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Wirtschaftsmediation: Neue Perspektiven statt Schlagabtausch

Wirtschaftsmediation
Neue Perspektiven statt Schlagabtausch

Neue Perspektiven statt Schlagabtausch
Den Blick erweitern, wenn die eigentliche Ursache eines Konflikts im größeren Gesamtzusammenhang des Unternehmens zu suchen ist. Bild: wavebreakmedia/Shutterstock
Nicht selten mündet Konfliktmediation in eine Organisationsentwicklung, mit der die aufgedeckten Schwachstellen beseitigt werden.

Jochen Lorenz
Mediator, Konfliktcoach und Kommunikationstrainer in Heilbronn

Im Unternehmen entwickelt sich ein Konflikt zwischen zwei Kollegen, innerhalb eines Teams oder zwischen Abteilungen, der mehr und mehr die Zusammenarbeit lähmt. Wird nun eine Mediation beauftragt, muss zunächst in einem ersten Gespräch mit den Vorgesetzten geklärt werden, welche Art von Konflikt vorliegt. Geht es eher um ein zwischenmenschliches Problem oder gibt es Wirkungen aus Teilen der Firmenstruktur und hierarchische Abhängigkeiten, die den Konflikt begünstigen oder erzeugen?

Oft sieht es so aus, als ob eben nur zwei recht unterschiedliche Persönlichkeiten aufeinanderprallen. In diesem Fall beginnt die Mediation mit den Betroffenen. Es wird versucht, auf der fachlich-menschlichen Ebene die Themen und Hintergründe aufzuarbeiten, beidseitiges Verständnis für die Haltung des anderen zu entwickeln. Meistens gelingt es relativ rasch, solche Konflikte zu klären und geeignete Maßnahmen zu finden, die für eine Befriedung sorgen.

Manchmal zeigt es sich jedoch bei dieser Arbeit, dass die eigentliche Ursache des Konflikts im größeren Gesamtzusammenhang des Unternehmens zu suchen ist. Oft sind es etwa unklare Zuständigkeiten oder vor einiger Zeit umgesetzte Umstrukturierungen, die dann auf der Arbeitsebene zu Verwerfungen führen.

So ist es nicht verwunderlich, dass es zu Problemen kommt, wenn zum Beispiel einer von drei Bereichsleitern seinen Bereich zusätzlich als Abteilungsleiter in der Ebene darunter vertritt und sogar teilweise Aufgaben der unteren Arbeitsebene übernimmt. Oder es wurde erstmals eine Controlling-Abteilung installiert, die einige neue Regeln einführte. Einzelne Abteilungen sträuben sich nun dagegen, weil sie ihre alten Rechte und Entscheidungskompetenzen gefährdet sehen, andere passen sich perfekt an.

Auch Gegebenheiten im Firmensystem können Konflikte schüren

Sollte sich also vor oder während der Mediationsarbeit mit zwei Betroffenen oder einem Team herausstellen, dass der Konflikt neben der fachlich-zwischenmenschlichen Ebene auch noch angetrieben wird durch andere Gegebenheiten im Firmensystem, muss der Blick geweitet werden. Es gibt Fälle, wo zwei oder drei Führungskräfte miteinander um Zuständigkeiten konkurrieren, der Konflikt aber nur in der darunterliegenden Hierarchieebene sichtbar wird oder sich vor allem dort auf die Arbeit auswirkt. Erfahrene Mediatoren werden nun sorgfältig abklären und abwägen, in welcher Konstellation, das heißt mit welchen Beteiligten aus welchen hierarchischen Ebenen die weitere Konfliktbearbeitung erfolgen muss.

