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Smart Factory: Mittelstand fehlt klare Digitalisierungsvision

Industrie 4.0
Mittelstand fehlt klare Digitalisierungsvision

Mittelstand fehlt klare Digitalisierungsvision
Industrie-4.0-Lösungen finden sich heute meistens in den Bereichen Big Data/Analytics, Prozessoptimierung und Robotik. Bild: panuwat/stock.adobe.com
Ein Gesamtkonzept für die digitale Fabrik bildet bei mittelständischen Unternehmen nach wie vor die Ausnahme. Der Weg dorthin führt von den heutigen Insellösungen über ein digitales Zielbild. Dabei müssen die eingesetzten Technologien umfassend verändert, Strukturen gelebt und Fähigkeiten der Belegschaft neu entwickelt werden.

» Dietmar Kieser, stv. Chefredakteur Industrieanzeiger

Auf der Hannover Messe im Jahr 2011 stellten deutsche Forscher und Informatiker erstmals das Zukunftskonzept Industrie 4.0 vor. Die Vision: Miteinander vernetzte Maschinen sollen sich untereinander selbstständig organisieren, um selbst Losgröße eins zu den Kosten einer Serienfertigung realisieren zu können. Zwei Jahre später schlug an gleicher Stelle die eigentliche Geburtsstunde des Begriffs, als die maßgeblichen Branchenverbände Bundeskanzlerin Angela Merkel den Acatec-Abschlussbericht zu diesem Zukunftsprojekt vorlegten. „Inzwischen ist Industrie 4.0 ein Markenzeichen geworden für deutsche industrielle Innovationskraft“, sagte Dr. Gunter Kegel, Präsident des ZVEI, auf der Pressekonferenz des Branchenverbandes zum Start der digitalen Hannover Messe 2021.

Bei allem Erfolg des Konzepts hält Kegel, CEO des Automatisierungsspezialisten Pepperl+Fuchs, den Ball flach. Investitionen, die ausgelegt wären, für viele Jahre entsprechende Erträge zu erwirtschaften, könnten nicht in wenigen Monaten verändert werden. Vielmehr erfolge die Entwicklung evolutionär. „Trotzdem ist die Geschwindigkeit atemberaubend“, meint Kegel. Rückblickend habe sich viel verändert. Viele Geschäftsprozesse wären inzwischen digitalisiert. Allen voran bei Autokonzernen und großen Zulieferern, aber auch in der Luftfahrtindustrie und im Maschinenbau. Doch mehr und mehr Anwendungen würden nun auch in der Breite vollständig digitalisiert: vernetzt vom Shopfloor bis hoch in die Cloud. Deutschland, meint Kegel, sei in der industriellen Digitalisierung schon sehr weit gekommen.

Viele Digitalisierungsprojekte stecken noch in Frühphasen

Die vollständig digitalisierte Fabrik scheint im heimischen Mittelstand indes noch keine Realität zu sein. Die Analysten des Beratungsunternehmens Roland Berger haben ermittelt, dass rund zwei von drei Projekten im Bereich Industrie 4.0 noch nicht über die Planungsphase hinausgekommen sind. Oft gebe es in den Unternehmen nur Einzelanwendungen, die nicht optimal mit der Wertschöpfungskette verknüpft wären, bilanziert die neue Studie „NextGen production“. Die Unternehmensberater haben dazu Führungs- und Fachkräfte des Mittelstands aus fünf Branchen befragt, darunter der Maschinenbau sowie die Automobil- und die Automatisierungsindustrie.

Auch wenn sich gerade im Mittelstand der Hype um Industrie 4.0 inzwischen gelegt haben dürfte – geblieben ist die Einsicht, dass an der digitalen Fabrik kein Weg vorbeigeht. Dies zeigt, dass 70 % der Befragten in den kommenden beiden Jahren ihre Investitionen steigern wollen. Laut der Studie sind im Durchschnitt 20 bis 30 % der gesamten Investitionsbudgets für Digitalisierung vorgesehen.

„Obwohl die Digitalisierung in den meisten deutschen Unternehmen ganz oben auf der Agenda steht, existiert die digitale Fabrik bislang erst in Ansätzen“, sagt Oliver Knapp, Partner bei Roland Berger. In den meisten Fällen wären die existierenden Anwendungen einzelfallbezogene Lösungen, entwickelt für ganz spezielle Aufgaben. Hier fehle es an einer klaren Priorisierung und entsprechenden Strategien. „Damit lassen Mittelständler Potenzial ungenutzt, um ihre Abläufe zu optimieren und so ihre Position im internationalen Wettbewerb zu verbessern“, mahnt Knapp.

40 Prozent der digitalen Projekte existieren nur als Idee

Laut der Studie steht der Großteil der Industrie-4.0-Anwendungen noch ganz am Anfang im Umsetzungsprozess: 40 % der Projekte existieren demnach als Idee, 25 % befinden sich in der Planung. Entscheider sind vor allem skeptisch hinsichtlich der Profitabilität. Viele schrecken deshalb vor konkreten Maßnahmen zurück. Wo neue Technologien bereits verwendet werden, nennen die Befragten vor allem das Verbessern von Prozessen (64 %) und Senken von Kosten (44 %) als Haupttreiber für die Digitalisierung, gefolgt von Qualitätssteigerungen (24 %).

Die derzeit eingesetzten Industrie-4.0-Anwendungen fallen mit einem Wert von 25 % hauptsächlich in die Kategorie Big Data und Analysen, die sich auf künstliche Intelligenz stützen. Künftig soll ihr Anteil auf 29 % wachsen. Mit 23 % auf Rang zwei folgen heutige Projekte in den Bereichen anspruchsvolle Automatisierung und Robotik. Für die Zukunft wird ihr Anteil ebenfalls auf 29 % prognostiziert.

„Die erfolgreichsten Unternehmen sind heute schon die, die das Thema Digitalisierung in ihre bestehende Wertschöpfung integrieren und nicht als parallelen, separaten Prozess aufsetzen“, sagt Marc Bayer, Co-Autor der Studie. „Wollen Firmen bestehen, so Bayer, sollten ihre Ansätze alle Aspekte von den Produktionsanlagen über die Fähigkeiten der Belegschaft bis hin zu strategischen Forschungspartnerschaften miteinbeziehen.“

Die Berater empfehlen deshalb, über die heutige Insellösung hinaus ein klares übergreifendes digitales Zielbild zu entwickeln (siehe Kasten) als Kompass auf dem Weg zur digitalen Fabrik.

Kontakt:

Roland Berger GmbH

Sederanger 1

80538 München

Tel. +49 89–9230–0

www.rolandberger.com


Im Überblick

Bislang verfolgt die Digitalisierung in der Fabrik vor allem die Ziele, die Effizienz zu steigern, Kosten zu senken und die Qualität zu
verbessern. 


Zielbild der Digitalisierung

In der Studie „NextGen production“ entwickeln die Autoren von Roland Berger ein Zielbild, das anhand von fünf Dimensionen den Weg zur digitalen Fabrik vermittelt – mit Blick sowohl auf Technologie als auch Organisationsstruktur. Dazu gehört der Aufbau eines digitalen Ökosystems, das Netzwerke über die eigene Unternehmung hinaus definiert, die Digitalisierung der Produktionssysteme sowie der im Zentrum der Fertigung stehenden Werkstätte samt Belegschaft und Technologien.

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