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Überzeugender Kundendienst übersieht die Beziehungsebene nicht

Servicedilemma
Überzeugender Kundendienst übersieht die Beziehungsebene nicht

Professor Bernd Stauss, renommierter Dienstleistungsexperte und Kenner der Literatur, hat einen ungewöhnlichen Tipp, wie Unternehmen ihren Service verbessern können.

Hartmut Volk
Freier Publizist in Bad Harzburg

Service, gemeinhin als Dienst am Kunden verstanden, ist eine Verheißung mit Lieferschwierigkeiten. Zwischen Ankündigung und nachfolgender Tat klafft nicht selten eine beachtliche Lücke. Und deshalb fühlen sich die, denen laut Versprechen eigentlich ein Dienst erwiesen werden sollte, oft nur im negativen Sinn des Wortes bedient. Das verdrießt, lässt die Zornesader schwellen, den Blutdruck steigen und – verleiht der verbalen Empörung darüber nach draußen beachtliche Energie.

Auch der Witz, der sich problematischer Sachverhalte und Verhaltensweisen gern annimmt, mischt dabei kräftig mit. Weshalb der Name Hotline? Weil sie die Gemüter zum Sieden bringt. Den Kontakt zu einer Hotline aufzunehmen, ist oft ein Geduldsspiel. Wer sich auf dieses Spiel einlässt, muss erkennen, er ist in die Rolle des Bittstellers geschlüpft, der in der Lage sein sollte, Zungenschläge zu verdauen, die auf den Magen schlagen.

Mit diversen Druckstellen vertraut

Bernd Stauss hat in einem langen Berufsleben als Hochschullehrer und Dienstleistungsforscher dem Thema Service seine Aufmerksamkeit gewidmet. Er weiß, wo der Schuh drückt und kennt einen hauptsächlichen Auslöser für das Servicedilemma: „Kunden erleben Servicegeschichten – Unternehmen betrachten Service als eine Zahlengeschichte. Unternehmen messen und überprüfen ihren Service und dessen Qualität mit Zahlen. Und das ist der Grund dafür, dass sich ihnen das reale Kundenerleben im Service nicht wirklich erschließt.“

Die Zahlen, sagt Stauss, lassen nahezu alle wichtigen Fragen offen. Zum Beispiel: Wie positiv ist ein erreichter Wert von 2,4 auf einer Fünfer-Zufriedenheitsskala einzuschätzen? Kann das Unternehmen, schulnotenartig gedacht, mit einer Zwei minus zufrieden sein? Was hat der Kunde in der Servicesituation im Kontakt mit dem Unternehmen tatsächlich erlebt? Wie kommt er zu seinem Urteil? Wie erläutert er es? Mit welcher Leistungs- und/oder Verhaltensveränderung wäre der Kunde zufriedener aus der Servicesituation heraus gekommen?

Kundenzufriedenheit besser nicht messen

Solche Fragen würden in der Regel nicht gestellt. Dabei zielten sie genau auf die Details, deren Kenntnis Erkenntnisse dafür liefern könnten, wie Kunden Kundendienst erleben. Und wie sich eine größere Servicezufriedenheit der Kunden erreichen ließe. „Die Messung der Kundenzufriedenheit mit standardisierten Verfahren zeichnet kein zutreffendes Bild davon, wie Kunden den Service tatsächlich erleben. Dadurch bekommen die Unternehmen ein falsches Bild von der Realität, wiegen sich in falscher Sicherheit und merken gar nicht, dass sie in der Zufriedenheitsfalle sitzen“, sagt Stauss.

Und dann macht er für einen Betriebswirtschaftsprofessor einen recht ausgefallenen Vorschlag. Stauss bringt den Literaturnobelpreisträger Thomas Mann ins Spiel. „Um die Augen dafür zu öffnen, wie Service erlebt wird und was Service tatsächlich bedeutet, ist Thomas Mann genau der Richtige. In seinen Romanen und Novellen beschreibt er Dienstleistungssituationen und wie Kunden Dienstleistungen erleben so detailliert und meisterhaft, dass beides deutlich wird: worauf es ankommt und woran es heute mangelt.“ Stauss, der auch nach seiner Entpflichtung als Inhaber des Lehrstuhls für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre und Dienstleistungsmanagement an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt ein gefragter Ratgeber ist, wäre nicht Stauss, hätte er dieser Überzeugung nicht substanziell Gestalt verliehen. In einem erhellenden Buch: „Wenn Thomas Mann Ihr Kunde wäre – Lektionen für Servicemanager“.

Kunden erleben Erlebnisse

Nun lebte Thomas Mann in Zeiten, die von anderen Sitten geprägt waren. Ist er mit seinen Beobachtungen heute noch aussagekräftig? „Die Zeiten ändern sich, die Bedürfnisse der Menschen hingegen haben eine erstaunliche Beständigkeit. Die Vorstellung der Kunden, wie sie behandelt werden möchten, sind in ihren Grundzügen unverändert“, sagt Stauss. Kunden erleben eine Dienstleistung nicht als Wert auf einer konstruierten Skala. Sie erleben sie ganz konkret in positiven oder negativen Eindrücken. Kunden erleben Erlebnisse.

Deshalb zeigten die von Thomas Mann geschilderten Episoden bis auf den Tag beispielhaft und gültig: Das Qualitätserleben von Kunden ist viel komplexer als dies in der üblichen normierten Zufriedenheitsmessung erfasst wird. In den von Mann erzählten Dienstleistungsepisoden lasse sich zeitlos gültig nachempfinden, in welch hohem Maß Kunden auf der Beziehungsebene reagieren und wie jeder einzelne Kundenkontakt aus dieser Perspektive die weitere Qualitätswahrnehmung und das Verhalten der Kunden beeinflusst.

Warum Enttäuschungen im Service so schwer wiegen

„Bei Thomas Mann lässt sich nachlesen, wie es sich anfühlt, als Kunde nicht ernst genommen, geringschätzig behandelt, abschätzig gemustert oder nachteilig behandelt zu werden. Mann, dieser akribische Beobachter, wusste um die Empfindungen, Erwartungen und Hoffnungen von Kunden und beschrieb dies außergewöhnlich präzise. Bei ihm wird verständlich, weshalb Enttäuschungen im Service so schwer wiegen. Und weshalb es im Sinne der Unternehmen wäre, die Macht dieser Beziehungsebene für sich wieder zu entdecken und ihr Rechnung zu tragen“, lautet sein dringlicher Appell.

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