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Fabrikbaukästen beschleunigen die Planung
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Fabrikplanung | Fabrikplanungsansätze müssen Mehraufwände vermeiden und Planungsprojekte beschleunigen. Baukastenlösungen können dies unterstützen. Um sie zu entwickeln, bedienen sich Forscher des WZL bei Ansätzen der Produktentwicklung.

Dr. Peter Burggräf, Moritz Krunke, Hanno Voet WZL der RWTH Aachen

Kürzere Produktlebenszyklen, ein globalisiertes Marktumfeld und steigende Innovationsdynamiken machen es notwendig, Produktionsprozesse ständig anzupassen. Die Produktion wird dabei kontinuierlich optimiert, was die Fabrikplanung zu einer permanenten Aufgabe in Unternehmen macht. Dabei können die Planungsprojekte von kleineren Produktionsoptimierungen über Restrukturierungen einzelner Produktionsabschnitte bis hin zu Neuplanungen ganzer Fabriken reichen.
Hierbei steigt die Komplexität in Fabrikplanungsprojekten kontinuierlich an. Gleichzeitig wird eine immer schnellere Abwicklung der Projekte gefordert, um auf die gesteigerten Marktdynamiken reagieren zu können. Um den Herausforderungen in den einzelnen Fachdisziplinen gerecht zu werden, braucht es eine Vielzahl von Fachexperten, was die Gesamtzahl der Planungsbeteiligten drastisch erhöht. Umso wichtiger sind ein zielgerichtetes Projektmanagement und ein effizienter Wissenstransfer zwischen den Beteiligten. In aktuellen Fabrikplanungsprojekten zeigt sich jedoch immer wieder, dass die meisten Projekte zwar ihre inhaltlichen Qualitätsziele erreichen, jedoch hinsichtlich Kosten- und Zeitzielen große Defizite aufweisen. Ziel muss es daher sein, diese Mehraufwände zu vermeiden und Planungsprojekte zu beschleunigen. Im Rahmen des Aachener Fabrikpla- nungsvorgehens wurde am WZL der RWTH Aachen eine Methodik zur Entwicklung von Fabrikbaukästen entworfen. Diese greift explizit auf Ansätze aus der Produktentwicklung zurück, die ähnlichen Herausforderungen wie die Fabrikplanung gegenübersteht.
Analogien zwischen Produktentwicklung und Fabrikplanung
Sowohl bei der Produktentwicklung als auch bei der Fabrikplanung wird (weitestgehend) ein physischer Gegenstand betrachtet. Da das Vorhaben jeweils Projektcharakter hat, lässt sich in beiden Fällen ein hoher Individualitätsgrad nachweisen. Zudem zeigen beide Disziplinen eine hohe Komplexität des Planungsgegenstands sowie eine geringe Reversibilität der Planungsergebnisse. Lediglich die Lebensdauern der Vorhaben stellen sich unterschiedlich dar. Die durchschnittliche Lebensdauer von Produkten beträgt häufig weniger als zehn Jahre. Fabriken hingegen sollen meist über 20 Jahre erhalten bleiben. In der Produktentwicklung wie in der Fabrikplanung ist eine hohe Anzahl von Planungsobjekten zu berücksichtigen. Beide weisen wechselseitige Abhängigkeiten bis über die Systemgrenzen hinaus auf. Bei der Wiederverwendbarkeit der Planung gibt es Abweichungen, da in der Fabrikplanung nicht genügend Standardisierungen und Modularisierungen vorzufinden sind. In der Produktentwicklung hingegen lässt sich bereits auf viele Lösungsansätze zurückgreifen. Fabriken sind somit besonders komplexe, sich kontinuierlich ändernde Produkte mit einem sehr langen Lebenszyklus.
Als Reaktion auf die Herausforderungen der Produktvielfalt und -komplexität bei sinkenden Produktlebenszyklen wurde in der Produktentwicklung das Konzept der Produktstrukturierung und Modularisierung entwickelt. Die Struktur unterstützt einen effizienten Entstehungs- und Abwicklungsprozess und hilft, Mengen- und Zeiteffekte im Unternehmen zu realisieren.
Eine Vorreiterrolle besetzt in der Industrie der Volkswagen-Konzern mit dem modularen Querbaukasten (MQB). Der ehemalige Markenvorstand Entwicklung bei VW, Dr. Ulrich Hackenberg, bezifferte die Potenziale durch den Einsatz des MQB auf circa 20 % bei den Einmal- und Stückkosten und rund 30 % bei den Fertigungszeiten. Dies lässt darauf schließen, dass durch den Einsatz von Baukastensystemen ebenfalls in der Fabrikplanung erhebliche Potenziale realisierbar sind. In der Studie „Exzellente Fabrikplanung“ 2014 wurden diese kostenseitig auf circa 15 % und terminlich auf 23 % (Greenfield) oder 12 % (Brownfield) geschätzt, was die hohe praktische Relevanz dieses Themas verdeutlicht.
