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KIT Karlsruhe: „Gründungswillige finden hier offene Türen vor“

KIT-Professor Orestis Terzidis
„Sicherstellen, dass Gründungswillige offene Türen vorfinden“

Die Tür für den Gründergeist steht am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) weit offen. Entrepreneurship wird in einem eigenen Institut gelehrt. Dessen Leiter, Prof. Dr. Orestis Terzidis, erläutert, ob und wie man das Gründen eines Start-ups lernen kann und welche Voraussetzungen es braucht. ❧

Das Interview führte Dietmar Kieser

Herr Professor Terzidis, ist das Start-up-Gen am KIT besonders ausgeprägt?

Unter unseren 25 000 Studierenden finden sich einige mit einer hohen Affinität zur aktiven Unternehmensgründung. Es muss aber nicht jeder die Selbstständigkeit mit einem neuen Geschäftsmodell anpeilen. Für manchen wäre es auch die falsche Ambition. Wir müssen nur sicherstellen, dass Gründungswillige offene Türen vorfinden und Möglichkeiten erhalten, ihr Vorhaben umzusetzen. Es sollte kein Hobby sein, sondern Teil des Studiums werden. Dazu ist sicherlich ein gewisser Anteil der Studierenden bereit. Wie viele es sind, lässt sich aber nicht genau abschätzen. In Deutschland liegt die Gründungsquote zwischen vier und fünf Prozent, beim KIT bei 10 bis 15 Prozent liegen.

Wie viele Start-ups entstehen jährlich am KIT?

Rund 30. Das zeigt, dass eine Szene vorhanden ist, die andere inspiriert oder auch – was wichtig ist – etwa Praktika in einem Start-up-Umfeld anbietet. Es gibt hier eine belebte, qualitativ gute Szene, die es für solche Vorhaben unbedingt braucht.

Kann man Gründen und alles, was zur Führung eines Start-ups gehört, also Entrepreneurship lernen?

Man kann dazu etwas lernen. Es ist ähnlich wie beim Klavierspielen. Wer ein virtuoser Pianist werden will, braucht eine Grundbegabung. Selbstverständlich kann jeder Klavier spielen lernen. Das ist eine reine Fertigkeit. Natürlich gibt es auch eine kognitive Seite. Aber ich nehme das mal bewusst als Analogie. Auch Pilot werden kann man lernen. Dennoch ist nicht jeder dafür geeignet.

Kann man sich das nötige Rüstzeug bei Ihnen aneignen?

Gewiss. Ich formuliere es mal so: Manchmal werde ich gefragt, was denn der Unterschied zur normalen BWL sei. Warum gibt es da etwas Eigenes? Am Ende sind es doch alles Firmen, die ähnlichen Gesetzmäßigkeiten unterliegen. Das stimmt und stimmt wiederum nicht. Natürlich läuft es auf eine Firma zu und ein Gründer muss alle Dinge beachten, die auch ein etabliertes Unternehmen beachten muss. Aber der Entwicklungsprozess dorthin unterscheidet sich deutlich. Der US-Unternehmer und Start-up-Experte Steve Blank hat eine Analogie gezogen und gesagt: „Children are not young adults“.

Start-ups sind also keine jungen etablierten Firmen…

… und haben ganz eigene Entwicklungssituationen. Trotzdem gibt es auch gewisse Kausalzusammenhänge. Start-ups müssen gewisse Dinge richtig hinbekommen. Dabei laufen ganz eigene Prozesse ab, die sich beschreiben lassen. Diese Prozesse lassen sich theoretisch konzipieren und empirisch validieren. Daraus wiederum kann man, und das versuchen wir auch immer, Praxiskonzepte ableiten. Unser Anspruch ist es, die drei Pole Theorie, Empirie und Praxis, also Umsetzung, zu bedienen.

Erwerben Ihre Studierenden eine unternehmerische Qualifikation?

Sie erhalten sie ein gewisses handwerkliches Rüstzeug. Das sind einerseits kognitive Aspekte, um gewisse Zusammenhänge zu verstehen. Andererseits geht es um Fähigkeiten und Fertigkeiten, gewisse Dinge anzugehen. Beides halte ich für sehr wichtig. So ist eine gewisse Verortung, eine intellektuelle Tiefe notwendig, um zu verstehen, was da passiert. Diesen Fundus an Wissen kann man vermitteln. Und dann kommt es immer darauf an – jetzt wieder in einer Metapher gesprochen–, nicht nur eine Musiktheorie zu haben, sondern auch Klavier zu spielen. Damit weiß man, was eigentlich zu tun ist.

