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Recruiting von Digital Natives

Serie Industrie 4.0
Personalsuche: Digital Natives für das Industrie-4.0-Umfeld

Heute gestaltet sich die Suche nach Industrie-4.0-Fachkräften aus vielerlei Gründen komplexer als bisher. Wir haben Tipps für Unternehmen bei der Suche und Besetzung von Digital Natives.

» Michael Grupp, freier Journalist in Stuttgart

Weder Berufseinsteiger noch einstellende Unternehmen haben es derzeit leicht. Einerseits ist die Zahl aller ausgeschriebenen Stellen laut dem Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) seit Mitte 2020 deutlich zurückgegangen. So haben sich die Stellenangebote allein zwischen April und Juni 2020 um 500.000 Stellen auf ungefähr 890.000 Angebote reduziert. Leicht gebremst hält dieser Negativtrend bis heute an. Andererseits suchen gerade Industrie 4.0-affine Unternehmen händeringend nach neuen Mitarbeitern. Laut dem Digitalverband Bitkom waren Ende 2020 mehr als 86.000 IT-Stellen unbesetzt. Durchschnittlich dauert die Suche nach digitalen Fachkräften 182 Tage – ungefähr ein halbes Jahr. Die dabei entstehenden Aufwände bestehen nicht nur aus Anzeigenkosten, sondern vor allem auch durch die fehlende Wertschöpfung eines nicht besetzten Arbeitsplatzes. Das kann sich laut einer SAP-Studie bis zum Zweifachen eines Jahresgehalts summieren.

Aktuell besonders gefragt sind Cloud-Architekten, Spezialisten für IT-Security und Predictive Maintenance sowie Software-Entwickler für die Anbindung digitaler Workflows an MES und ERP. Aber auch Elektroniker, Elektriker und Elektroinstallateure sind laut der Dekra-Akademie derzeit besonders schwer zu finden. Sie sorgen für die praktische Umsetzung aller Industrie-4.0-Konzepte vor Ort.

Interne Weiterbildung von Mitarbeitenden

Es gibt verschiedene Wege zu neuen Kollegen. Der erste und einfachste ist die interne Weiterqualifizierung. Die dazu passenden Buzzwords: Reskilling beziehungsweise Upskilling – sprich der Umstieg oder Aufstieg durch lebenslange Weiterbildung. Die Vorteile liegen auf der Hand: Man kennt sich, vermeidet Entlassungen bei entfallenden Arbeitsplätzen und kann das Training gezielt auf die neue Stelle ausrichten. Vor allem aber werden Umschulungen in einem digitalen Arbeitsumfeld sowieso zunehmend systemimmanent, mithin zum Pflichtprogramm für alle agilen Unternehmen. Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung OECD prognostiziert, dass sich in den nächsten zehn Jahren mehr als eine Milliarde Menschen weiterqualifizieren muss, weil digitale Technologien wie künstliche Intelligenz oder autonome Systeme ihre Arbeitsplätze durchgreifend verändern werden.

Wenn die Rekrutierung aus den eigenen Reihen nicht ausreicht, bleibt nur der Weg über den Arbeitsmarkt. Gut ausgebildete Digital Natives sind anspruchsvoll. Neben einem angemessenen Gehalt erwartet die Generation Z eine klare Trennung von Berufs- und Arbeitsleben, einen technologisch anspruchsvoll ausgestatteten Arbeitsplatz, Mitsprache- und Mitgestaltungs-Möglichkeiten – sowie ganz traditionell: einen sicheren Arbeitsplatz.

Digital Natives haben hohe Ansprüche

Potemkin’sche Dörfer haben dabei keinen Bestand: Ein Blick in die Unternehmerbewertungsportale wie Kununu oder Glassdoor offenbaren die ungeschönte Realität: 2,5 Mio. Besucher verzeichnet Kununu pro Monat, vier von fünf Bewerbern nutzen Bewertungsportale im Vorfeld einer Arbeitsplatzentscheidung. Das macht sie auch zum Instrument erfolgreicher Recruiter. Zum Beispiel in Form von Kommentaren zu einzelnen Bewertungen, wie auch durch die gezielte Aufforderung an die eigene Belegschaft, sich fair und sachlich einzutragen. Was erfahrungsgemäß auch funktioniert.

