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Personalstrategien in Theorie und Praxis

Human Ressources – Theorie und Praxis
Die Zukunftsfähigkeit einer Personalstrategie erkennen

Die Zukunftsfähigkeit einer Personalstrategie erkennen
Eine gute Personalpolitik in Unternehmen wird immer wichtiger. Eine falsche Herangehensweise birgt Risiken für die Zukunftsfähigkeit. Bild: Jacob Lund/stock.adobe.com
Gendergerechtigkeit, Work-Life-Balance, Familienfreundlichkeit, Diversität und die Gleichstellung der Geschlechter – mit der Formulierung ihrer HR-Visionen stecken sich viele Unternehmen ehrgeizige Ziele. Bei genauerem Hinsehen zeigt sich allerdings besonders in den sehr technisch geprägten Branchen dass in der Realität eher wenig von den hehren Plänen umgesetzt wird. Und das ist durchaus riskant.

» Dr. Eckart Eller, CEO El-Net Group

Wer auch in Zukunft über ausreichend gut und hervorragend qualifizierte Mitarbeitende verfügen möchte, muss schon heute moderne Unternehmenskulturen und Führungsstile etablieren und sie fest in den Organisationsstrukturen verankern. Vollmundige Ankündigungen und Versprechen, die niemals in der Realität ankommen, können sich nicht nur auf das Personalmarketing sehr negativ auswirken. Tatsächlich können sie auch die Innovations- und Zukunftsfähigkeit des gesamten Unternehmens gefährden. Deshalb lohnt es sich, die tatsächliche Situation und Gründe für die zögerliche Umsetzung von zukunftsfähigen Personalstrategien genauer zu untersuchen. Es gilt zu verstehen, warum etwa Frauen einerseits von den Unternehmen offensiv umworben werden und bei der Besetzung qualifizierter Positionen von technisch orientierten Fachabteilungen oft sogar zu Bewerbungsrunden eingeladen werden, anderseits die Wahl der Verantwortlichen am Ende aber häufig wieder auf einen männlichen Kandidaten fällt. Rein menschlich betrachtet ist dieses Verhalten absolut verständlich. Denn das Aufbrechen der eingespielten Homogenität in einem Team oder einer Abteilung kann tatsächlich für erhebliche Unruhe und Irritationen sorgen. Es ist wenig überraschend, dass Führungskräfte, die damit beschäftigt sind, vorgegebene Ziele zu erreichen, versuchen, solche Störfaktoren zu vermeiden. Strategisch kann eine solche Praxis allerdings zum echten Problem werden. Extrem frustrierend sind solche Entscheidungen außerdem sowohl für die betroffenen Kandidaten als auch für engagierte HR-Mitarbeitende, die ja die Aufgabe haben, mehr Diversität zu erreichen.

In diesem Interessenkonflikt zeigt sich deutlich, dass es nicht ausreicht, im HR-Bereich neue, modern klingende Positionen, wie Diversity Agent oder Diversity Manager, zu schaffen. Vielmehr gilt es, diese Positionen auch mit entsprechenden Einflussmöglichkeiten auszustatten. Zu häufig wird die HR-Abteilung nach wie vor als interner Dienstleister verstanden, der Vorgaben und Entscheidungen umsetzen soll, ohne selbst gestaltenden Einfluss zu haben.

Bewusstseinswandel kommt von oben

Dieses Verständnis zeigt sich nicht selten auch heute noch bis in die höchsten Hierarchieebenen. So wird etwa die Position des Personalvorstandes gern mit hochqualifizierten und kompetenten weiblichen Kandidaten besetzt. An strategischen Entscheidungen werden sie aber nicht beteiligt. Vielmehr wird ihre Aufgabe darin gesehen, die von den Vorstandskollegen beschlossenen Konzernumbauten und Transformationen möglichst geräuschlos und kostengünstig in die Tat umzusetzen. Auch klare Signale in die Organisation, wie zum Beispiel Vorgaben, in allen Abteilungen einen klar definierten Anteil der vakanten Jobs weiblich zu besetzen, bleiben häufig aus.

