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Russische Rekordbeteiligung in den Messehallen

Der viertgrößte Importeur deutscher Maschinen ist zu Gast auf der Hannover Messe
Russische Rekordbeteiligung in den Messehallen

In jedem Jahr gastiert auf der Hannover Messe ein Partnerland. 2013 präsentiert sich Russland als aufstrebende Wirtschaftsnation auf dem Branchentreff. Die sechstgrößte Volkswirtschaft der Welt hat ihren Hauptstand in Halle 26.

Wladimir Putin, Präsident der Russischen Föderation wird am 7. April zusammen mit Kanzlerin Merkel die Hannover Messe eröffnen. Das russische Staatsoberhaupt hat auch für den Eröffnungsrundgang am Montag, den 8. April zugesagt. „Um den technologischen Aufschwung nachhaltig umzusetzen, liefern internationale Unternehmen technologisches Know-how und investieren in Russland“, erläutert Dr. Jochen Köckler, Mitglied des Vorstandes der Deutschen Messe AG, die Bedeutung des Riesenreichs. Im Fokus der russischen Beteiligung steht die Energieübertragung und Verteilung, Internationale Energiewirtschaft, industrielle Wertschöpfung, Technologiepartnerschaften, Innovationen in Forschung und Entwicklung sowie der Standort Russland im Hinblick auf strategische Zusammenarbeit und Investitionsmöglichkeiten.

In Halle 26 stellen auf rund 4500 m2 mehr als 100 russische Unternehmen ihre Produkte und Innovationen aus. Darunter sind Firmen wie Gazprom, Rosnano, Russian Railway, Rosneft, Transnest, TMK Group und Metalloinvest. Laut Veranstalter ist es eine Rekordbeteiligung der russischen Föderation – noch nie hätten sich so viele russische Unternehmen an einer Industriemesse außerhalb des eigenen Landes beteiligt.
Die Beteiligung russischer Austeller zieht sich durch alle Themenfelder der Industrieschau. Das russische Energieministerium zeigt beispielsweise im Bereich der Messe Energy in Halle 13 auf einer Fläche von rund 1000 m2 die Vielfalt russischer Energieunternehmen. Energieerzeugung und -transport sowie die Modernisierung der Verteilernetze bilden hier die Schwerpunkte.
Der Gemeinschaftsstand des Russischen Ministeriums für Bildung und Wissenschaft zeigt sich auf der Leitmesse Research & Technology in Halle 2. Im Mittelpunkt stehen dort Kooperationsprojekte in der industrienahen Forschung. Die Stadt und Region Moskau und die Stadt St. Petersburg beteiligen sich darüber hinaus an der Metropolitan Solutions in Halle 1. Auf der erstmals eigenständigen Messe der „Stadt der Zukunft“ werden technische Lösungen aus der Industrie für die Metropolen der Zukunft ausgestellt. Noch vor zwei Jahren war es lediglich eine Sonderschau, in diesem Jahr wird sie eigenständig und findet zeitgleich zur Hannover Messe statt (siehe Seite 128).
Der Ventilatoren- und Motorenhersteller Ebm-Papst zeigt beispielsweise, eine Reihe russischer Industrieexponate, unter anderem für den Einsatz bei Gaspipelines von Gazprom. Damit unterstützt das Mulfinger Unternehmen mit energiesparenden EC-Ventilatoren die Sicherstellung des Gastransports aus Russland. „Russland ist ein Markt, in dem wir zukünftiges Wachstum sehen“, erklärt Thomas Borst, Vertriebsgeschäftsführer der Ebm-Papst-Gruppe. Der Messestand des Automatisierers ist in Halle 15, Stand F31 zu finden. Mit rund 143 Mio. Einwohnern zählt das Land zu den weltweit am dünnsten besiedelten Flächenstaaten. An den alten Hauptindustriestandorten Moskau, dem Wolgagebiet, dem Nordwesten und dem Ural produzieren heute zahlreiche Maschinen- und Fahrzeugindustrien, aber auch Geräte- und Anlagenbauer sind hier angesiedelt.
