die SED und die Flucht in letzter Minute vor einer Verhaftung des Firmengründers durch die DDR-Diktatur machten jeden Erfolg zunichte.
Mittelos in Ruit bei Stuttgart angekommen, arbeitete der Vater anfangs als Lagerist und die Mutter als Buchhalterin. Doch die Techniker- und Unternehmer-Familie wollte wieder auf eigenen Füßen stehen. Nach Feierabend und an den Wochenenden wurden für Firmen im Umkreis Honarbeiten an Motorrad-Motoren und Maschinenbauteilen durchgeführt. Bereits ein Jahr später wurde die Lohnarbeit in einer Scheune wieder zur Lebensgrundlage. Und 1953 verkaufte Hänchen den ersten Hydraulik-Zylinder.
Während seines Studiums kamen dann Zylinder für Landmaschinen ins Programm: Funktionssicher und nicht unnötig kompliziert. Als Leiter der Konstruktion und nach dem frühen Tod des Vaters 1968 als Geschäftsführer wurden unter seiner Leitung neue Leistungsdimensionen in der Hydraulik erreicht: Hydraulik-Zylinder mit bis zu 40 m/s Geschwindigkeit bei einer Beschleunigung von bis zu 1000 g, mit 400 Hz geregelter Sinusschwingung und 1000 Hz bei undefinierten Schwingungen oder mit einem Wartungsintervall von 1 Milliarde Lastwechseln bei einer Last von 40 t unter den äußerst rauen Umweltbedingungen in der Stahlverarbeitung sprechen ihre eigene Sprache.
Der Wandel zum heutigen Unternehmensprofil der Firma Hänchen war ein langer Weg, den Siegfried Hänchen in besonderer Weise prägte: Dabei blickte er dankbar auf seinen Vater zurück, der ihn früh forderte und durch große gestalterische Freiräume auf die spätere Verantwortung als Maschinenbau-Unternehmer vorbereitete.
Eine Grundlage für den kontinuierlichen Erfolg war die konsequente Präsentation des Unternehmens auf Maschinenbau-Messen, erstmals 1957 als Aussteller auf der Hannover Messe Industrie. Es folgte der Eintritt in den VDMA. Weit über sein Unternehmen hinaus wirkte er durch sein Engagement in den Normungsgremien für DIN, ISO und CETOP sowie als Mitglied des Vorstandes der Fachgemeinschaft Fluidtechnik im VDMA. In der Gremienarbeit kam Hänchen seine Einstellung zugute: „Man darf nie eine Tür zuschlagen, sondern muss immer im Gespräch bleiben.“ So konnte er auch in schwierigen Situationen wichtige Beiträge zu guten Lösungen leisten.
Sein Engagement prägt das Unternehmen bis heute: „Ich wollte vorne mitmachen!“ So unterstrich es der Hydrauliker deutlich. „Deshalb haben wir uns immer wieder den Anforderungen von Zylindern für Spezialanwendungen gestellt und decken so die ganze Spannweite vom Normzylinder bis zum speziell entwickelten Sonderzylinder ab.“ Mit dieser Strategie war Hänchen mehr als erfolgreich.
Für den Verstorbenen war immer entscheidend, dass die Unternehmensentwicklung organisch erfolgte. Denn „das menschliche Beziehungsgeflecht in einem Unternehmen wächst langsam und ist schnell zerstört. Das gilt insbesondere für das Vertrauen“, so betonte er immer wieder. Dieses Vertrauen in Menschen war zentral für seine Führungskultur, die zugleich durch eine manchmal rastlose Ungeduld gekennzeichnet war. Die bewusst konservative Personalpolitik des Verstorbenen stärkte gezielt das Vertrauen der Mitarbeiter. So gab es selbst in umsatzschwachen Zeiten keine betriebsbedingten Kündigungen, ein Engagement, das das Unternehmen bis heute prägt. Er kannte alle Mitarbeiter und begegnete ihnen auf Augenhöhe. Denn Überheblichkeit oder das Pochen auf formale Hierarchie waren ihm wesensfremd. Stattdessen setzt er auf vorbildliches Engagement, das bei ihm selbst, der Unternehmerfamilie und der erweiterten Unternehmensleitung begann. „Der Erfolg durch eine langfristige Werteorientierung kann nur in einem Familienunternehmen gelebt werden“, war er überzeugt. „Denn der Zwang zur kurzfristigen Rendite und die fehlende lebenslange Verantwortung für ein Unternehmen lassen eine solche durchgreifende und langatmige Struktur in Unternehmen nicht zu, die Kapital, Verantwortung und Führung trennen.“ In diesem Sinn führt die Familie sein Lebenswerk fort: Die Unternehmensleitung liegt derzeit in den Händen seines Bruders Hartmut Hänchen (68), seine Neffen Matthias und Stefan Hänchen und seine Nichte Tanja Hänchen wirken bereits heute als Vertreter der dritten Unternehmensgeneration als Prokuristen in der Unternehmensleitung mit.
Siegfried Hänchen zog zu seinem 75. Geburtstag das Fazit: „Ich bin in Schwaben angekommen, auch wenn ich nie Schwäbisch gesprochen habe.“ Doch sein Wunsch für den Ruhestand ging nicht mehr in Erfüllung: Mehr Zeit für ein harmonisches Miteinander in der Familie mit seiner Frau, den beiden Kindern und den Enkeln, Zeit für Freunde, Reisen sowie zum Lesen und endlich auch zum Fotografieren. Wenige Tage nach seiner Pensionierung Ende 2008 erkrankte Siegfried Hänchen schwer und findet nun im zur Heimat gewordenen Ruit seine letzte Ruhestätte
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