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Agile Werte- und Kompetenzentwicklung: Wappnen für die digitale Revolution

Agile Werte- und Kompetenzentwicklung
Wappnen für die digitale Revolution

Mit Blick auf die Digitalisierung der Arbeitswelt führen Unternehmen neue, agile Arbeitsmethoden ein. Umso mehr sind die Kompetenzen der Mitarbeiter zum selbstorganisierten Handeln gefordert. Heutige Laufbahn- und Seminarplanungskonzepte taugen nicht dafür. Das Corporate Learning muss zunehmend den Werte- und Kompetenzaufbau sicherstellen, wodurch sich dessen Aufgaben grundlegend verändern werden.

Prof. Dr. Werner Sauter
Geschäftsführender Gesellschafter der Blended Solutions GmbH, Berlin, und Experte für werte- und kompetenzorientierte Entwicklungssysteme in Organisationen
Der Artikel basiert auf dem Fachbuch „Agile Werte- und Kompetenzentwicklung“ (siehe Kasten)

„Wie bereiten wir die Mitarbeiter auf Jobs vor, die gegenwärtig noch gar nicht existieren, auf die Nutzung von Technologien, die noch gar nicht entwickelt sind, um Probleme zu lösen, von denen wir heute noch nicht wissen, dass sie entstehen werden?“

Nach Youtube „Shift happens“ (2018)

Die Konsequenz der Digitalisierung ist, dass die Mitarbeiter zunehmend Kompetenzen, also die Fähigkeit zur selbstorganisierten Bewältigung von Herausforderungen, benötigen und Ordner für ihr Handeln – also Werte. An Bedeutung gewinnen deshalb Geschäftsmodelle von Personalentwicklungen sowie beruflichen Bildungsanbietern mit einer Verlagerung von Wissens- zu Werte- und Kompetenzzielen auf Basis einer Ermöglichungsdidaktik, vom formellen und fremdgesteuerten Lehren zum informellem und selbstorganisiertem Lernen und einer Rückbesinnung auf Lernen in realen Herausforderungen sowie das Lernen im Netz. Agile Werte- und Kompetenzentwicklung im Arbeitsprozess und im Netz sind daher die Zentren beruflicher Bildung der Zukunft.

Bedarf für eine agile Entwicklung der Mitarbeiter

Die digitale Transformation im Zuge der vierten industriellen Revolution ist das Ergebnis verschiedener technologischer Entwicklungen, die direkte Auswirkungen auf die betrieblichen und beruflichen Bildungssysteme haben – vom Internet der Dinge und Cloud Computing über Big Data und Augmentend/Virtual Reality bis hin zur Künstlichen Intelligenz und Deep Learning (siehe Chart Agiles Werte- und Kompetenzmanagement).

Agilität ist die Fähigkeit, sich kontinuierlich an seine komplexe, turbulente und unsichere Zukunft anzupassen. Agile Lernsysteme sollten deshalb insbesondere folgende Merkmale erfüllen:

  • Skalierbarkeit: Die Lernprozesse entstehen bei Bedarf, so dass Lernen „on-demand“, je nach Herausforderung, möglich ist. Deshalb werden die personalisierten Lernprozesse in eine Serie von Paketen (Inkremente) zerlegt, die jeweils in kurzen Zyklen entstehen und umgesetzt werden.
  • Flexibilität und Dynamik: Agile Lernsysteme sind durch ein hohes Maß an Flexibilität und große Robustheit gegenüber Herausforderungen geprägt, auch wenn sie noch unbekannt sind.
  • Aktualität: Formelles Wissen und Erfahrungswissen der Lerner müssen sich in einem dynamischen Prozess laufend weiterentwickeln.
  • Strukturelle Anschlussfähigkeit: Das Lernsystem wird in die Strukturen, Prozesse und in die IT-Infrastruktur des Unternehmens integriert.
  • Fokussierung auf die Lernenden: Agile Lernmethoden rücken den Menschen, Lerntandems und -gruppen sowie deren Interaktion in den Mittelpunkt.
  • Lernen im Netz: Agiles Lernen basiert auf effizienter Kollaboration, das heißt der gemeinsamen Bewältigung von Herausforderungen in der Praxis mit Lernpartnern, der erfahrungsorientierten Kommunikation und schnellen Rückmeldungen, vor allem mit sozialen Medien.
  • Nutzenorientierung: Agile Lernsysteme beziehen die Lerner in die Entwicklung der Lernprozesse ein und ermöglichen es, für sie früh Werte zu schaffen.