Vielleicht muss jetzt zunächst nur mit Teilnehmern aus der darüber stehenden Führungsebene geklärt werden, wie die Verhältnisse aus deren Perspektive aussehen. Es kann aber auch durchaus sinnvoll sein, dass jetzt die Mediation mit allen Betroffenen fortgesetzt wird, das heißt gemeinsam mit Arbeits- und Führungsebene. Dies hat den großen Vorteil, dass jeder alles hören und sehen kann, das System offen und ohne Versteckspiel bearbeitet wird. Natürlich erfordert es Fingerspitzengefühl, wenn es in der Mediation Teilnehmer aus unterschiedlichen Hierarchieebenen gibt, aber professionelle Mediatoren können dies leisten.

Das Ziel ist auch hier eine Kommunikation auf Augenhöhe und mit gegenseitiger Wertschätzung. Bei Mediationen mit mehreren Teilnehmern aus eventuell unterschiedlichen Ebenen, ist es sehr wichtig, bei den Dialogen auch noch ein paar zusätzliche Faktoren herauszuhören oder zu hinterfragen: Wird in dieser Arbeitsumgebung offen und klar genug kommuniziert? Wie ist der Umgang mit Macht? Gibt es informelle Machtstrukturen? Wie dürfen sich die einzelnen Persönlichkeiten in die Arbeit einbringen? Wie stark wird das gemeinsame Ziel in den Vordergrund gestellt?

Klärung der Schlüsselfrage steht ganz am Anfang

Über allem steht die eigentliche Schlüsselfrage (siehe Kasten), lange bevor man zur Suche nach Lösungen kommt: Wie sieht es aus mit Bedürfnissen des Teams, der Abteilung, des Unternehmens als Ganzes und wie sieht das bei allen Einzelpersonen aus? Wer braucht was? Mit Bedürfnissen sind hier Begriffe gemeint wie etwa Klarheit, Sicherheit, Offenheit und Effizienz. Wenn solche Bedürfnisse nicht ausreichend erfüllt sind, treten Unzufriedenheit und Ärger auf.

Was hier vielleicht noch recht einfach klingt, ist es in der Praxis oft nicht. Daher müssen Mediatoren neben Erfahrung in der Arbeit mit Gruppen auch einen möglichst vollen „Werkzeugkoffer“ mitbringen, um gezielt geeignete Methoden einsetzen zu können. Gelingt es damit, die Bedürfnisse zu klären, die hinter den vordergründigen Sichtweisen und Forderungen stehen, dann ergeben sich daraus im nächsten Schritt meist relativ leicht gute und von allen getragene Lösungsmöglichkeiten.

Unerfüllte Bedürfnisse soweit wie möglich befriedigen

Die Suche nach den Lösungsmöglichkeiten orientiert sich daran, dass die zuvor herausgearbeiteten, unerfüllten Bedürfnisse in den Blick genommen werden, um sie so weit wie möglich zu befriedigen. Hier können sich jetzt auch Ansätze ergeben, die eine Veränderung der Organisation an bestimmten Stellen beinhalten. Als Schlusspunkt der Arbeit werden nun die gesammelten Vorschläge besprochen und zu verbindlichen Vereinbarungen verdichtet und konkretisiert.

Charakteristisch für eine solche Konfliktarbeit ist, dass die Mediatoren sehr genau auf die Details achten, gleichzeitig aber auch das größere Ganze des Unternehmens im Blick haben müssen. Und so manche Konfliktmediation mündet in eine Organisationsentwicklung, mit der die aufgedeckten Schwachstellen beseitigt werden.


Die Schlüsselfrage

Wie sieht es aus mit den Bedürfnissen des Teams, der Abteilung, des Unternehmens als Ganzes und bei allen Einzelpersonen? Bedürfnisse sind beispielsweise

  • Klarheit (bei schlechter Kommunikation),
  • Sicherheit (bei Gerüchten über eine bevorstehende Umstrukturierung),
  • Offenheit (wenn kritische Äußerungen unerwünscht sind) und
  • Effizienz (wenn die Besprechungen viel zu lang dauern und zu wenig strukturiert sind).

Wenn solche Bedürfnisse nicht ausreichend erfüllt sind, treten Unzufriedenheit und Ärger auf.

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