Die beschränkten Gestaltungsspielräume der HR-Verantwortlichen lassen sich aber auch daran erkennen, dass oft selbst für umfangreiche Transformationsprozesse kein entsprechendes eigenes Budget bereitgestellt wird. Wer aber gezwungen ist, mit seinen vorhandenen Bordmitteln sowohl die umfangreiche Tagesarbeit wie Personalverwaltung und -entwicklung zu bewältigen als auch zusätzliche Aufgaben wie Umstrukturierungen zu managen, wird naturgemäß schnell an seine Kapazitätsgrenzen stoßen. Eine proaktive Einflussnahme wird so verunmöglicht. In der Praxis führt das außerdem dazu, dass im HR-Bereich trotz der Komplexität der Aufgaben eher wenig Budget zur Nutzung der Expertise externer Berater und Fachleute zur Verfügung steht.

Das ist bedauerlich, denn wie sehr die Diversifizierung von Perspektiven und Lebensentwürfen Unternehmen nützt, haben unzählige Studien und Untersuchungen bewiesen. Insbesondere eine „echte“ Innovationsfähigkeit, die ein Denken über den Tellerrand der eigenen Branche hinaus verlangt, wird durch einen hohen Grad an Diversität unter den Mitarbeitenden nachhaltig befördert. Und auch die Vorteile der vielbeschworenen Agilität, die tatsächlich neue Führungsstile und eine neue Art der abteilungsübergreifenden und interdisziplinären Kooperation verlangt, ließe sich so erschließen.

Natürlich wirkt sich eine verfehlte Personalpolitik spätestens mittelfristig auf das Recruiting aus. Denn der Wettbewerb um qualifizierte Fach- und Führungskräfte wird auch in Zukunft weiter zunehmen. Wer im Rennen um die Besten vorn dabei sein will, muss deshalb eine starke und attraktive Arbeitgebermarke etablieren. Um das zu erreichen, genügt es aber schon längst nicht mehr, die von außen sichtbare Oberfläche zu polieren. In Zeiten von Social Media und Arbeitgeber-Bewertungsportalen, ist es für begehrte junge Leistungsträger:innen sehr einfach zu überprüfen, ob die nach außen propagierten Werte intern auch tatsächlich gelebt werden oder ob zum Beispiel Diversity-Verantwortliche tatsächlicher eher eine Feigenblattfunktion erfüllen.

Höchste Zeit, das Ruder rumzureißen

Den Worten und Gesten müssen deshalb echte Taten folgen. Es reicht zum Beispiel nicht gute Kandiaten zu gewinnen, sie sollten auch Weiterentwicklungsperspektiven aufgezeigt bekommen. Gerade bei Managerinnen sind vermehrte und intensive Gespräche notwendig. Ziel muss es sein, den häufig ja bereits formulierten Anspruch an Vielfalt und Gleichberechtigung fest in die Organisationsstrukturen zu implementieren. Neben klaren Zielvorgaben heißt das: der HR-Bereich muss mit Kompetenzen und finanziellen Mitteln ausgestattet werden, die es ermöglichen, mit den anderen Unternehmensbereichen auf Augenhöhe zu kooperieren. Auch die Qualifizierung und der Einsatz von „echten Transformationsmanagern“ aus dem HR-Bereich ist ein notwendiges Anliegen. Nur so kann es gelingen, dass das Personalmanagement seinen wertvollen Beitrag zur Weiterentwicklung des Unternehmens auch wirklich leisten kann.

Fazit

Obwohl sich viele große Unternehmen ehrgeizige Ziele zur Förderung und Gleichstellung von Frauen und zur Diversifizierung ihrer Mitarbeitenden auf die Fahne geschrieben haben, hapert es in vielen Fällen an der tatsächlichen Umsetzung. Eigens geschaffene Positionen oder symbolträchtige weibliche Stellenbesetzungen nutzen zwar – zumindest kurzfristig – der Außendarstellung, verfehlen aber oft eine nachhaltige interne Wirkung. Um echte Veränderungen zu erreichen, ist es wichtig, dass das angestrebte neue Bewusstsein auch auf den Top-Management Ebenen tatsächlich gelebt wird und dass die Relevanz der HR-Verantwortung durch entsprechende Befugnisse, Budgets und auch Gehälter untermauert und fest in die gesamte Struktur implementiert wird.

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