Bislang waren Investitionen in Nachhaltigkeitsbestrebungen fast immer mit finanziellen Aufwänden verbunden, die die daraus resultierenden messbaren Mehrwerte deutlich überschritten haben. Nun fordern Stakeholder von den Unternehmen zusätzlich, dass sie einen positiven ökologischen und sozialen Effekt haben. Dadurch wird sich auch die Messbarkeit von Nachhaltigkeitsbestrebungen verändern. Wenn bei Unternehmensbewertungen oder Vergabeentscheidungen nicht mehr nur die finanzielle Komponente betrachtet wird, sondern gleichfalls die Nachhaltigkeit, gefährden Unternehmen mittelfristig ihre Wettbewerbsfähigkeit, wenn sie nicht heute beginnen, ihre eigene Nachhaltigkeit zu bewerten und zu optimieren.
Die deutsche Einzel- und Kleinserienfertigung sieht sich folglich mit der Herausforderung konfrontiert, ihr Leistungsportfolio sowie ihre Wertschöpfung nachhaltig zu gestalten. Viele Unternehmen stellt dies jedoch vor große Herausforderungen. Häufig sind sowohl die Messung von Nachhaltigkeit als auch die konkrete Auswahl von Maßnahmen zur Steigerung der eigenen Nachhaltigkeit, jenseits von der Verwendung erneuerbarer Energien, nicht hinreichend bekannt. Vor diesem Hintergrund hat das Werkzeugmaschinenlabor WZL der RWTH Aachen in Kooperation mit der WBA Aachener Werkzeugbau Akademie GmbH den Wettbewerbsfaktor Nachhaltigkeit als Differenzierungsmerkmal in der Einzel- und Kleinserie untersucht. In vier weiteren Beiträgen im Industrieanzeiger wird das entsprechende Zielbild (siehe Chart) im Detail vorgestellt.
Unternehmen brauchen Öko- und
Sozio-Effizienz
Die übergeordnete Dimension des Zielbilds stellt das Nachhaltigkeitsmanagement dar. Dieses überführt die nachhaltigkeitsbezogenen Anforderungen der Stakeholder in eine zukunftsgerechte Unternehmensstrategie und stellt deren Umsetzung sicher. Den ökologischen und sozialen Forderungen der Stakeholder steht dabei die traditionelle ökonomische Herausforderung des wirtschaftlichen Erfolgs gegenüber. Das einzelne Unternehmen muss daher einen „Business Case for Sustainability“ entwickeln. Ziel ist es, den Unternehmenswert bei gleichzeitiger Berücksichtigung von Forderungen nach Umweltschutz und Sozialmanagement zu steigern. So werden die Anforderungen an Öko- und Sozio-Effektivität durch die Stakeholder in eine Öko- und Sozio-Effizienz für das Unternehmen überführt.
Es bedarf eines strukturierten Prozesses zur Entwicklung und zum Controlling von Nachhaltigkeitszielen. Zunächst wird überprüft, inwieweit ein Unternehmen, basierend auf seiner aktuellen Nachhaltigkeitsperformance, die Kunden- oder Marktanforderungen erfüllt. Dies wird als strategischer Fit bezeichnet. Sodann werden die Stakeholder-orientierten Anforderungen identifiziert und gleichzeitig strukturiert bewertet, in welchem Ausmaß die Anforderungen der Stakeholder bereits adressiert werden. Basierend auf den individuellen Anforderungen sowie dem bewerteten strategischen Fit des Unternehmens gilt es, im zweiten Schritt Nachhaltigkeitsziele zu formulieren. Dabei werden zukünftige strategische Erfolgspositionen (SEP) in Bezug auf Nachhaltigkeit definiert, die das Unternehmen adressieren soll.
Nachhaltigkeitsziele formulieren
Die Realisierung der SEPs für den eigenen Betrieb erfolgt für die Unternehmen der Einzel- und Kleinserienfertigung in den Dimensionen Leistungsspektrum, Ressourcen, Prozess und Mitarbeitende.
- Das Leistungsspektrum beschreibt jegliche Art von Produkt, Dienstleistung oder Geschäftsmodell, mit denen der Betrieb seine eigene Nachhaltigkeit oder die Nachhaltigkeit des Kunden in der Nutzungsphase der Leistung erhöht.
- Die Ressourcen umfassen die Fertigungsressourcen, wie Fräs- oder Drehmaschinen, aber auch die Ge- und Verbrauchsmaterialien in der Fertigung.
- Die Optimierung der Unternehmensprozesse beschreibt die bereits heute in vielen Betrieben etablierte kontinuierliche Steigerung der Prozesseffizienz, wozu sich durch datenbasierte Ansätze jedoch neue Potenziale anbieten.
- Die abschließende Dimension Mitarbeitende umfasst eine Vielzahl von in der Regel weichen Faktoren, die die Mitarbeitenden in ihren Anforderungen hinsichtlich Sicherheit, Zufriedenheit und Perspektive unterstützen.
Wichtig ist, dass die Unternehmen der Einzel- und Kleinserie initial ein Verständnis für ihre eigene Nachhaltigkeitsbilanz und die zu erwartenden Veränderungen der Stakeholder-Anforderungen erzeugen.
Kontakt:
WBA Aachener Werkzeugbau Akademie GmbH
Campus-Boulevard 30
52074 Aachen
Tel. +49 241 990163–14
www.werkzeugbau-akademie.dee
Im Überblick
Das WZL der RWTH Aachen und die WBA Aachener Werkzeugbau Akademie haben den Wettbewerbsfaktor Nachhaltigkeit als Differenzierungsmerkmal in der Einzel- und Kleinserie untersucht.
Die Autoren
Die Autoren
Prof. Dr. Wolfgang Boos, Dr. Christoph Kelzenberg, Julian Boshof, Tim Graberg,WBA Aachener Werkzeugbau Akademie
Zur Serie und Studie
Die nachfolgenden Beiträge der Serie erläutern detailliert die hier beschriebenen vier Dimensionen des Zielbildes:
Leistungsspektrum (Ausgabe 10), Ressource (Ausgabe 14),
Prozess (Ausgabe 15) und Mitarbeitende (Ausgabe 18).
Darüber hinaus können die Inhalte der kostenlosen Studie „Wettbewerbsfaktor Nachhaltigkeit“ von WBA und WZL entnommen werden. In der Studie befindet sich eine Vorlage, um ein Kurzaudit eigenständig durchzuführen. Hierdurch erlangt das eigene Unternehmen einen grundlegenden Status quo der Nachhaltigkeit.