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„Viele Prozesse bergen noch große Potenziale“

WZL-Direktor Prof. Fritz Klocke erläutert wie sich in der Fertigung Ressourcen sparen lassen
„Viele Prozesse bergen noch große Potenziale“

Die ressourcenschonende Produktion ist ein Thema des Aachener Werkzeugmaschinen Kolloquiums. Prof. Fritz Klocke erläutert warum. Er ist einer von vier Direktoren des Werkzeugmaschinenlabors (WZL) der RWTH Aachen und des Fraunhofer-IPT, Aachen.

Herr Professor Klocke, das erste AWK fand vor 60 Jahren statt. Wie hat sich die Zielsetzung seither verändert?

Bei der Premiere stand das Aachener Werkzeugmaschinen Kolloquium ganz im Zeichen des Wiederaufbaus nach dem zweiten Weltkrieg. Es war an die deutsche Werkzeugmaschinen-Industrie gerichtet. Dort bestand großer Forschungsbedarf. Heute ist das AWK eine breite Plattform, um Fragen der Produktionstechnik ganzheitlich zu diskutieren. Das heißt, es geht nicht nur um einzelne Betriebsmittel, sondern um Systeme bis hin zur Fabrik, und um die Menschen, die in den Unternehmen arbeiten.
Welche Ziele verfolgen Sie als Veranstalter mit dem Expertentreff?
Das AWK soll die Diskussionsplattform für Produktionstechnik in Hochlohnländern sein. Wir halten den Zeitraum von drei Jahren, der zwischen den Veranstaltungen liegt, für eine gute Spanne, um eingeleitete Maßnahmen auf ihre Wirksamkeit zu prüfen und neue Entwicklungen anzustoßen.
Erstmals gibt es zwei parallele Vortragsreihen. Was ist der Grund dafür?
Wertschöpfung entsteht über die gesamte Prozesskette eines Unternehmens, von der Produktentwicklung bis zum Service. Die Organisation, das harmonische Zusammenwirken des Ganzen ist auch wichtig. Hochlohnländer haben nicht in allen Bereichen der Wertschöpfung gleiche Fähigkeiten, gleich gute Chancen, erfolgreich zu sein. Die beiden Vortragsreihen sollen helfen, unsere Stärken und Schwächen in den Wertschöpfungsschritten zu identifizieren und Neues anzudenken. Sie bieten die Chance, sich mit verschiedenen Themen der Wertschöpfung ganzheitlich auseinanderzusetzen. Für Menschen, die industrielle Produktion prägen und gestalten, ist es wichtig, Details zu kennen, aber immer auch den Gesamtblick zu haben. Wir würden uns wünschen, dass die Teilnehmer rege zwischen den Vortragsreihen hin und her wechseln.
Eines der zentralen Themen des diesjährigen AWK ist die ressourcenschonende Fertigung. Wie effizient gehen die Betriebe derzeit mit Ressourcen um?
Unsere Erfahrung sagt, dass Ressourcenschonung und -effizienz heute schon wichtig sind und zukünftig sogar noch größere Bedeutung gewinnen. Im produzierenden Gewerbe entfallen in Deutschland mittlerweile rund 40 Prozent der Kosten auf Rohstoffe. Trotzdem verfügen die wenigsten Unternehmen bislang über geeignete Methodiken, den Ressourcenverbrauch systematisch zu erfassen, zu analysieren und darauf aufbauend Maßnahmen für eine Verringerung abzuleiten. Dies gilt insbesondere auch für Kreislaufprozesse, in denen Energie zurück gewonnen oder bei Überangebot an andere Verbraucher weitergeleitet wird. Bei vielen Unternehmen werden die Energiekosten sogar noch über die Gemeinkosten umgelegt. Und die werden vielfach nicht so genau angeschaut. Angesichts der Energie- und Rohstoffpreise ist es sehr sinnvoll, sich strategisch mit der Ressourcenfrage im Detail auseinander zu setzen.
In welchen Bereichen sehen Sie das größte Einsparpotenzial?
Man kann generell sagen: Überall dort, wo wir Abfall oder Ausschuss erzeugen, haben wir es mit einer großen Ressourcenverschwendung zu tun. Je später im Fertigungsprozess es zum Ausschuss kommt, umso größer ist diese Verschwendung, weil bereits große Energiemengen im Produkt stecken. Aber auch dort, wo große Teile eines Halbzeugs ausgeschnitten oder große Mengen an Material zerspant werden, verschwenden wir Ressourcen. Aus diesem Grund sind auch die Near-Netshape- oder die Netshape-Technologien nach wie vor aktuell. Wir müssen uns auch Gedanken darüber machen, bei bestimmten Anwendungen die Toleranzen aufzuweiten. Die bisherige Philosophie lautete: So genau arbeiten wie möglich. Vielfach ist die hohe Präzision jedoch für die Funktion eines Bauteils nicht unbedingt notwendig. Wer die Funktion eines Produkts gut durchschaut, kann in bestimmten Bereichen breitere Toleranzfelder zulassen, ohne die Qualität des Gesamtsystems zu beeinträchtigen.