Die exklusivste Art der Personalsuche ist der Headhunter. Er bietet sich vor allem dann an, wenn das suchende Unternehmen zu wenig Aufgabenexpertise besitzt – keine Seltenheit im IT-Bereich mittelständischer Unternehmen. Die Kosten betragen dabei durchschnittlich ein Drittel des zukünftigen Jahresgehalts. Eine Achtelseite in der FAZ kostet aktuell dagegen „nur“ etwas über 7000 Euro. Dafür bekommt der Auftraggeber eine hohe Reichweite plus (immer noch) Imagegewinn. Online-Anzeigen sind im Vergleich günstiger. Für 30 Tage Plattform-Präsenz verlangen und bekommen die großen Portale wie Indeed oder StepStone knapp 1000 Euro; Zusatz-angebote wie eine bessere Platzierung kosten extra. Die Suche nach Auszubildenden, Praktikanten oder Minijobber sind hier günstiger – dabei gewähren die Online-Anbieter zumeist deutliche Nachlässe.

Im Schatten der Rekrutierungs-Plattformen steht häufig die eigene Firmen-Webseite. Dabei bietet sie viele Vorteile: Aktueller und wirtschaftlicher geht es nicht – eine professionelle Webseitenpflege vorausgesetzt. Mitte 2019 startete zudem „Google for Jobs“. Dieses digitale Angebot befindet sich noch in den Kinderschuhen, wird aber über kurz oder lang den klassischen Recruiting-Plattformen Konkurrenz machen. Kleinere Unternehmen sind mit rund 50 Euro monatlich dabei, größere zahlen entsprechend mehr. Google bietet dafür eine besondere Berücksichtigung bei den Suchergebnissen.

Wo immer die Zielgruppe ist

Print- oder Webanzeigen setzen immer eine gezielte Recherche der Bewerber voraus. Damit fallen alle potenziellen Kandidaten unter den Tisch, die zwar offen für einen Wechsel wären, aber nicht aktiv suchen. Schätzungen nach sind dies über 80 % aller möglichen Interessenten. Erreicht werden können sie über beruflich orientierte Kommunikationskanäle. Je nach Qualifikation sind diese im akademischen Bereich beispielsweise Xing und LinkedIn, mit einem breiteren Fokus auch Facebook und Instagram. Wichtig ist dabei die mediengerechte Botschaft. So eignen sich Facebook und Instagram beispielsweise dafür, soziale Kompetenz und nachhaltiges Engagement herauszustellen. Berufliche Netzwerke wie Indeed sind dagegen die richtigen Kanäle für Kompetenz, Innovation und Forschung. Einheits-Contentbrei wirkt nicht im Sinne des Absenders.


Franz Donner ist der Head of Corporate Human Resources bei der ZEISS Gruppe

Nachgefragt

Herr Donner, welche Strategie verfolgt ZEISS bei der Nutzung von Social Media bzw. Jobportalen für das eigene Recruiting?

Der Ansatz „One fits all“ ist unserer Einschätzung nach überholt. ZEISS nutzt unterschiedliche Recruitingkanäle mit unterschiedlichem Content für jeweils unterschiedliche Zielgruppen. Die Königsdisziplin dabei ist Active Sourcing, also der Aufbau eigener Kandidatenpools und -pipelines. Über Facebook und Instagram geben wir beispielsweise Einblicke in unterschiedliche Aufgabenfelder, um damit Menschen und Arbeitsplätze vorzustellen. Über Job-Börsen und -Plattformen suchen wir dagegen gezielt nach einzelnen Personen. Wir vernetzen diese Aktivitäten – die Mischung macht es.

