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„Kunden in Asien sind anspruchsvoll“

Round-Table-Gespräch zum Thema „Mittelstand – Erfolg in ASEAN“
„Kunden in Asien sind anspruchsvoll“

Standort | Südostasien bietet deutschen Mittelständlern riesige Chancen, aber auch Herausforderungen. Wir haben Chefs an den Tisch geholt und nach ihren Erfahrungen gefragt. §

Autor: Werner Götz und Dietmar Kieser

Im Asien-Pazifik-Raum bahnt sich durch die künftige Freihandelszone der ASEAN-Staaten eine wirtschaftliche Neuausrichtung an: Es entsteht ein bedeutender Binnenmarkt mit 600 Mio. Einwohnern. Deutsche mittelständische Unternehmen mit Wachstumsabsichten sollten deshalb frühzeitig handeln, um Fuß zu fassen.

Welche Strategie für den Markteintritt ist ratsam?
Bönsch: Vornehmlich große Konzerne aus USA und Europa sind unsere Kunden in Thailand, wo in Bangkok unser Hauptstandort für Südostasien steht. Zu der heimischen Industrie haben wir bisher nur begrenzt Zugang. Und von dieser kann nur eine Handvoll Kunden unsere qualitativ hochwertigen Produkte nutzen. Dass sich das irgendwann ändern wird, zeigt sich mit China, wo es ähnlich begann. Inzwischen sind rund 70 Prozent unserer Kunden chinesisch. Darauf muss man vorbereitet sein, indem man den Markt über die Transplants bereitet, verbunden mit einem hohen persönlichen Engagement in diesen Ländern. Jedenfalls wollen wir so schnell wie möglich nationalisieren.
Kegel: Das kann ich nur unterstreichen. In China hat die Entwicklung zum nachhaltigen, lokalen Markt von 1990 an keine zehn Jahre gedauert. Danach waren Unternehmen, die dort frühzeitig gestartet sind, in der Lage, einen Großteil ihres Umsatzes mit lokalen Kunden zu tätigen. Die neue ASEAN-Handelsregion wird sich nicht in zwei oder fünf Jahren entwickeln. Hierfür muss man in Dimensionen von zehn oder 15 Jahren denken. Es muss sich dort nicht nur ein freier Handelsraum entwickeln, sondern auch eine weitgehend politische Freiheit, um eine hohe Investitionssicherheit zu gewährleisten – was in Singapur als kleines Land in der Mitte dieses Zentrums der Fall ist. Deshalb wird es nicht ohne Investitionen und Geduld gehen.
Wilhelm: Geduld mitzubringen ist ebenso wichtig wie gute Mitarbeiter aufzubauen, was aber nicht ganz einfach ist. Nur ein regionales Management schafft die nötigen Kontakte zu Behörden und Kunden. Zudem braucht es neben verlässlichen lokalen Mitarbeitern besonders in Südostasien ein Netzwerk, das einen schneller zum Kunden und zur richtigen Person bringt.
Schmid: Bei uns Designern ist die Situation komplett anders. Die Asiaten wollen deutsches Design. Mit lokalen Mitarbeitern wäre das nicht möglich. Deshalb arbeiten wir von Ammerbuch aus mit speziell entwickelten Methoden, damit Kooperationen funktionieren und gewünschte Ergebnisse entstehen. Nachdem der Einstieg für uns recht schwierig war, haben wir zur Unterstützung einen Experten mit langjähriger Asienerfahrung zu Rate gezogen. Grundsätzlich muss es einem liegen, mit Asiaten zu arbeiten. Mir sind die Menschen dort sehr sympathisch, weshalb wir auch erfolgreich sind.
Eine ASEAN-Strategie nach dem Motto ,One size fits all‘ wird also nicht funktionieren. Was sind die größten Herausforderungen für ein Unternehmen, das investieren möchte?
Ping Bu Loke: In meinen Gesprächen mit mehr als 200 Unternehmen in Deutschland sahen diese im Zugang zu Talenten sowie im Employer Branding die größten Herausforderungen. Um dies gemeinsam zu lösen, haben sich in Singapur im April vier deutsche Hidden Champions zusammengetan. In einem Pilotprojekt bieten Pepperl+Fuchs, Rohde & Schwarz, Festo sowie Sick Studenten aus Singapur ein Duales Studium in Deutschland an. Das scheint mir der richtige Weg für Unternehmen außerhalb Deutschlands zu sein, um alle Potenziale voll auszuschöpfen.
Kegel: Dies unterstreicht das Bestreben Singapurs, auch die anspruchsvollen Arbeitsplätze auszubauen. Aktuell investieren wir dort 40 Millionen Euro in ein globales Distributionszentrum, das nicht nur die asiatischen Märkte abdecken, sondern auch Headquarter-Funktion übernehmen wird, indem dort die warenwirtschaftliche Kontrolle aller Gruppenbestände erfolgt. Für solche Aufgaben ist ein gestuftes Ausbildungssystem notwendig. In dem von uns mitinitiierten Projekt namens Poly-goes-UAS – letzteres steht für Universities of Applied Science oder Fachhochschule – suchen wir die Bewerber aus und bezahlen ihnen einen guten Teil der Ausbildung. Dadurch binden wir sie länger an unsere Unternehmen und können das Curriculum teilweise mitbestimmen. So haben wir die Gewissheit, dass die jungen Leute mehr lernen als den in den Hochschulen gültigen Standard.