Laut Prof. Rainer Lindner, Geschäftsführer der Deutschen Wirtschaft, hat der deutsch-russische Handel im Jahr 2012 mit einem Volumen von rund 80 Mrd. Euro eine neue Bestmarke erreicht. Russland ist heute immer noch ein Rohstoffgigant. Mit Erdgas, Öl, Diamanten, Gold und zahlreichen weiteren Rohstoffen erwirtschaftet der flächenmäßig größte Staat der Erde jährlich hohe Handelsüberschüsse. So schlugen alleine im Jahr 2012 Exporte in Höhe von 540 Mrd. US-$ zu Buche. Dem gegenüber stehen Importe von 361 Mrd. US-$. Aber sobald die Rohstoffpreise fallen, wie zuletzt geschehen im Krisenjahr 2009, wandelt sich dieses Bild. Die hohe Abhängigkeit von Rohstoffen hat die russische Regierung als Gefahr erkannt und strebt deshalb eine Modernisierung der russischen Industrie an. Hierdurch eröffnen sich dem internationalen Maschinenbau sehr interessante Wachstumsperspektiven in den kommenden Jahren. Aktuell wächst bereits der Import von Maschinen jährlich und erreichte 2011 den Stand von 29 Mrd. Euro. Allein im ersten Quartal 2012 stieg die Einfuhr Russlands in der Warengruppe „Maschinen, Ausrüstungen und Transportmittel“ um 27,2 % gegenüber dem Vorjahreszeitraum überproportional an. Die Gesamteinfuhr legte im gleichen Zeitraum nur um 12,6 % zu.
Bereits seit den 90er-Jahren ist Bosch Rexroth in Russland mit einer eigenen Landesgesellschaft präsent und hat eine Vielzahl an Komponenten und Modulen nach russischen Normen zertifiziert. Das Unternehmen hat ein lokales Netzwerk mit zahlreichen russischen Partnern aufgebaut, um so eine Wertschöpfung vor Ort zu erzeugen. Auf der Hannover Messe ist Bosch Rexroth in Halle 23, Stand C19 zu finden. Das Unternehmen hat bereits Stahl- und Walzwerke als Generalunternehmer oder Partner regionaler Engineering-Unternehmen mit moderner Antriebs- und Steuerungstechnik auf den aktuellen Stand der Technik gebracht.
Auch der deutsche Automobil- und Industriezulieferer Schaeffler expandiert nach Russland. Um seine russischen Kunden direkt beliefern zu können, plant der Konzern in der Wolga-Region Uljanowsk den Bau seines ersten Produktionsstandorts in Russland. Im neuen Werk sollen Produkte für verschiedene Anwendungen der beiden Sparten Automotive und Industrie produziert werden. Mit dem Bau des neuen Werks will Schaeffler 450 Arbeitsplätze schaffen. Das rund 900 km östlich von Moskau gelegene Werk siedelt in einer Region an, die sich zu einem bedeutenden Industriezentrum, vor allem für den Automobil- und Maschinenbau sowie der Luftfahrt, entwickelt hat. Für die Schaeffler Manufacturing Rus. LLC, wollen die Herzogenauracher laut Firmenangaben rund 50,4 Mio. Euro investieren. „Wir können damit noch intensiver am Wachstum in Russland partizipieren und unsere Kunden zum Beispiel in der russischen Automobil- und Bahnindustrie direkt und schnell beliefern“, bekräftigt Robert Schullan, Mitglied des Vorstands der Schaeffler AG und Vorsitzender der Geschäftsleitung Schaeffler Industrie, den Entschluss. Der Zulieferer ist schon länger in Russland aktiv, jedoch nicht mit einer eigenen Produktion vor Ort. Auf der Hannover Messe ist der Wälz- und Gleitlagerspezialist in Halle 22, Stand A12, präsent.
