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Technologien, Tüftler und Talente

Neue Wachstumskerne sollen dem Südwesten wieder mehr Dynamik verschaffen
Technologien, Tüftler und Talente

Baden-Württemberg ist eine internationale Spitzenregion. Automobilproduktion, Maschinenbau und Elektrotechnik sind die Zugpferde. Doch die Dynamik hat in den vergangenen Jahren nachgelassen. Ein Gutachten empfiehlt, Wachstumskerne zu fokussieren: nachhaltige Mobilität, Umwelttechnologien, Ressourceneffizienz sowie Embedded Systems und IT.

Was haben Dieter Brucklacher, Manfred Wittenstein und Thomas Lindner gemeinsam – außer, dass der eine VDMA-Präsident war, der andere noch amtiert und der dritte es demnächst wird? Alle sind erfolgreiche Unternehmer, tragen einen Doktorhut – und kommen aus Baden-Württemberg. Wenn Dr. Thomas Lindner im Oktober seine dreijährige Amtszeit startet, dann stellen Firmenkapitäne aus dem Südwesten nahezu ein Jahrzehnt den Präsidenten des Verbands Deutscher Maschinen- und Anlagenbau.

Gewiss ist ein Wirken an der Branchenspitze stets langjährigem Engagement als Vertreter der Zunft zuschreiben. Was einen dazu qualifiziert, ist aber auch gesellschaftliches Engagement, Vorbild als Unternehmer und geschäftlicher Erfolg. Brucklacher, Wittenstein und Lindner – jeder steht einem industriellen Mittelstandsunternehmen vor, das in seiner Sparte Innovations-Champion wie auch Kompetenzführer ist.
Mit seiner Erfolgsformel steht das Trio im Südwesten nicht alleine da. Dass Baden-Württemberg das Herz des deutschen Maschinen- und Anlagenbaus ist, kommt nicht von ungefähr. Die Branche ist für rund 10 % der Bruttowertschöpfung des Landes verantwortlich – und damit neben dem Automobil- und Fahrzeugbau, der Elektrotechnik und dem Gesundheitssektor ein Hauptwachstumstreiber. Fast ein Drittel der Beschäftigten der Branche arbeitet hier.
Hinzu kommt: Die Betonung auf Unternehmertum, Kreativität und Innovation ist ein wichtiger Teil der Geschichte des Landes, in dem das Automobil, aber auch die Bausparkasse erfunden wurden. Tüftler wie etwa Gottlieb Daimler, Carl Benz, Ferdinand Porsche und Arthur Fischer haben dank genialer Geistesblitze zahlreichen Unternehmen Weltgeltung verschafft haben.
Viel Licht wirft aber auch Schatten. Die Industrie hat in Baden-Württemberg das höchste Gewicht. Mit knapp 40 % (2008) der gesamtwirtschaftlichen Leistung setzte sich das produzierende Gewerbe des Bundeslandes an die EU-Spitze. In Deutschland beträgt der Anteil 30,1 %, in Frankreich sind es 20,4 %. Der industriellen Dominanz und der Exportstärke war es 2009, dem schlimmsten Krisenjahr der Nachkriegsgeschichte, geschuldet, dass die Maschinenbauer zwischen Mannheim und Friedrichshafen wie in keinem anderen Bundesland im Tal der Tränen steckten. Umsatzrückgänge, oft im zweistelligen Bereich, haben bei baden-württembergischen Betrieben das Jahr 2009 geprägt.
Jetzt, nach dem Wiederanlaufen der Konjunktur, schätzt Thomas Lindner in seiner Funktion als VDMA-Vorsitzender des Bundeslandes, dass die südwestdeutschen Maschinenbauer ihren Umsatz im laufenden Jahr um 10 % steigern werden. Für Deutschland hat der Verband seine Produktionsprognose für 2010 kürzlich von 3 auf 6 % erhöht.
Das Wachstum für die gesamte Südwest-Industrie schätzt Hans-Eberhard Koch, der Präsident des Landesverbands der Baden-Württembergischen Industrie (LVI), auf über 2,5 %. Frei von Sorgen ist der Branchenvormann dennoch nicht, da „die Industrie vor allem aufgrund der hohen Nachfrage aus China für den Aufwärtstrend verantwortlich ist“. Im Vorjahr lag die Exportquote bei 36,4 %, das sind fast 3 Prozentpunkte über dem Bundesdurchschnitt. Damit war auch der Export ein starker Wachstumsmotor des Bundeslandes in den letzten 20 Jahren.
