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Im Projekt MEgA haben Arbeitspsychologen der Universität Heidelberg untersucht, wie sich die Digitalisierung auf den Menschen auswirkt. Sie schlagen präventive Maßnahmen vor, um die Gesundheit zu schützen, und erstellen eine Toolbox für KMU.

Projekt MEgA erstellt Toolbox „Gesunde Arbeit 4.0“
Verändert die Digitalisierung den Menschen?

Noch weiß die Forschung wenig darüber, was die Digitalisierung mit dem Menschen macht. Doch jetzt kommt ein Projekt zum Abschluss, das die Auswirkungen untersucht. Arbeitspsychologen der Universität Heidelberg schlagen präventive Maßnahmen vor und erarbeiten eine Toolbox für KMU.

Marie Louise Posdzich
Projektmitarbeiterin Öffentlichkeitsarbeit, Arbeits- und Organisationspsychologie der Universität HeidelbergDr. Philipp Lechleiter
Projektmitarbeiter KMU, Arbeits- und Organisationspsychologie der Universität Heidelberg

Industrie 4.0, Big Data, Cyber-Physical-Systems und Cloud-Computing sind nur einige von vielen Schlagworten, die eine neue digitale Ära in der Arbeitswelt ausrufen. Obwohl es bislang eher die großen Unternehmen sind, die ihre Arbeitsabläufe und Geschäftsmodelle digitalisieren und Investitionen mit Nachdruck vorantreiben, hält der technologische Wandel auch in kleine und mittlere Unternehmen (KMU) Einzug. Der Monitor „Digitalisierung am Arbeitsplatz“ [1, 2016] zeigt, dass bereits 83 % aller Beschäftigten digitale Informations- und Kommunikationstechnologien wie Laptops, Smartphones oder Tablets an ihrem Arbeitsplatz nutzen.

Digitale Technologien, aber auch der demografische Wandel sowie veränderte Werte und gesellschaftliche Ansprüche stellen unsere Arbeitswelt vor Umbrüche. Fach- und Führungskräfte stehen neuen Anforderungen gegenüber – sei es durch neue Tätigkeiten und Aufgaben oder veränderte Arbeitsformen. Die Digitalisierung kann für ihre Gesundheit Chancen bedeuten, aber auch Risiken. Benötigt werden Strategien und Konzepte eines präventiven Human-Resource(HR)- und Gesundheitsmanagements, um Beschäftigte auf lange Sicht gesund zu erhalten und ihre Kompetenzen zu fördern.

Psychische Belastungen nehmen zu

Wie sich digitale Technologien langfristig auf unsere Gesundheit auswirken, wissen wir im Moment noch nicht, da hierzu bislang kaum belastbare Forschung vorliegt. Allerdings steht außer Frage, dass die Beschleunigung, Vernetzung und Flexibilisierung der Arbeit zunimmt – und damit auch psychische Belastungen durch die Arbeit. Solche Belastungen meinen Anforderungen wie die schnelle Verarbeitung vielfältiger Informationen bei knappen Zeitbudgets oder zunehmender Verantwortungsumfang der Beschäftigten [2, 2017].

Belastungen können in ihren Wirkungen als (potenzielle) Ressourcen oder als (potenzielle) Stressoren auftreten. Studien lassen Rückschlüsse zu, dass sich die Belastungsfaktoren vor allem hin zu mehr Freiheiten und Flexibilität am Arbeitsplatz ändern. Für die Beschäftigten steigen damit die Anforderungen an Eigenverantwortung und selbstregulative Fähigkeiten. Mitarbeiter und Führungskräfte werden zukünftig stärker gefordert sein, sich selbst und ihren Arbeitsalltag gemäß den Beanspruchungen zu regulieren, will man die Chancen der Digitalisierung nutzen.

Die wohl größte Herausforderung liegt im schnellen Informationstransfer, denn eine schwer zu bewältigende Menge an Informationen oder gleichzeitig zu erledigende Aufgaben sind mögliche Stressoren. Indem Beschäftigte auch außerhalb der regulären Arbeitszeit immer häufiger berufliche Aufgaben übernehmen, verschwimmen die Grenzen zwischen Arbeit und Privatleben. Vor allem von Führungskräften wird erwartet, außerhalb der regulären Arbeitszeit erreichbar zu sein – Stichwort digitale Omnipräsenz.

