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Tickende Zeitbomben

Altersvorsorge: immense Deckungslücken in Pensionszusagen
Tickende Zeitbomben

Wenn es um die betriebliche Altersvorsorge geht, greifen GmbH-Geschäftsführer am liebsten zur Pensionszusage. Aber wer nicht aufpasst, stolpert am Ende über eine Deckungslücke und Steuerfallen.

Rund 500 000 Mittelständler haben sich bei der eigenen Absicherung und der ihrer Führungskräfte für eine Pensionszusage entschieden. Damit diese Betriebsrente finanziert werden kann, muss bis zum Abschied aus dem Berufsleben genügend Kapital vorhanden sein. Aber genau hier hapert es nur allzu oft.

„Vor allem ältere Pensionszusagen haben häufig Deckungslücken, weil zu wenig für die Betriebsrente angespart wurde“, weiß Steuerberater Mathias Paul Weber aus Angelburg. Auch Betriebsprüfer interessieren sich dafür, ob den Rückstellungen in der Bilanz ein nachvollziehbarer Ansparvorgang gegenübersteht. Ist dem nicht so oder weist der Text der Pensionszusage Formfehler auf, erkennt sie das Finanzamt nicht an. Das kann dazu führen, dass die Rückstellungen wieder gewinnerhöhend aufgelöst werden müssen und nachwirkend Steuern und Zinsen zu zahlen sind. Experten schätzen, dass 70 bis 80 % aller Pensionszusagen fehlerhaft gestaltet sind und entsprechend Zündstoff bergen.
Die meisten Pensionszusagen werden noch immer über eine Kapitallebensversicherung finanziert. Ein Nachteil dabei ist, dass diese Anlageform im Betriebsvermögen grundsätzlich steuerpflichtig ist. Gravierend auf den Ansparvorgang wirken sich die gestiegene Lebenserwartung und Verluste am Kapitalmarkt aus. Beides zusammen ließ die Nettorendite der meisten Policen inzwischen auf 2,5 bis 3,0 % schrumpfen. Weil aber bei der Vereinbarung der Pensionszusage mit einer höheren Nettorendite kalkuliert wurde, klafft am Ende eine deutliche Lücke zwischen Ablaufleistung der Versicherung und Kapitalbedarf für die Pensionszusage.
Ein Beispiel zeigt, um welche Summen es hier geht, auch wenn diese Rechnung bei jedem Betrieb aufgrund individueller Gegebenheiten etwas anders ausfallen mag: Eine GmbH hat ihrem 38-jährigen Gesellschafter-Geschäftsführer im Jahr 2008 eine Pensionszusage über monatlich 3000 Euro ab dem 65. Lebensjahr gegeben. Bis zum Pensionseintritt 2035 soll die Kapitallebensversicherung 541 000 Euro bringen. Dabei ist der tatsächliche Kapitalbedarf deutlich höher: Um eine lebenslange Rente auszahlen zu können, liegt er bei 853 000 Euro.
„Wegen dieser Deckungslücken werden schon länger laufende Pensionszusagen für viele Mittelständler zur tickenden Zeitbombe“, sagt Weber. Denn nicht nur die Ablaufleistung aus der Versicherung ist zu niedrig, die Rückstellungen sind es auch. Weber, der seine Dienste unter dem Namen Steuerconflictcoach anbietet, nennt die Ursache: Der Gesetzgeber hatte bis vor kurzem geregelt, dass die Pensionsrückstellungen in den Steuerbilanzen mit dem Rechnungszins von 6 % angesetzt werden mussten. Erst Ende 2008 wurde das Bilanzmodernisierungsgesetz eingeführt. Seitdem kann zwar auch ein niedrigerer Rechnungszins genommen werden. Aber die Ablaufleistung der Versicherung bleibt höchst wahrscheinlich noch immer niedriger als der Kapitalbedarf.
Die Geschichte hat noch eine Kehrseite: In den ersten Jahren ist die Rückstellung in der Bilanz meist höher als das angesparte Kapital. Das hat drastische Auswirkungen, wenn das Unternehmen verkauft werden soll. Oder der Gesellschafter-Geschäftsführer vorzeitig aus der Pensionszusage aussteigt, weil er die Bilanz und damit das Rating seiner Firma verbessern will. „Wird das Unternehmen verkauft, bevor der Gesellschafter das Pensionsalter erreicht hat, kann er sich nur den Rückkaufswert der Police auszahlen lassen“, erläutert Weber. „Das sind dann vielleicht nur 85 000 Euro. An das Finanzamt muss er aber fast 100 000 Euro Steuern zahlen, weil die Rückstellung ja viel höher bewertet war.“