Ebenso wurden in der genannten Studie die wesentlichen Defizite im industriellen Einsatz von Fabrikstandards untersucht (siehe Chart oben links). Dazu wurden die Teilnehmer gefragt, in welchen Bereichen sie mit den größten Problemen beim Einsatz von Fabrikstandards rechnen. Für besonders problematisch wurden die Durchsetzung und Umsetzbarkeit auf internationaler Ebene, die komplexe Nutzenabschätzung und die mangelnde Spezifität befunden. Auch hinsichtlich der Existenz von Soll-Prozessen zur Entwicklung der Fabrikstandards wird eine methodische Lücke deutlich.
Probleme in der Praxis im Umgang mit Fabrikbaukästen
Darüber hinaus berücksichtigen viele Teilnehmer Best-Practice-Lösungen, Muss-Standards wie etwa Gesetzesvorgaben und Checklisten bei der Definition ihrer Standards. Etwas seltener wird auf Varianten-Standards zurückgegriffen. Auf die Frage, ob die Teilnehmer nur eine spezifische Lösung für jedes einzelne Element oder ein Baukastensystem mit verschiedenen Varianten benutzen, antworteten sie, dass keine der beiden Lösungen gänzlich benutzt wird, sondern die praktische Ausgestaltung meist in Form eines Kompromisses zwischen diesen beiden Alternativen liegt.
Die praktischen Probleme in der Entwicklung von Baukastensystemen für die Fabrik lassen sich unter folgenden Punkten zusammenfassen:
  • Internationale Anwendbarkeit der Standards häufig nicht gegeben (keine Ländervarianten vorhanden)
  • Nutzenabschätzung erfolgt bisher auf Basis von Erfahrungen, keine systematische Entscheidungsunterstützung vorhanden
  • Keine durchgängigen Soll-Prozesse zur Erarbeitung der Fabrikbaukästen vorhanden
  • Aktuell sind vor allem singuläre Lösungen in Standards abgedeckt, Varianten-Standards oder Baukastenlösungen werden kaum berücksichtigt
Als Lösungsansatz für die Methodik wurde am WZL der RWTH Aachen ein Modell entwickelt, das auf drei Phasen aufbaut: Dekomposition, Synthese und Manifestation (siehe Chart oben rechts). Ziel der Dekompositionsphase ist die Aufnahme und Analyse der bestehenden Vielfalt der Fabrikelemente in der aktuellen Werkslandschaft des Unternehmens. Hierzu müssen die entsprechenden Varianten der Fabrikelemente systematisch über einen Strukturbaum analysiert werden. Ein weiterer wesentlicher Schritt ist die Prognose von zukünftigen Technologien oder Ausgestaltungen der Fabrikelemente, was sich bei der langen Lebensdauer von Fabriken als große Herausforderung erweist.
Nachdem die Varianz und Vielfalt der Fabrikelemente über die verschiedenen Werke aufgenommen wurde, wird diese in der zweiten Phase, der Synthese, wieder zusammengeführt und zu einem modular aufgebauten Baukasten verdichtet. In diesem Schritt werden verschiedene Modulkonzepte erarbeitet und der Nutzen bzw. die Vorteilhaftigkeit in einem Kostenmodell bewertet.
In der Manifestationsphase schließlich werden die Ergebnisse der ersten beiden Phasen dokumentiert und den Fabrikplanern des Unternehmens zugänglich gemacht. Auch die Einsatzplanung für die definierten Fabrikmodule ist eine wesentliche Aufgabe in dieser Phase. Für jedes standardisierte Fabrikelement wird entsprechend spezifiziert, wann und in welchem Werk es in naher Zukunft eingesetzt werden soll.
Der Nutzen des Fabrikbaukastens im späteren Planungseinsatz ist in der Planungskurve im Chart oben rechts dargestellt. Der Einsatz der Standards ermöglicht konkrete Sprünge in der Kurve für die Elemente, an denen keine Ausplanung mehr erfolgen muss. Das Beispiel zeigt die Verwendung einer Standard-Werksstruktur oder eines Standard-Gebäudetyps. Hierdurch wird die Planungskurve insgesamt steiler und eine Einhaltung der Zeit- und Kostenziele im Planungsprojekt wird ermöglicht. In den Teilmodellen der Methodik selbst kommen dabei Ansätze aus verschiedenen Fachdisziplinen zum Einsatz. Hierbei sind neben der Produktentwicklung vor allem das Technologiemanagement und selbstverständlich die Fabrikplanung zu nennen- •
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