Startseite » Management »

Von Kopf bis Fuß umgewälzt

Hema setzt auf Mitarbeiterverantwortung und agiles Management
Von Kopf bis Fuß umgewälzt

Die zunehmende Digitalisierung wirkt sich bis in die Tiefen von Unternehmen aus: Manche Firmen verzichten sogar auf Hierarchien. Wie das erfolgreich gelingt, zeigt der Maschinenbauer Hema.
In der Industrie der Zukunft ändern sich interne Strukturen und Prozesse teilweise grundlegend. Vor allem Wissensarbeiter übernehmen mehr Verantwortung und benötigen somit auch größeren Spielraum – hierbei spricht man von einem sogenannten „agilen Management“. Eine dementsprechende Neu-Strukturierung der internen Hierarchien hat das schwäbische Unternehmen Heermann Maschinenbau (Hema) mit Sitz in Frickenhausen durchlaufen. Damit hat der Hersteller mit 45 Mitarbeitern eine um 18 % höhere Produktivität erreicht.
Zu Beginn der 2000er Jahre produzierte das Familienunternehmen zu 80 % Standardmaschinen und lediglich zu einem Fünftel Sondermaschinen. Doch dieser Anteil stieg kontinuierlich. Mit klassischen Führungsmethoden kam der Spezialist für Sägen und Schneiden an Grenzen. Mit einem Großprojekt in Form einer Schaumglasproduktion für Russland waren diese letztlich überschritten. Drei Viertel des Projekthandbuchs hatte der Wirtschaftsingenieur und Projektmanager bei Hema, Marco Niebling, bereits geschrieben, doch das war bürokratisch und verhieß wenig Effizienz und Profit.
Teams geben die Anforderungen für ein Projekt vor
Der systemische Coach kannte agiles Management bereits von anderen Firmen. Mit der Management-Methode werden nicht nur Projekte gesteuert, sondern die gesamte Führung und Organisation neu strukturiert. Projektteams formulieren hierbei Anforderungen und die Geschäftsführung sorgt dafür, dass alle bekommen, was sie für produktives Arbeiten benötigen und gemeinsam in eine Richtung marschieren.
Im Sommer 2013 entschied sich die Geschäftsführung des schwäbischen Produzenten für ein Unternehmen ohne Hierarchien – gemäß der Vorgaben des agilen Managements. Und diese Entscheidung erwies sich als erfolgreich: Statt wie bisher auf ein breites Portfolio zu setzen, hat sich Hema auf Leichtbau und hochwertige Dämmstoffe spezialisiert. Die 45 Mitarbeiter arbeiten nun rund 18 % produktiver im Vergleich zu vorher, teilt das Unternehmen mit. Das zeige sich am Einsatz von Ressourcen und dem Umsatz, so Niebling. Auch der Arbeitsschwerpunkt hat sich gedreht: Heute machen Sonderanfertigungen etwa 60 % des Umsatzes aus. „Ohne gemeinsames Ziel führt Selbstorganisation ins Chaos“, warnt der Hema-Projektmanager aber.
Mehr als ein Drittel der Unternehmen nutzt agiles Management
Agile Methoden nehmen in der Projektarbeit einen höheren Stellenwert ein, zeigt eine Studie des Personaldienstleisters Hays und der PAC-Unternehmensberatung aus dem vergangenen Jahr. Bereits zwei Drittel der befragten Unternehmen halten sie für wichtig und 40 % nutzen sie sogar zu Teilen. Allerdings gibt es oft Widerstände bei der Umsetzung: Konkurrenzdenken einzelner Fachbereiche verhindert vernetztes Handeln (72 %). Zudem beansprucht das Tagesgeschäft zu viel Zeit (65 %). Auch die geringe Akzeptanz bei den Mitarbeitern (55 %) steht der Veränderung im Weg.
Um dem entgegenzuwirken, besuchten die Hema-Mitarbeiter innerhalb eines halben Jahres einen anderen Maschinenbauer, schauten sich dort die Prozesse an und diskutierten mit den Kollegen. „Dadurch haben wir eine hohe Identifikation erreicht“, erzählt Hema-Geschäftsführer Christoph Heermann. Die Mitarbeiter waren begeistert und zogen mit.