Welche Voraussetzungen müssen gegeben sein, um die Potenziale ausschöpfen zu können?
Die Produktion muss konsequent auf Ressourcenschonung optimiert werden. Vielleicht helfen auch Kennwerte, in denen wir den Einsatz der Produktionsmittel auf die Ressourceneffizienz beziehen, um die Ressourcenrelevanz sichtbar zu machen. Ansatzpunkte liegen natürlich in der Gestaltung der Bauteile, der Fertigungstechnologien und des Produktionsumfelds. Außerdem ist es wichtig, dass sich jeder der Begrenztheit von Ressourcen bewusst ist und entsprechend handelt.
Wo sehen Sie den größten Handlungsbedarf in den Unternehmen?
Kurzfristig würde ich alle motivieren, in ihrer Fertigung die Frage der Ressourceneffizienz intensiv anzugehen und dabei alle Ressourcen zu betrachten, die eingesetzt werden. Dazu gehören die Betriebs- und Hilfsstoffe genauso wie der Energiebedarf oder die eingesetzten Rohstoffe. All das, was bisher in den Fertigungsgemeinkosten versteckt ist, würde ich mir sehr genau anschauen und die Wirksamkeit potenzieller Maßnahmen abschätzen. Jeder produzierende Betrieb sollte ein Ressourcen-Benchmark durchführen. Dabei gilt es zu klären, was als Rohressource zugeführt wird, was als Fertigressource herauskommt, wie die Ressourcenwandlung vom Roh- zum Fertigteil realisiert ist und wo die Ressourcenverluste liegen. Wir haben hier bereits sehr gute Erfolge erzielt. Wer bei diesen Fragen hellhörig wird, der sollte eine saubere Ist-Aufnahme initiiren und dann ein Zukunftsszenario entwerfen und schauen, welche Situation er im eigenen Bereich in fünf Jahren erwarten kann. Dies mag dann die entscheidenden Schritte zum strategischen Handeln auslösen.
Woran muss die Wissenschaft arbeiten?
Der Forschung empfehle ich, schnellst möglich eine Methode zu erarbeiten und bereitzustellen, mit deren Hilfe Unternehmen Fertigungsprozesse und Prozessketten mit Blick auf die Ressourcen- und Energieeffizienz bewerten können.
Vor dem Hintergrund der Lebenszykluskosten eines Produkts ist nicht nur der Ressourcenverbrauch in der Produktion wichtig, sondern auch jener im Betrieb…
…deshalb muss man die Energieeffizienz-Frage immer unter zwei Gesichtspunkten sehen – der eine ist die Energieeffizienz bei der Herstellung, der andere jene in der Nutzungsphase. Gelingt es beispielsweise durch ein aufwändigeres Fertigungsverfahren den Wirkungsgrad eines Pkw-Getriebes zu verbessern, kann das in der Gesamtbilanz deutlich günstiger sein, als ein etwas geringerer Energieverbrauch in der Produktion. Auch für den Hersteller kann sich das rechnen: Der Mehrwert, den er seinen Kunden bietet, kann der entscheidende Wettbewerbsvorteil sein. Dieser Aspekt wird oft unterschätzt. Gleichwohl ist klar, dass kein Betriebsleiter ohne weiteres einverstanden ist, die eigene Bilanz zu verschlechtern. Der Betriebsabrechnungsbogen ist da unerbittlich. Es geht also immer darum, beide Seiten zu optimieren. Wenn wir uns beispielsweise mit der Karosserie der Zukunft beschäftigen, dann tun wir das, weil wir effizientere Fertigungsverfahren und eine effizientere Betriebsphase realisieren wollen.
Sehen Sie in der Notwendigkeit, sorgsam mit Ressourcen umzugehen, eher eine Chance oder ein Risiko für die heimischen Unternehmen?
Hier liegen nur Chancen. Wer das Ressourcenmanagement beherrscht, wird Kosten einsparen und das Image der Produkte sowie des Unternehmens steigern.

Kosteneffizienz
Bewusster Umgang mit Ressourcen kann Unternehmen nicht nur Geld sparen, sondern auch einen Imagegewinn verschaffen. Dabei sollte nicht nur an den Rohstoff- und Energieeinsatz in der Produktion gedacht werden. Ein geringer Verbrauch während des Betriebs eines Produkts ist für den Kunden ein Mehrwert und für den Hersteller ein entscheidender Wettbewerbsvorteil.
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