Obgleich viele Beschäftigte das Bedürfnis nach einer deutlichen Trennung von Arbeit und Privatleben verspüren, schätzen sie die Möglichkeiten einer solchen Trennung in ihren Organisationen als vergleichsweise gering ein [3, 2014]. Diese erlebte Diskrepanz führt zu Motivationsverlusten und stellt eine Gefahr für psychische Gesundheit und Wohlbefinden dar.

Arbeit 4.0 erfordert neue Konzepte

Neben der Erfassung psychischer Belastungen am Arbeitsplatz sind Unternehmen daher gefordert, geeignete Konzepte für eine flexible Arbeitszeitgestaltung auf den Weg zu bringen. Auch die Kompetenzförderung ist eine wichtige Stellschraube, um den Anforderungen der Digitalisierung gerecht zu werden. Die aktuelle Studie „The Future of Skills: Employment in 2030“ zeigt, dass in digitalisierten Unternehmen vor allem Kompetenzen aus der Methoden- und Sozialkompetenz gefragt sind [4, 2017]. Obwohl Planungs- und Organisationsfähigkeiten, Kommunikations- und Teamfähigkeit auch in weniger digitalisierten Unternehmen wichtig sind, steigt deren Relevanz mit zunehmendem Digitalisierungsgrad.

In einer vernetzten, globalisierten Arbeitswelt werden zudem digitale Kompetenzen, IT-Fachwissen und Fremdsprachenkenntnisse immer wichtiger. Zu diesem Fazit kommt eine qualitative Interviewstudie, die Arbeits- und Organisationspsychologen der Universität Heidelberg im Jahr 2016 durchgeführt haben [5, 2017]. Befragt wurden 88 KMU-Experten in 62 KMU deutschlandweit, vornehmlich Geschäftsführer, Personalverantwortliche und HR-Manager.

Mit dem Projekt „Maßnahmen und Empfehlungen für die gesunde Arbeit von morgen“ (MEgA) unterstützt die Arbeits- und Organisationspsychologie der Universität Heidelberg die Unternehmen – insbesondere KMU – dabei, ein präventives, modernes HR- und Gesundheitsmanagement aufzubauen. Das Projekt hat dazu eine umfassende Bedarfsanalyse für KMU durchgeführt und die in Großunternehmen erfolgreich eingesetzte „Gefährdungsbeurteilung Psychische Belastung“ (GPB) an die Bedarfe von KMU adaptiert. Zudem entwickeln die Wissenschaftler ein webbasiertes Training zur Selbstregulation im Umgang mit digitalen Technologien.

MEgA ist das wissenschaftliche Begleitvorhaben eines Förderschwerpunktes des Bundesministeriums für Bildung und Forschung, in dem über 150 Partner innovative Lösungen für eine präventive Arbeitsgestaltung erarbeiten. Die Beteiligten kommen aus Wissenschaft, Wirtschaft sowie Arbeits- und Gesundheitsschutz. Mit den Erkenntnissen aus diesen Projekten und aus der eigenen Forschung entwickelt MEgA eine Toolbox, deren Werkzeuge insbesondere auf die Bedürfnisse von KMU zugeschnitten sind (Tools, Leitfäden, Handlungsempfehlungen). Die Toolbox „Gesunde Arbeit 4.0“ wird ab Herbst 2018 gratis auf der Online-Plattform www.gesundearbeit-mega.de verfügbar sein.

www.gesundearbeit-mega.de

Literatur:

[1] Arnold, D., Butschek, S., Steffes, S. & Müller, D. (2016). Monitor: Digitalisierung am Arbeitsplatz. Aktuelle Ergebnisse einer Betriebs- und Beschäftigtenbefragung. Berlin: Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS).

[2] Sonntag, Kh. & Feldmann, E. (2017). Erfassungen psychischer Belastungen am Arbeitsplatz. ASU Arbeitsmedizin, Sozialmedizin, Umweltmedizin, 52 (9), 638–641.

[3] Sonntag Kh. (2014). Arbeit und Privatleben harmonisieren. Life Balance Forschung und Unternehmenskultur: Das WLB-Projekt. Kröning: Asanger.

[4] Bakhshi, H., Downing, J., Osborne, M. & Schneider, P. (2017). The Future of Skills: Employment in 2030. London: Pearson and Nesta.

[5] Lechleiter, P., Purbs, A. & Sonntag, Kh. (2017). Human-Resources- und Gesundheitsmanagement in der Arbeit 4.0. ASU Arbeitsmedizin, Sozialmedizin, Umweltmedizin, 52 (10), 730–733.

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