Wenn sich die derzeit überzogene Chinanachfrage aber wieder normalisiert, tritt die hohe Abhängigkeit von der Auslandsnachfrage wieder offen zu Tage. Dies ist auch der Grund dafür, dass Baden-Württemberg von der jüngsten Wirtschaftskrise mit einem Rückgang des Bruttoinlandsproduktes pro Kopf um mehr als 7 % erheblich stärker getroffen wurde als Deutschland insgesamt mit weniger als 5 %.
Die hohe Exportorientierung ist einer der maßgeblichen Gründe für die Position des Wirtschaftsstandortes. Hervorragend aufgestellt ist das Land aber auch durch seine mittelständische Wirtschaft mit Stärken im Maschinen- und Anlagenbau und der Elektrotechnik sowie seiner Forschungslandschaft. „Das Land verfügt über eine hervorragende Ausgangssituation und zeichnet sich als Wirtschaftsstandort durch eine hohe technologische Leistungsfähigkeit aus“, bescheinigt Dr. Detlev Mohr von der Unternehmensberatung McKinsey.
Die Marktanalysten haben zusammen mit dem Tübinger Institut für Angewandte Wirtschaftsforschung (IAW) ein Gutachten mit dem Titel „Technologien, Tüftler und Talente“ erstellt. Dem Land attestieren sie zwar eine hervorragende Ausgangssituation. So rangiert der Südwesten beim Bruttoinlandsprodukt pro Kopf mit rund 34 000 Euro hinter Bayern und Hessen an dritter Stelle der deutschen Flächenländer. Auch international liegt Baden-Württemberg laut der Studie im oberen Mittelfeld – gemessen an der Bruttowertschöpfung etwa noch vor Österreich, Schweden oder Belgien.
Dennoch ist Gefahr im Verzug. Das Gutachten stellt fest, dass sich die wirtschaftliche Dynamik in den letzten Jahren abgeschwächt hat. Sowohl die Produktivität in den Kernbranchen als auch das Arbeitsvolumen wachsen zu wenig, gemessen an den Wochenarbeitszeiten und der Erwerbstätigenquote. „Trotz der herausragenden Ausgangssituation muss sich das Land weiter anstrengen, um diese Position zu halten“, rät McKinsey-Mann Mohr. Demnach müsste das Wirtschaftswachstum im Südwesten bis 2020 in der Größenordnung von 2,5 bis 3,0 % pro Jahr liegen. In den vergangenen zehn Jahren lag das jährliche Wachstum bei 1,4 % – das ist Platz neun unter den 13 deutschen Flächenstaaten.
Unmissverständlich stellt das Gutachten klar, dass das angestrebte Wachstum bis 2020 rund 500 000 Arbeitsplätze von Ingenieuren, anderen Hochschulabsolventen und Facharbeitern voraussetzen. Mithin eine große Herausforderung für das Land, seine Unternehmen und Ausbildungsstätten.
Der Wirtschafts- und Technologiepolitik des Landes raten McKinsey & Co., künftig auf Schwerpunktthemen zu setzen, die sich durch überdurchschnittliche Zuwachsraten auszeichnen und über Wachstumskerne über klassische Branchengrenzen hinaus verfügen. Demnach sollte sich der Fokus auf vier Schwerpunkte konzentrieren: Nachhaltige Mobilität, Umwelttechnologie und Ressourceneffizienz, Gesundheit und Pflege sowie IT. In diesen Schlüsselsektoren könne die baden-württembergische Wirtschaft deutlich zulegen, heißt es. Die Forscher sehen die Chance, bis zum Jahr 2020 eine zusätzliche Wertschöpfung in Höhe von 50 bis 80 Mrd. Euro zu generieren. Ende 2009 lag das Bruttoinlandsprodukt des Landes bei 344 Mrd. Euro.
Als Umwelttechnologie-Standort winken Baden-Württemberg laut Studie große Chancen. Bei Umwelttechnologie und Ressourceneffizienz schätzen die Berater einen Zuwachs der jährlichen Wertschöpfung in Höhe von 30 bis 45 Mrd. Euro bis 2020. Die Landesregierung reagierte prompt: Laut Umweltministerin Tanja Gönner hat die Regierung bereits beschlossen, eine Landesinitiative zu entwickeln und ein Umwelt- und Innovationszentrum einzurichten. Hier sei das Land, so Gönner, „auf einem sehr guten Weg“.
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