Brauchen junge Unternehmen andere Managementmethoden?

Um es pointiert zu sagen: Ein Start-up sucht nach einem Geschäftsmodell, ein etabliertes Unternehmen führt ein Geschäftsmodell aus und liefert in dessen Rahmen. Das sind zwei unterschiedliche Phasen. Das Start-up hat eine Vorstellung von einem Produkt oder einer Dienstleistung und wie es zu produzieren und an Kunden zu bringen ist und weiterentwickelt werden kann. All dies ist in den ersten Stadien mit Hypothesen versehen. Man denkt, es so machen zu können, wobei es aber ist nicht wirklich klar, ob es funktionieren wird, ob die Kostenstruktur stimmt und vieles andere mehr.

Die Start-up-Phase ist also eher von einer Suche geprägt?

Genau. Das Start-up legt den Hauptgedanke darauf, wo es in diesem Suchvorgang Effizienz entwickeln muss und nicht im Erbringungsvorgang. Bei Letzterem weiß man, was zu tun ist, sieht die Resonanz am Markt, kennt die Zielgruppe und deren Zahlungsbereitschaft. Dann geht es darum, das Angebot zu skalieren und breit und zuverlässig in hoher Qualität zu liefern. Um all das geht es beim Start-up vorerst nicht, sondern um das Verständnis, ob der Weg überhaupt der Richtige ist. Das ist eine andere Optimierungsgröße. Gesunde Selbstzweifel gehören zum Alltagsleben eines Start-ups und ein bewusster Umgang damit, auch mit den Risiken, die am Anfang enorm sind. Das Geschäft des Start-ups unterliegt ganz anderen Randbedingungen und damit ganz anderen Anforderungen.

Kommen gestandene Unternehmer auf Sie zu, um sich frisches Gedankengut abzuholen?

Große Konzerne haben es verstanden, wie wichtig die Start-up-Szene für sie geworden ist als Innovationstreiber, Impulsgeber und Experimentator in einer gewissen ökonomischen Situation. So ist es kein Wunder, dass die Großindustrie den High-Tech Gründerfonds initiiert hat, um im eigenen Interesse kleinen innovativen Firmen Entwicklungsmöglichkeiten zu bietet. Da sind die großen Firmen mittlerweile sehr wach. Viele interessieren sich inzwischen für die Arbeitsmethoden und Ansätze der Start-ups. Einige der Großen wie etwa Bosch oder SMS haben Inkubatoren entwickelt und lassen solche Experimente bewusst zu.

Und die kleineren Unternehmen?

Oft haben sie nicht die Ressourcen, sich mit Methoden wie Open Innovation zu befassen. Deshalb sind sie weniger offen für solche Konzepte. Andererseits sind KMU oft noch unternehmerischer geprägt, gehen auch mal ein Risiko ein und experimentieren. Vermutlich ist dadurch die Komplementarität zur Start-up-Szene nicht ganz so hoch wie zwischen den Großen und den Start-ups. Aber ich sehe keinen Grund, warum sie nicht auch miteinander intensiver kooperieren können. Ein Fonds muss aber nicht unbedingt der Königsweg zur Kooperation sein. Oft ist es für junge Firmen wertvoll, wenn sie als Lieferant qualifiziert werden, was etwa Daimler mit der Kooperationsplattform Start-up-Autobahn umsetzt. Der größte Gewinn für Start-ups ist es, eine Lieferantennummer zu erhalten. Präqualifiziert zu sein, ist ein enormer Vorteil.

Haben Sie hier am Institut eine solche Schnittstelle für Kooperationen?

Wir sind in Kontakt mit vielen Start-ups wie auch mit etablierten Unternehmen. Auf KIT-Ebene gibt es zudem einen Business Club. Gegen eine moderate Tagesgebühr erhält man Zugang zu Ressourcen des KIT. Überdies vernetzen sich die Firmen untereinander und mit den Start-ups im Umfeld des KIT.

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