Beteiligen sich auch Unternehmen aus Singapur daran?
Ping Bu Loke: Das deutsche berufsbegleitende Studium lässt sich nicht einfach übertragen. Deshalb sind wir mit deutschen mittelständischen Marktführern gestartet. Sie verstehen das System und können es sogleich umsetzen. Firmen aus anderen Ländern von der Notwendigkeit zu überzeugen, wird noch etwas dauern.
Gilt auch hier, dass die Ausbildung asiatischer Mitarbeiter länderspezifisch erfolgen muss?
Bönsch: Gewiss, die ASEAN-Staaten sind kein homogener Kulturraum wie Europa. Bei der Ausbildung gehen wir hier konservativ vor, indem wir die Mitarbeiter zu Trainings nach Besigheim holen. Die Vertriebler werden produkt- und markenseitig geschult. Zudem werden wir an unseren Standorten in Asien und Australien eine Art Lehrlingsausbildung betreiben, jedoch nicht nach deutschem Standard.
Kegel: Deshalb sind wir froh, dass Singapur uns auch bei der Ausbildungsförderung entgegenkommt. Weder China noch Indien bieten den Ausbildungsstand, der nötig ist, um eine Fabrik zu fahren oder zu leiten. Andererseits sind wir in den asiatischen Standorten so enorm gewachsen, dass wir bereits rückwärts gerichtete Information in Europa brauchen. Inzwischen entsenden wir Expatriates um zu erfahren, wie es die Asiaten machen, damit wir mit deren Tempo Schritt halten können. Mit diesem Know-how wissen wir dann, wie wir unsere Produkte designen müssen, damit sie perfekt in die dortigen Fertigungslandschaften passen. Interessanterweise lassen sich junge Leute sehr leicht dafür begeistern, vier oder fünf Jahre nach Singapur zu gehen.
Wilhelm: Die Qualifizierung für den Direktvertrieb in Asien erfordert eine Ausbildung, die teilweise bei uns in Deutschland erfolgt. Kunden in Asien wie etwa Volkswagen oder Bosch erwarten dort den gleichen Ausbildungsstand unserer Mitarbeiter wie in Europa oder Amerika. Beim Vertrieb über Agenten oder Distributoren ließe sich das nicht gewährleisten. Denn der Mitarbeiter steht für die Marken und muss das Know-how mitbringen.
Bönsch: In Asien sind die Kunden inzwischen anspruchsvoll. Sie verlangen Lösungen vergleichbar mit denen in Europa. Deshalb sind wir auch dort mit Produktionsstätten nah am Kunden. Grundsätzlich geht in Asien vieles sehr schnell, anderes dauert. Wie in Deutschland müssen die Kundenverhältnisse wachsen, was oft Zeit braucht.
Zeit, die sich viele Mitarbeiter oft nicht nehmen. Wie gehen Sie mit der hohen Fluktuation um?
Wilhelm: Wenn Mitarbeiter eine Perspektive haben und sehen, dass man sich in der lokal geführten Firma um sie kümmert und sie marktgerecht entlohnt, dann sind Südostasiaten sehr loyal. Eine Art „Mitarbeiterjahresgespräch“ findet deswegen fast jeden zweiten Tag statt.
Bönsch: Ein einziges formales Mitarbeitergespräch im Jahr gilt in Deutschland schon als modern. Bei einem derartigen Umgang rennen Ihnen in China die Leute davon. Da können wir von Asien einiges lernen.
Kegel: Wir haben festgestellt, dass Mitarbeiter sehr genau auf das Unternehmen und dessen Wirtschaftskraft schauen. Werden beispielsweise Überstunden angeboten, gilt dies nicht als Zwang, sondern als Offerte, etwas mehr verdienen zu können. Ist eine Firma nicht in der Lage, langfristig das Arbeitsangebot aufzubauen, suchen sie einen anderen Arbeitgeber. So kann es im Shopfloor schnell passieren, dass abteilungsweise gewechselt wird. Deshalb sollten Unternehmen in Asien die Wertschätzung ganz gezielt einsetzen. Je höher jemand durch Ausbildung nach oben kommt, desto einfacher wird dies. Die Menschen dort brauchen die permanente Ansprache und fordern sie auch ein.
Wilhelm: Grundsätzlich arbeiten Asiaten gern für ein deutsches Unternehmen. Wir sind auch von der Arbeitsweise relativ ähnlich: wir arbeiten mit Prozessen, Strukturen und Checklisten. Das liegt den Menschen dort. Dies kann man nutzen, gerade wenn es um Harmonisierung geht, wenn Niederlassungen zusammenzubringen und deren Kommunikation untereinander zu fördern sind.