Welche Inhalte kommunizieren Sie dabei konkret?

Die Kommunikation erfolgt entlang vordefinierter Persönlichkeiten. So können zielgruppenspezifische Inhalte zielgerichtet an den Interessen und Fragestellungen der jeweiligen Zielgruppen ausgespielt werden. Wir versuchen dabei, die Fragen der künftigen Mitarbeiter ausführlich und bestmöglich zu beantworten. Zum Beispiel: Was werde ich genau tun? Wie sieht mein Arbeitsalltag aus? Welchen Beitrag zum Unternehmenserfolg kann ich liefern?

Mit welchen Kollegen arbeite ich zusammen? Wie kann ich mich
weiterentwickeln?

Worin unterscheidet sich Generation Y von ihren Vorgängern in puncto Lebens- und Berufsplanung?

Den heutigen Studienabgängern ist die Berufswelt wichtig. Das Gehalt ist aber nicht mehr der alleinige Treiber für die Lebensplanung. Unabhängigkeit und Entscheidungsfreiheit besitzen mindestens denselben Stellenwert. Dazu kommt der Wunsch nach sinnstiftenden Aufgaben und persönlicher Weiterentwicklung. Deshalb schnüren wir Absolventen und Quereinsteigern aus der Generation Y möglichst maßgeschneiderte Pakete, die ihren Vorstellungen und unseren Teamanforderungen gerecht werden.


Maria Knill ist Leiterin HR Strategie und Transformation bei der EnBW in Karlsruhe.

Nachgefragt

Frau Knill, wie wichtig ist das
Recruiting für den Unternehmenserfolg der EnBW?

Das Recruiting ist essenziell für unseren zukünftigen Unternehmenserfolg. Die EnBW wächst planmäßig gemäß unserer Unternehmensstrategie in neuen Geschäftsfeldern. Dafür benötigen wir Profile und Expertise, die auf dem Talentmarkt gefragt und deshalb rar sind. Mit dem Recruiting tragen wir also elementar zur Zukunft des Unternehmens bei.

Welche Rolle spielen dabei
Social-Media-Kanäle?

Die verschiedenen Social-Media-Kanäle spielen unterschiedliche Rollen für uns. Einige Kanäle, wie zum
Beispiel Instagram, setzen wir zur Bekanntheitssteigerung und Image-bildung ein. Kanäle wie LinkedIn nutzen wir eher recruitingorientiert oder für konkrete Recruiting-Aktivitäten.

Wie wichtig sind die eigentlichen Jobbörsen?

Jobbörsen wie StepStone, Indeed & Co sind weiterhin standardmäßig in unserem Instrumenten-Portfolio, jedoch erreichen wir dadurch nicht alle relevanten Kandidat*innen –
circa 80 % der Talente suchen passiv. Daher setzen wir weitere Instrumente ein. Beispielsweise arbeiten wir derzeit an einem Talentpool, mit dem wir die Beziehung zu Talenten langfristig pflegen. Dies halten wir für einen nachhaltigen und wirksamen Recruitingansatz.

Führen Industrie 4.0-Strukturen zu mehr Personal- und Talent-bedarf?

Wir werden immer mit und für Menschen arbeiten – allerdings werden sich die Rollen- und Tätigkeitsprofile durch Digitalisierung und Auto-
matisierung verändern. Schon heute suchen und entwickeln wir Talente mit Blick auf die Fähigkeiten, die in Zukunft relevant sein werden. Dazu gehören Anforderungen wie beispielsweise ein „Digital Mindset“, Daten-
analysekompetenz, Veränderungsfähigkeit oder auch das schnelle Verarbeiten von Informationen.


Serie Industrie 4.0

Wir begleiten Sie auf dem Weg zur Digitalisierung: In dieser Ausgabe beleuchten wir das Thema Recruiting. Alle Beiträge finden Sie auch online unter: www.industrieanzeiger.de

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