Kurzum: Die agile Werte- und Kompetenzentwicklung ist die Weiterbildung der Zukunft. Lernen findet zunehmend agil in den Arbeitsprozessen statt und ist deshalb – nach Dr. Benjamin P. Höhne von der Beuth Hochschule – durch folgende Grundsätze gekennzeichnet:

  • Alternierende Phasen von Lernen, Anwenden und Anpassen
  • Gemeinsame Kompetenzziele und selbstorganisierte Kooperation im Team
  • Iterative Sprints mit Reflektion und Adjustierung der Lernziele
  • Lernprojekte aus realen Arbeitsprozessen mit direkter Anwendungsorientierung

„Erwachsene sind lernfähig, aber unbelehrbar“

Das Verständnis von Lernen verändert sich damit radikal. Dies hat zur Folge, dass gepauktes Wissen auf Vorrat und begrenzte Kompetenzen zunehmend weniger gefragt sind. Gesucht sind vielmehr Fähigkeiten, sich schnell verändernden, heute oftmals unbekannten Rahmenbedingungen, wechselnden Anforderungsprofilen sowie Herausforderungen anzupassen, meinen die Professoren Dr. Rolf Arnold von der TU Kaiserslautern und Dr. John Erpenbeck von der Steinbeis Universität Berlin.

„Erwachsene sind lernfähig, aber unbelehrbar“, formulierte zugespitzt Dr. Horst Siebert, Erwachsenenbildungsexperte und emeritierter Professor der Uni Hannover. Deshalb ist „eine Pädagogik der Anleitung zur Selbstentwicklung paradox“, weiß Rolf Arnold. Umso wichtiger ist deshalb der Wandel von der bisherigen „Belehrungsdidaktik“ zur „Ermöglichungsdidaktik“. Diese hat zum Ziel, den Lernenden alles an die Hand zu geben, damit sie ihre Lernprozesse problemorientiert und selbstorganisiert gestalten können.

Die Ermöglichungsdidaktik ist damit die pragmatische Antwort auf die wirtschafts- und bildungspolitisch propagierte Forderung nach „lebenslangem Lernen“.

Paradigmenwechsel im Corporate Learning

Mitarbeiter in einer digitalisierten Arbeitswelt benötigen deshalb eine Lernarchitektur mit einem Ermöglichungscharakter, in der nicht versucht wird, Erfahrungen, Werte und Kompetenzen wissensförmig weiterzugeben. Vielmehr benötigt die Werte- und Kompetenzentwicklung echte Herausforderungen, die den Lerner nicht nur wissensbezogen, sondern auch emotional fordern.

Voraussetzung dafür sind selbstorganisierte Lernprozesse, die durch die Einbindung in ein entsprechendes Lernsystem mit einem Netzwerk aus Lernpartnern und -begleitern geprägt ist. Grundsätzlich können drei Lernrahmen für die selbstorganisierte Entwicklung der Werte- und Kompetenzen genutzt werden, die sich gegenseitig ergänzen: So ist Werte- und Kompetenzentwicklung

  • „auf der Praxisstufe“ immer Handlungs- und Erlebnislernen in Praxiseinsätzen oder im Netz.
  • „auf der Coachingstufe“ in realen betrieblichen Prozessen oder Projekten angesiedelt und ergänzt damit die Praxisstufe. Der Lernprozessbegleiter und die Führungskraft werden zum Kompetenzcoach und Entwicklungspartner und entwachsen der Rolle des traditionellen Vorgesetzten, Lehrers oder Ausbilders.
  • „auf der Trainingsstufe“ in einem didaktisch-methodisch durchdachten Lernkonzept organisiert, das die Realität nutzt, um diese Lernprozesse gezielt zu ermöglichen. Der Begriff des Kompetenztrainings weicht dabei deutlich von tradierten Trainingsmaßnahmen ab, die ausschließlich der Qualifizierung oder dem Wissensaufbau dienen. Kompetenztraining setzt vielmehr die Lösung von realen Problemstellungen, zum Beispiel in Projekten, in der Forschung oder in Werkstätten und am Arbeitsplatz voraus.

Die Kompetenzentwicklung setzt voraus, dass die Lerner selbst ihre persönlichen Werte- und Kompetenzziele definieren, die auch überprüft werden können. Deshalb ist es notwendig, Werte und Kompetenzen in akzeptierter Form zu messen, im Beratungsgespräch mit dem Lernbegleiter und eventuell in Abstimmung mit der Führungskraft individuelle Ziele zu definieren und die Entwicklung der Mitarbeiter zu ermöglichen.

Werte sind Ordner der Selbstorganisation

In der Praxis haben sich Kompetenzmesssysteme bewährt, die qualitative und quantitative Aspekte verbinden. Auf der Basis von handlungsorientierten Fragebögen werden dabei in Form von Selbst- und Fremdeinschätzungen Kompetenzen erfasst. Die Auswertung erfolgt auf Basis von gemeinsam entwickelten Soll-Profilen (siehe das Chart einer beispielhaften Auswertung von Kode X der Kode GmbH). Demnach lassen sich Kompetenzen messen und zertifizieren. Damit können diese gezielt entwickelt und gemanagt werden.