Gilt dies auch für das Maschinendesign?
Schmid: Einerseits unterscheiden sich die Produkte im Rahmen der Globalisierung erheblich. Andererseits lehren uns PC und Smartphone, dass sich im Laufe der Zeit eine Verallgemeinerung einstellt. Gut möglich, dass sich dies auf die Industrie überträgt. Einem japanischen Kunden in Singapur haben wir aber empfohlen, beim Design auf Elemente zu setzen, die ein Stück weit die asiatische Herkunft mittragen. Für mich ist es die ehrlichere Variante zu zeigen, wo das Produkt herkommt und dennoch einem internationalen Standard gerecht wird.
Ping Bu Loke: Asiatische Kunden haben andere Anforderungen als europäische. Ein Beispiel: Auf dem Shopfloor ist das Ausbildungsniveau nicht so hoch wie in Deutschland. Da Fehler beim Maschinenbedienen verhindert werden müssen, wäre eine Maschine quasi mit nur einem Knopf wünschenswert. In Deutschland entwickelte Maschinen beinhalten indes ein Steuerungssystem, mit dem der Bediener in Asien nur schwer zurechtkommt. In diesem Fall ist eine lokale Präsenz in Singapur von Vorteil. Die dort gewonnenen Marktkenntnisse können genutzt werden, um die Produkte auf die Bedürfnisse asiatischer Kunden anzupassen.
Wie wichtig wird es, die Region als ganzes zu betrachten? Ein Ziel für Sie auf Sicht?
Wilhelm: Die Herausforderung ist es, diese Region zu standardisieren und näher an Europa heranzubringen. Hierfür müssen wir das Niveau entsprechend ausbauen und die Mitarbeiter fördern. Als Südostasienstandort haben wir uns für Bangkok entschieden, weil in Thailand die Kundennähe gegeben ist. Das muss aber nicht für alle Zeiten gelten.
Kegel: Mit seinen 4,4 Milliarden Menschen wird sich Asien deutlich schneller und weiter entwickeln als der amerikanische oder europäische Raum. Die Unternehmen tun deshalb gut daran, in Asien zu investieren. Pepperl+Fuchs ist 1979 nach Singapur gegangen. In den ersten zehn Jahren haben wir dort vorwiegend produziert, in den 90er-Jahren das Vertriebsnetz ausgebaut und nach der Jahrtausendwende den Sitz unseres Logistikhauptquartiers errichtet. Damit bildet Singapur das Manufacuring-, Logistik- und Vertriebs-Headquarter unserer Gruppe in Asien. Was Wertschöpfung und Marktrelevanz betrifft, rückt unser Zentrum ein ganzes Stück weiter in Richtung Asien – mit Singapur als Herzstück.
Bönsch: Jedenfalls müssen wir uns mit dem Thema der Regionalisierung auch aus Kostengründen befassen, angesichts des Overheads einer jeden Niederlassung. Das Verhältnis zwischen Mitarbeitern im Büro und jenen draußen vor Ort bei den Kunden ist ungünstig, was ich auf meinen Reisen immer wieder beobachte.
Kegel: Die Pro-Kopf-Umsätze dieser Organisationen liegen um den Faktor zehn unter denen in Deutschland. Kommt hierzulande ein Außendienstler auf einen im Backoffice, so ist in diesen Ländern mit Ausnahme von Japan das Verhältnis eins zu drei. Aufgrund der enormen Strecken, die oft zurückzulegen sind, ist der Proporz allerdings etwas unglücklich, da Kunden häufig von innen telefonisch betreut werden.
Bönsch: Was uns derzeit auch umtreibt, ist das Shared-Service-Konzept, das wir uns auch für Asien überlegen müssen. Hierfür könnte Singapur ein sehr interessanter Standort werden. Der Hintergrund ist, dass wir in allen Ländern, von Indien über Korea bis Japan, ein Backoffice betreiben müssen, mit SAP-Installationen, Servern und Kommunikationssystemen. Hierfür beschäftigen die Unternehmen in Asien mittlerweile ganze Heerscharen, die sich im Backoffice mit nichtwertschöpfenden Tätigkeiten befassen. Reichlich Potenzial, diese Leistungen zu bündeln und zu professionalisieren. Mit seiner Sprachenvielfalt bietet sich Singapur als Standort an. •

Die Teilnehmer
  • Dr. Christof Bönsch, Geschäftsführer Komet Group GmbH, Besigheim
  • Dr. Gunther Kegel, Geschäftsführer Pepperl+Fuchs GmbH, Mannheim
  • Jörg Wilhelm, Vice President Asia-Pacific, Mapal Dr. Kress KG, Aalen/Shanghai
  • Jürgen R. Schmid, Inhaber und Geschäftsführer, Design Tech, Ammerbuch
  • Ping Bu Loke, Centre Director Europe, Singapore Economic Development Board (EDB), Frankfurt/M.
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