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Unternehmen machen sich attraktiv für kluge Köpfe

Führung in Teilzeit steigert Arbeitszufriedenheit
Unternehmen machen sich attraktiv für kluge Köpfe

Führungskraft sein, aber nur drei Tage die Woche am Arbeitsplatz – kann das klappen? Ja, sagen Experten, vorausgesetzt bestimmte Rahmenbedingungen werden beachtet.

Annette Neumann
Freie Journalistin in Kleinmachnow/Berlin

Ludger Schöcke arbeitet seit einigen Jahren aus gesundheitlichen Gründen rund 60 %. Der 50-jährige Leiter Personal- und Organisationsentwicklung der Marquardt-Gruppe aus Rietheim-Weilheim nahe Tuttlingen konzipiert Weiterbildungsangebote für Führungskräfte, die weltweit für das Unternehmen im Einsatz sind. Diese strategische Aufgabe lasse sich gut dosieren und auch vom Home Office aus steuern. Schöcke ist in seinem Unternehmen kein Einzelfall. Das international agierende Familienunternehmen stellt sich auf die Bedürfnisse seiner Führungskräfte ein, wohlweislich, dass gute Köpfe heutzutage rar sind. Rund 14 % der Mitarbeiter nutzen das Teilzeit-Angebot, darunter auf oberster Ebene auch zwei männliche Führungskräfte.

Noch fristet die Teilzeitführung in Deutschland jedoch ein Nischendasein, obwohl immer mehr Arbeitnehmer beruflich kürzer treten wollen, sei es zugunsten der Familie, der Gesundheit oder einer Weiterbildung. Trotzdem sind viele zögerlich, den Wunsch in die Tat umzusetzen, wie eine repräsentative Umfrage im Auftrag des Bundesfamilienministeriums ergab. Das gilt vor allem für Top-Führungskräfte; gerade Männer befürchten Vorbehalte und Widerstände im Unternehmen.

Präsenzkultur steht im Weg

Für Albert Kehrer, Diversity-Experte und Coach, liegen die größten Widerstände bei den Führungskräften der Führungskräfte: „Viele unter ihnen suchen nach wie vor nach der eiermilchlegenden Wollmichsau, obwohl sich Unternehmen diesen hohen Anspruch in Zeiten des Fachkräftemangels nicht mehr leisten können.“ Würden sie sich für dieses flexible Arbeitsmodell öffnen, stünde ihnen ein deutlich größerer Pool an Führungskräften, vor allem auch weibliche Führungskräfte, zur Verfügung. Stattdessen halte man an alten Strukturen fest, auch weil es schwer falle, die eigene Komfortzone zu verlassen und sich auf unsicheres Terrain zu begeben.

Ein weiterer Grund, warum sich Teilzeit in vielen Unternehmen noch nicht durchgesetzt hat: Die erwünschte Präsenzkultur mit für Führungskräften üblichen 60 Wochenarbeitsstunden und mehr. Dass diese Denke vielfach überholt ist, davon ist Dr. Anja Karlshaus, die an der Cologne Business School zum Thema Führen in Teilzeit forscht, überzeugt: „Gute Führungskräfte definieren sich nicht über ihre Unersetzbarkeit, sondern sie schaffen es im Gegenteil ihre Mitarbeiter durch entgegengebrachtes Vertrauen zu motivieren.“ Nach Ansicht von Albert Kehrer wird von Unternehmen häufig verkannt, dass auch Vollzeitmanager aufgrund von Geschäftsreisen oder der zunehmenden globalen und virtuellen Zusammenarbeit mit unterschiedlichen Zeitzonen nicht jederzeit erreichbar sind. Seiner Erfahrung nach bringen viele zudem eine hohe Selbstmanagementkompetenz mit und arbeiten mitunter effektiver als Vollzeitführungskräfte: „Wir brauchen eine Ergebniskultur in Unternehmen, die Menschen an ihrer Leistung und nicht an ihrer Anwesenheit misst“, ist er überzeugt.

Win-Win für alle Beteiligten

Will eine Führungskraft ihre Arbeitszeit reduzieren, bedarf es bestimmter Rahmenbedingungen: Mit Hilfe der Personalabteilung sollte der Stellenzuschnitt mit definierten Aufgaben und Verantwortungsbereichen klar definiert werden. Auch sollten von Anfang an die Beteiligten, also vor allem das Team der Führungskraft, einbezogen und transparent kommuniziert werden, wie sich die Arbeit organisieren lässt beziehungsweise wer welche neuen Aufgaben übernimmt und die Führungskraft in Abwesenheit vertritt. Kehrer: „Für das Team muss es klare Eskalationsstufen geben, wer wann welche Entscheidung treffen darf. Allerdings sollte der Chef der Führungskraft nicht in die Stellvertreterregelungen mit einbezogen werden.“

Reduzieren Führungskräfte ihre Arbeitszeit oder arbeiten mobil, verändert dies auch die Anforderungen an das Umfeld: Mitarbeiter werden in die Lage versetzt, Schritt für Schritt mehr Verantwortung zu übernehmen. Oftmals ist dabei die Herausforderung für die Führungskraft größer als für die Mitarbeiter. „Es gehört Vertrauen dazu, Verantwortung abzugeben, aber in Zeiten zunehmender Projektarbeit mit selbstorganisierten Teams sollten sich Führungskräfte im Loslassen üben“, sagt Kehrer.

Auch Arbeitgeberattraktivität steigt

Ein weiterer Vorteil dabei: Mitarbeiter eignen sich Schlüsselqualifikationen an, was sie für höherwertige Aufgaben qualifiziert und auch selbst auf eine Führungsrolle vorbereitet. Die Experten sind sich einig: Auch den Unternehmen nutzt es, wenn sie ihren Führungskräften Arbeiten in reduziertem Umfang ermöglichen: „Mitarbeiter, die entsprechend ihrer Bedürfnisse arbeiten, erzielen bessere Ergebnisse“, ist Ludgar Schöcke überzeugt. Was er aus eigener Erfahrung weiß, gibt er auch an mitunter skeptische Führungskräfte weiter: Dass es sich lohnt, in die langfristige Beziehung mit gut qualifizierten Mitarbeitern zu investieren, die es mit gesteigerter Motivation und Loyalität zurückzahlen. Anja Karlshaus ergänzt: „Die Möglichkeit, in reduzierten Arbeitszeitmodellen Karriere zu machen, steigert heutzutage nicht nur die Arbeitgeberattraktivität, sondern fördert auch die Bindung von hochqualifizierten Mitarbeitenden in bestimmten Lebensphasen. Durch konsequentes Delegieren von Fachaufgaben können sogar Kosten eingespart werden.“

Unternehmenskultur ist förderlich

Für Albert Kehrer steht und fällt die Akzeptanz des flexiblen Modells mit der klaren Willensäußerung von oben: „ Die Unternehmenslenker und auch HR-Verantwortliche müssen durch den Austausch mit der eigenen Peergroup, sprich Gleichgesinnten, erfahren, dass Führung in Teilzeit klappen kann.“ Förderlich ist zudem eine Unternehmenskultur, die Erfolgsgeschichten von Führungskräften kommuniziert, die flexibel arbeiten und trotzdem Karriere machen.

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