Werte und Kompetenzen sind eng miteinander verknüpft, da Werte als Ordner der Selbstorganisation fungieren. Erst durch verinnerlichte, sogenannte interiorisierte Werte ist kompetentes Handeln möglich. Deshalb ist es für die Einschätzung eines Mitarbeiters und seines Entwicklungsbedarfes wichtig, auch die Werte zu ermitteln, die als Antrieb für den Erhalt und die Entwicklung der jeweiligen Kompetenzen dienen. Über einen Fragebogen können dann Werte-Profile entstehen, die sich als Basis für ein Beratungsgespräch, etwa mit dem Lernbegleiter, heranziehen lassen.

Dem Lerner einen Ermöglichungsrahmen bieten

Die Herausforderung, werte- und kompetenzorientierte Lernarrangements zu konzipieren, besteht darin, den Lernern einen Ermöglichungsrahmen zu bieten, um ihre Kompetenzen selbstorganisiert bei Bewältigung realer Herausforderungen – in einem kommunikativen Prozess mit Lernpartnern im Netzwerk – aufzubauen. Mit dieser Lernarchitektur werden Lernprozesse möglich, die durch Werte- und Kompetenzorientierung sowie Selbstorganisation geprägt sind und deren „roter Faden“ Praxisprojekte oder Herausforderungen im Arbeitsprozess bilden. Ein Chart zeigt das Beispiel eines Kompetenzentwicklungsprozesses in einer digitalen Lernarchitektur des Social Blending Learning.

In den selbstorganisierten Lernphasen verknüpfen die Teilnehmer dabei formelle und informelle Lernprozesse zu einem systematischen Werte- und Kompetenzentwicklungsprozess. Es ist davon auszugehen, dass Mitarbeiter, die sich in dieser Weise in dem Lernsystem bewegen, nach und nach den Ermöglichungsrahmen immer häufiger nutzen, um auch am Arbeitsplatz ihre offenen Fragen zu klären und Lösungen zu entwickeln. Es entwickelt sich ein „Social Workplace Learning“, das selbstorganisiert immer dann stattfindet, wenn herausfordernde Problemstellungen im Prozess der Arbeit zu bearbeiten sind. Damit wachsen Lernen und Arbeiten immer mehr zusammen. Die Weiterbildungsanbieter entwickeln sich zum strategischen Entwicklungspartner der Unternehmen.

Heute hat das Corporate Learning noch überwiegend mit Laufbahnkonzepten und Seminarplanung zu tun. Ein kritischer Blick auf die Effizienz dieser formellen Lernprozesse zeigt, dass diese nicht geeignet sind, den erforderlichen Werte- und Kompetenzaufbau im Unternehmen sicherzustellen. Die Aufgaben des Corporate Learning (siehe Chart) werden sich deshalb grundlegend verändern müssen, um den zukünftigen Anforderungen gerecht zu werden.

Das agile Werte- und Kompetenzmanagement als Konsequenz der digitalen Transformation führt zur Weiterbildung der Zukunft.
Auch die Werte eines Mitarbeiters lassen sich messen. Sie dienen dem Erhalt und der Entwicklung seiner Kompetenzen. Bild: John Erpenbeck
Beispiel eines Kompetenzentwicklungsprozesses in einer digitalen Entwicklungsarchitektur. In den selbstorganisierten Lernphasen verknüpfen die Teilnehmer formelle und informelle Lernprozesse zu einem systematischen Kompetenzentwicklungsprozess.

Buch zum Thema

Die Digitalisierung treibt den Weiterbildungsbedarf. Dabei wachsen Arbeit und Lernen mehr und mehr zusammen. Dies setzt veränderte Arbeitsmethoden und Lernarrangements für personalisierte Werte- und Kompetenzentwicklungs-Prozesse ebenso voraus wie eine Lern-Infrastruktur für kollaboratives Arbeiten und Lernen sowie ein Veränderungsmanagement mit dem Ziel der Selbstorganisation. Die Autoren zeigen auf, wie selbstorganisierte und personalisierte Werte- und Kompetenzentwicklung mit agilen Lernmethoden innerhalb eines strategieorientierten Ermöglichungsrahmens gestaltet werden kann, so dass Organisationen ihre Performanz für den kommenden Kompetenzwettbewerb entwickeln. Zahlreiche Fallbeispiele aus der agilen Arbeitswelt geben ein Gespür für die anstehenden Herausforderungen der betrieblichen Bildung.

Agile Werte- und Kompetenzentwicklung – Wege in eine neue Arbeitswelt, Roman Sauter, Werner Sauter, Roland Wolfig, Springer Gabler, 2018 (erscheint am 16. Juli 2018), ISBN 978-3-662-57304-4, inklusive E-Book 59,99 Euro

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