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Führung: Fehlerkultur basiert auf Vertrauen und Wertschätzung

Unternehmensführung
Fehler bieten die Chance zur Lösung

Scheinbar perfekte Führungskräfte können keine Fehlerkultur entwickeln. Dabei gilt: Je lebendiger die Fehlerkultur, desto mehr steigt die Qualität der Ergebnisse.

Jens Gieseler
Freier Journalist in Esslingen/N.

„Fehler werden Menschen logischerweise immer wieder passieren“, sagt Sebastian Schiegl, „aber möglichst nur einmal“. Der Stuttgarter Changemanager hat es mit der Administration und der Produktion im Maschinenbau sowie in der Automotive- und Elektronikbranche zu tun. Es gehe nicht darum, dass Fehler „böse“ sind, sondern Führungskräfte müssten ihren Mitarbeitern klarmachen, welche Auswirkungen diese Fehler haben. Wer die Wartung nicht zuverlässig erledigt und die Maschine wieder für die Produktion freigibt, verursacht eventuell einen Stillstand oder sogar einen Schaden an der Maschine. Diese Nachlässigkeit verursacht hohe Kosten.

Fehlerkultur basiert auf Vertrauen und Wertschätzung

Im HR-Report 2017 vom Institut für Beschäftigung und Employability und der Hays AG bezeichnen 80 % der Befragten den Umgang mit kritischen Themen als wichtigstes Thema der Unternehmenskultur. Die Etablierung einer Feedbackkultur wird von ihnen an vierter Stelle (67 %) genannt. Allerdings stellen Mitarbeiter ohne Führungsverantwortung fest, dass es an der Umsetzung hapert: Lediglich jeder Fünfte findet, dass tatsächlich mit kritischen Themen adäquat umgegangen wird. Und auch nur 37 % bestätigen einen gelungenen Umgang mit Feedback. „Fehlerkultur basiert auf Vertrauen und Wertschätzung“, sagt Frank Schabel, ohne diese gelebten Werte gebe es keinen offenen Umgang mit Problemen, sondern diese dienen ganz schnell als Schuldzuweisung. Der Hays-Sprecher stimmt Schiegl zu: Fehlerkultur muss von Führungskräften gesetzt werden, indem sie mit kritischen Themen offen umgehen und damit die Tür zu einer anderen Kultur öffnen.

Für Unternehmen, die auf Selbstorganisation oder Agilität setzen, ist Fehlerkultur unabdingbar. Die Methode Design Thinking arbeitet geradezu mit unperfekten Lösungen, die in vielen kleinen Schritten mit Testgruppen oder den Kunden verbessert werden. Erst auf diesem Weg entstehen Produkte, die besonders kundenorientiert sind, so die Theorie. Viele kleine Start-ups setzen auf diesen Weg, Dinge besser zu machen. Und sie sind häufig Gast auf sogenannten Fuckup-Nights, auf denen Sprecher über ihre größten Fehler sprechen und was sie daraus gelernt haben.

Intelligent und krachend scheitern

„Je lebendiger die Fehlerkultur, desto mehr steigt die Qualität der Ergebnisse“, sagt Schabel, denn die Mitarbeiter fühlen sich freier, können kreativer denken und handeln. Genau das passiert im Hotel Schindlerhof. Dort wird mit Champagner auf den Fehler des Monats angestoßen. Die rund
70 Mitarbeiter müssen allerdings schon intelligent und krachend scheitern, um die Trophäe zu gewinnen. Flüchtigkeitsfehler zählen nicht. „In unserem Unternehmen, in dem Kreativität ganz, ganz groß geschrieben wird, müssen Fehler passieren können“, begründet Klaus Kobjoll die interne Auszeichnung. Gerne erzählt der Inhaber von dem kleinen Wasserfall in seinem größten Tagungsraum. Eine Investition von einigen tausend Euro. Der sollte für mehr Luftfeuchtigkeit sorgen und außerdem stand er nach Feng-Shui-Gesichtspunkten in der Glücksecke. Wunderbar also. Nur, die Teilnehmer mussten allzu häufig auf Toilette. Der Wasserfall musste wieder raus. Heute steht dort ein Aquarium.