Die russische Industrie ist sehr stark in der Rohstoffförderung und -verarbeitung, der Schwerindustrie sowie der chemischen Industrie, Holzverarbeitung, der Textilindustrie und dem Flugzeugbau tätig. Diese industrielle Basis arbeitet größtenteils mit veralteten Maschinen und Anlagen und ist überwiegend international nicht konkurrenzfähig. Die „Union der Maschinenbauer Russlands“ hat ermittelt, dass in russischen Fabriken mehr als 1 Mio. Maschinen im Einsatz stehen, welche 20 Jahre und älter sind. Eine Umfrage in der russischen Industrie ergab, dass 30 % der Unternehmen zum letzten Mal während der Sowjetzeit ihre Produktionsmittel modernisiert haben. Lediglich rund 25 % der befragten Firmen hat in den vergangenen fünf Jahren eine umfassende Modernisierung vollzogen. Hierdurch wird die internationale Wettbewerbsfähigkeit erheblich geschmälert. Das Bruttoinlandsprodukt Russlands ist im Jahr 2012 langsamer gewachsen als zu Jahresbeginn erwartet wurde. Das Wirtschaftsministerium rechnete zuletzt nur noch mit einem Plus von 3,5 bis 3,6 %. Die Prognosen sagen auch für 2013 nichts Besseres voraus: Die offizielle Erwartung liegt bei 3,6 %; die Weltbank sagt denselben Wert vorher. Allerdings nur unter der Voraussetzung, dass der Preis für Erdöl– das Lebenselixier Russlands – stabil bleibt. Laut den Weltbankexperten sinkt das Wirtschaftswachstum auf 1,5 %, sobald der Preis für ein Barrel Rohöl der Sorte Urals auf 80 US-$ fallen sollte.
Dennoch ist Russland der viertgrößte Exportmarkt für deutsche Maschinen und Anlagen – nach der Volksrepublik China, den USA und Frankreich. So betrugen die deutschen Maschinenlieferungen im ersten Halbjahr 2012 mehr als 4 Mrd. Euro. Das entspricht einem Plus von 14 % im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. „Die Chancen, dass der Exportrekord des Jahres 2008 von knapp 8,1 Mrd. Euro eingestellt wird, stehen gut“, kommentierte Dr. Ralph Wiechers, Chefvolkswirt des VDMA.
Nach dem Eintritt in die Welthandelsorganisation (WTO) muss sich Russland dringend um die Modernisierung seiner Industrie kümmern. Die russische Regierung ist sich dessen bewusst und hat am 7. Dezember 2012 das Programm „Entwicklung der Industrie und Erhöhung ihrer Konkurrenzfähigkeit bis 2020“ verabschiedet. Mit Budgetmitteln von rund 500 Mrd. Rubel (12,5 Mrd. Euro) sollen Industriezweige wie Metallurgie, Automotive, Schwer- und Transportmaschinenbau, Leicht- und Chemieindustrie unterstützt werden. In den Expertenbeirat des Komitees für Industrie in der Staatsduma, der die russische Regierung in technologischen Fragen berät, wurde der Leiter der russischen Vertretung der deutschen Maschinenbau-Holding Emag, Pawel Belikow, einbezogen.
Bei der Herstellung von Werkzeugmaschinen ist Russland weltweit unter die zehn wichtigsten Märkte vorgerückt. Laut Berechnungen der Bielefelder Gildemeister AG erreichte der russische Markt für Werkzeugmaschinen im Jahr 2011 ein Volumen von 1,257 Mrd. Euro. Dies entspricht 2 % des Weltmarkts. Bedingt durch die aktuelle Modernisierungsoffensive der russischen Industrie könnte das Marktvolumen binnen zwei bis drei Jahren auf bis zu 3 Mrd. Euro anwachsen. Um in diesem wachsenden Markt Fuß zu fassen, baut Gildemeister in Uljanowsk eine Fabrik für Bohr- und Fräsmaschinen mit einem Projektwert von mehr als 20 Mio. Euro. Im neuen Werk sollen Werkzeugmaschinen der Linie Ecoline für die Automobil- sowie für die Raum- und Luftfahrtindustrie gefertigt werden. Das Unternehmen plant, bis zu 1000 Einheiten pro Jahr am Standort zu bauen.
Den Messeauftritt Russlands begleiten verschiedene Veranstaltungen. Am 8. April findet von 11 bis 14 Uhr im Convention Center (CC), Saal 2, der Deutsch-Russische Wirtschaftsgipfel statt. Regierungs- und Unternehmensvertreter aus beiden Ländern diskutieren hier Rahmenbedingungen und aktuelle Investitionschancen in Russland. Die deutsch-russische Zusammenarbeit im Energiesektor ist ein Kernelement des deutsch-russischen und russisch-europäischen Verhältnisses. Hierüber wird am 8. April von 15 bis 17 Uhr im CC, Saal 3 B, gesprochen.
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