„Grundsätzlich vermeiden lassen sich Deckungslücken, wenn die Pensionszusage rückgedeckt wird“, erklärt Oliver Dobner vom Versicherungsmakler Marsh aus Frankfurt. Zur Not müsse die dabei zugrunde gelegte Lebensversicherung aufgestockt werden. „Dann speisen sich die Zahlungen für die Altersvorsorge später aus den Leistungen dieser Police.“ Unverzichtbar sind Risikoversicherungen bei einer Pensionszusage ohnehin, wenn es darum geht, elementare Lebensrisiken abzusichern. „Nur so kann ich verhindern, dass es bei Berufsunfähigkeit oder dem Tod des Gesellschafters zur Schieflage der Firma kommt“, sagt Dobner.
Vermögensberaterin Stefanie Schoth aus Neuss umgeht Deckungslücken, indem sie beim Kapitalaufbau auf breit gestreute Sachwertanlagen setzt: „Es gibt spezielle Anlageformen, die langfristig mehr als sechs Prozent bringen und innerhalb des Unternehmens steueroptimiert sind.“ Mögliche Anlageformen sind dabei Aktien-, Renten- und offene Immobilienfonds. Steht noch zusätzliches Kapital zur Verfügung, kann die GmbH dieses in geschlossene Fonds investieren. „Dadurch kann die Firma über die gesamte Laufzeit gesehen gegenüber herkömmlichen Ansparformen 70 Prozent Liquidität einsparen“, erläutert die Inhaberin der Schoth Invest GmbH. „Damit wird ein Kapitalverzehr auch bei einsetzender Rentenzahlung vermieden.“
Unternehmer Klaus Thanscheidt hat sich für eine Fonds-Lösung entschieden. „Ich wollte meine Altersvorsorge aus dem Betrieb heraus absichern und am Ende ein Finanzpolster haben, das mich sorgenfreier leben lässt“, berichtet der Ingenieur, der sich mit seiner THT GmbH auf den haustechnischen Anlagenbau spezialisiert hat. „In den 20 Jahren, die mir zum Ansparen noch bleiben, würde ich aus einer Lebensversicherung sicher nicht so viel Rendite ziehen wie ich es mir wünsche.“ Aus Sicht des Jülichers haben die Fonds noch einen zweiten Vorteil im Vergleich zur Lebensversicherung: „Die Fondsmanager können flexibel reagieren und das Kapital in lukrativere Anlageformen umschichten, wenn es nötig ist.“ Dass dies mit einem höheren Risiko verbunden ist, nimmt Thanscheidt bewusst in Kauf.
Stefanie Schoth empfiehlt die innovativen Finanzierungsformen auch aus steuerlicher Sicht. Denn die in diesem Jahr in Kraft getretene Abgeltungssteuer von 25 % auf Kursgewinne trifft nur Privatanleger, aber nicht den Vermögensaufbau im Unternehmen. Damit sind Kurs- und Veräußerungsgewinne von Dach- und Aktienfonds zu 95 % steuerfrei, wenn sie zum Betriebsvermögen einer Kapitalgesellschaft zählen. Gewinne aus gewerblichen Schiffsbeteiligungen müssen je nach Beteiligungssumme sogar nur mit 1,5 bis 2,0 % versteuert werden.
Wichtig ist auch zu wissen: Wenn die Pensionszusage widerrufbar ist, besteht bei einer Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage im Unternehmen oder gar im Insolvenzfall die Gefahr für den Gesellschafter-Geschäftsführer, dass seine Altersvorsorge gekürzt oder sogar komplett gestrichen wird. Auch eine weitere Absicherung entfällt. Denn für beherrschende Gesellschafter-Geschäftsführer tritt der Pensions-Sicherungs-Verein im Insolvenzfall nicht ein, da er nur für die Betriebsrenten von Mitarbeitern gerade steht.
Um alle Aspekte vor einem Vertragsabschluss abzuklären, sollten Firmenchefs neben einem Anlageberater auch einen Gutachter hinzu ziehen, der juristische, sozialversicherungsrechtliche und steuerliche Fragen beantwortet. Um zu gewährleisten, dass bereits seit einigen Jahren laufende Pensionszusagen inzwischen nicht nachteilig und noch auf dem aktuellen Rechtsstand sind, gehören auch sie regelmäßig auf den Prüfstand. „Das Thema sollte höchste Priorität genießen, weil es sowohl für die eigene Altersvorsorge als auch für den Fortbestand des Unternehmens von fundamentaler Bedeutung ist“, mahnt Weber.
Heidi Trabert Freie Journalistin in Kaarst

Die Pensionszusage
Bei einer Pensionszusage erwirbt ein (leitender) Mitarbeiter von seinem Arbeitgeber den Anspruch auf eine Versorgungsleistung im Rentenalter. Es wird kein dritter Vertragspartner zwischen geschaltet, deshalb spricht man auch von einer Direktzusage. Meist besteht eine Pensionszusage aus drei Bestandteilen: der Altersversorgung (Ruhegehalt), einer Hinterbliebenenversorgung (Witwen- und Waisenrente) und einer Berufsunfähigkeits- oder Invalidenversorgung. Der Arbeitgeber muss für die Pensionszusage in der Bilanz Rückstellungen bilden und Kapital ansammeln.
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