Kobjoll, der mit seinem Hotel Branchen- und Arbeitgeberpreise gewinnt, animiert seine Mitarbeiter zum Mitdenken und zur Eigeninitiative. Es geht um „Fehlerfreudigkeit, nicht um Fehlerhäufigkeit“, so das Credo der Unternehmerfamilie. Also um den Mut, Dinge und Abläufe frisch anzuschauen und zu verbessern. Dass jeder damit auch mal daneben liegen kann, nimmt der Buchautor für die langfristige Entwicklung des Betriebes in Kauf: „Inzwischen vergeben wir den Preis eher quartalsweise“.

Weg zur gesunden Fehlerkultur

„Führungskräfte müssen hinsehen“, sagt Schiegl, „sich immer wieder mit den Mitarbeitern an deren Arbeitsplatz unterhalten, Probleme aufgreifen und Lösungen umsetzen.“ So würden sie Wertschätzung und Vertrauen bei den Mitarbeitern gewinnen. Eine gesunde Fehlerkultur entstehe. Die führt etwa zu standardisierten Prozessen und Ordnung am Arbeitsplatz, eben um Fehlerquellen zu reduzieren. Simples Beispiel: Wenn Arbeitszeit vergeudet wird, in dem Arbeitsmittel bereitgestellt werden, dann fehlt diese in der Tagesleistung. Damit verspäten sich Terminabgaben oder Maschinen werden nicht konsequent gepflegt. Dadurch entsteht Unternehmen ein großer betriebswirtschaftlicher Schaden.

Führungskräfte müssen Fehlerkultur setzen

Bekommt Sebastian Schiegl einen neuen Auftrag, beschäftigt sich der Geschäftsführer allerdings in den ersten drei, vier Monaten vor allem mit den Führungskräften. Und bestätigt Schabels These: Fehlerkultur müsse von Führungskräften gesetzt werden. Denn sie und ihr Verhalten sind der größte Hebel für den Umgang mit Fehlern. Das Vorgehen wird für Mitarbeiter glaubwürdiger, wenn Führungskräfte eine Fehlerkultur vorleben. Das bedeutet für Schiegl: „Es muss unsere DNA sein, auf Fehler aufmerksam zu machen, sie konstruktiv zu lösen und die Nachhaltigkeit sicherzustellen.“ Er schätzt, dass 10 bis 15 % der Führungskräfte für diesen Prozess sehr offen sind. Allerdings gebe es auch eine ähnlich große Anzahl „harter Knochen“, die nicht mitgehen wollen. Entscheidend sei, die weiteren 70 % zu gewinnen. Seine optimistische Einschätzung: „Ein mittelständisches Unternehmen erreicht innerhalb eines Jahres messbare Verbesserungen.“

Sebastian Schiegl stellt fest, dass Mitarbeiter in der Produktion sich wesentlich leichter mit der Fehlerkultur tun, als ihre Kollegen in der Verwaltung. Denn sie werden seit Jahrzehnten an Kennzahlen gemessen, wie Produktivität, Ausschuss oder Stillstandzeiten. Entsprechend gehören unterschiedliche Methoden der Fehlervermeidung längst zum Standard. Und angesichts der zunehmend komplexeren Produktionsprozesse und anspruchsvollen Maschinenparks verschwinden schlichte „Knöpfedrücker“ aus den Produktionshallen. Geblieben sind geschulte und trainierte Fachleute, die ihre Maschinen auf immer kleinere Losgrößen einstellen können. Schiegl findet: „Sie benötigen Führungskräfte, die das richtige Maß im Umgang mit Fehlern finden und verstehen, dass der offene Umgang mit Schwierigkeiten bedeutet, wir haben die Chance zur Lösung.“

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