Firmenkultur behindert meist technische Entwicklung
„Technisch gesehen ist Industrie 4.0 relativ weit“, urteilt Frank Schabel, Sprecher des Personaldienstleisters Hays. Doch die Firmenkultur entwickle sich oft nicht parallel: „Die Menschen blockieren die Veränderungen, weil sie die Chancen nicht begreifen“. Drei Aspekte seien hier laut des Experten wichtig. Unternehmen benötigen zunächst eine andere Art von Führung – eher einen Coach und Moderator, der nicht mehr fachlich führt. Zum zweiten bedürfe es einer hohen Flexibilität und einer ausgeprägten Lernkultur. Und zum dritten müsse in Unternehmen transparenter kommuniziert und die Mitarbeiter stärker einbezogen werden.
Hilfreich sei zudem eine Strategie der kleinen Schritte: Angefangen vom Homeoffice über flexible Arbeitszeiten, bis zum Vorstand, der in der Café-Ecke ansprechbar ist oder einem kollektiven Bonus, weiß Schnabel. „Die Mitarbeiter müssen die Transparenz und Authentizität spüren und mehr Freiräume bekommen“.
Der Maschinenbauer hat aus diesem Grund den Umwandlungsprozess seit Beginn von der Coaching-Agentur Lead Aktiv aus Heidelberg begleiten lassen. Wertschätzende Kommunikation und Feedbackregeln wurden in Rollen- und Planspiele eingeübt, damit Absprachen etwa zwischen Vertrieb und Entwicklung besser funktionieren. „Wir haben einen Flughafen aus Lego entwickelt und gebaut“, erzählt Niebling. Hintergrund hierfür sei, dass Mitarbeitern fern von der täglichen Arbeit klarer werde, um was es bei Projekten grundsätzlich geht. „Die Projekte bekommen einen Fluss“, freut sich Niebling. Auch die Spannungen zwischen Mitarbeitern in unterschiedlichen Funktionen hätten sich so verringert, erzählt er.
„Ich sehe, wie sich die Mitarbeiter entwickeln“, freut sich Geschäftsführer Heermann. Dazu gehört auch eine größere Verantwortung der Angestellten: Nach der Vorauswahl durch die Geschäftsführung, entscheiden sich die Teams selbst für neue Mitarbeiter. Doch Verantwortung hat nicht nur schöne Seiten, gibt der Unternehmenschef zu bedenken. Denn wenn kein Chef mehr entscheidet, müssen die Kollegen ihre Auseinandersetzungen und Konflikte selbst lösen. Das bedeutet: Wenn gemeinsam eingestellt wird, dann muss auch zusammen über Entlassungen entschieden werden.
Jens Gieseler, Freier Autor in München
Unsere Webinar-Empfehlung
Industrieanzeiger
Titelbild Industrieanzeiger 6
Ausgabe
6.2024
LESEN
ABO
Newsletter

Jetzt unseren Newsletter abonnieren

Webinare & Webcasts

Technisches Wissen aus erster Hand

Whitepaper

Aktuelle Whitepaper aus der Industrie

Unsere Partner

Starke Zeitschrift – starke Partner


Industrie.de Infoservice
Vielen Dank für Ihre Bestellung!
Sie erhalten in Kürze eine Bestätigung per E-Mail.
Von Ihnen ausgesucht:
Weitere Informationen gewünscht?
Einfach neue Dokumente auswählen
und zuletzt Adresse eingeben.
Wie funktioniert der Industrie.de Infoservice?
Zur Hilfeseite »
Ihre Adresse:














Die Konradin Verlag Robert Kohlhammer GmbH erhebt, verarbeitet und nutzt die Daten, die der Nutzer bei der Registrierung zum Industrie.de Infoservice freiwillig zur Verfügung stellt, zum Zwecke der Erfüllung dieses Nutzungsverhältnisses. Der Nutzer erhält damit Zugang zu den Dokumenten des Industrie.de Infoservice.
AGB
datenschutz-online@konradin.de