Die Erfinder des Industrie-4.0-Konzepts formulierten einst das Leitbild einer sich selbst steuernden und sich selbst konfigurierenden Produktion, die im Idealfall auch bei Losgröße 1 die Effektivität einer Massenproduktion hat. De facto wurden Daten, Analytics und künstliche Intelligenz (KI) damit als Motor der vierten industriellen Revolution erkannt: Sie sind die Voraussetzung für eine situative Selbststeuerung, bei der Maschinen auf Grundlage von Daten eigenständig Schlüsse ziehen, um auf Ereignisse adäquat, präzise und schnell zu reagieren.
Derweil hat die Europäische Kommission Daten zur „Lebensader“ der wirtschaftlichen Entwicklung erklärt – und hat dabei vor allem industrielle Daten im Blick. Die Kommission schätzt den Wert dieser Daten im Jahr 2027 allein im Fertigungssektor auf 1,5 Billionen Euro. Dieses ökonomische Potenzial können Firmen abschöpfen, wenn es ihnen gelingt, mittels Datenanalyse ihre Produktivität zu erhöhen, neue Märkte zu erschließen oder neue Geschäftsmodelle auf den Weg zu bringen.
Ernüchternde Ergebnisse
Dafür muss man aber strategische, organisatorische und technische Voraussetzungen mitbringen. Sie bilden die Säulen eines Reifegradmodells, das Hewlett Packard Enterprise (HPE) entwickelt hat. Es ordnet die Unternehmen in fünf Reifegradstufen ein, wobei die niedrigste Stufe 1 den Zustand der „Datenanarchie“ bezeichnet, bei der Daten isoliert voneinander gespeichert und kaum ausgewertet werden. Die höchste Stufe 5 bezeichnet den Zustand der Datenökonomie, mit einer durchgängigen Datenbewirtschaftung intern wie extern, wobei das Unternehmen die Daten effektiv für die Wertschöpfung einsetzt.
Auf der Grundlage dieses Reifegradmodells hat das Marktforschungsunternehmen YouGov eine Umfrage unter mehr als 800 Führungskräften in Deutschland, Österreich und der Schweiz durchgeführt – mit ernüchterndem Resultat: Der durchschnittliche Reifegrad über alle Befragten liegt bei 2,1. Kleinere Firmen mit bis zu 250 Mitarbeitenden scheide mit einem Reifegrad von 1,7 noch schlechter ab. Die Hälfte der Unternehmen beherbergt ein Ansammung von Daten-Inseln, zwischen denen es kaum Verbindungen gibt. Und zwei Drittel der befragten Vorstände und Geschäftsführer gaben an, dass ihr Unternehmen keine Datenstrategie habe.
Es gibt zahlreiche Initiativen, um die Transformation zu beschleunigen. Der Staat legt milliardenschwere Förderprogramme auf, Gaia-X ermöglicht souveränen Datenaustausch, und verschiedene Anbieter „demokratisieren“ den Einsatz von künstlicher Intelligenz (KI) mit vortrainierten KI-Modellen.
Allerdings fehlen oft die Grundlagen, um diese Hilfen zu nutzen. Gaia-X zum Beispiel schafft über so genannte Datenräume einen Zugang zu riesigen Datenpools. Aber das wird nur den Unternehmen einen großen Vorteil bringen, die in der Lage sind, externe Daten-Ökosysteme effizient und effektiv für ihre Wertschöpfung einzusetzen – und das sind laut YouGov-Umfrage gerade mal zwei Prozent der Unternehmen.
Leider gibt es keine Abkürzung auf dem Weg in die Daten-Ökonomie. Denn der erfordert Veränderungen in jeder Facette eines Unternehmens: der Strategie, der Organisation, den Prozessen, der Kultur und natürlich der Technik. Aber dieser Weg ist planbar, und es gibt Methoden, um schneller und gezielter voranzukommen.
Objektive Bestandsaufnahme als erster Schritt
Ein erster Schritt ist eine objektive und präzise Bestandsaufnahme. Dazu hat HPE das Bewertungssystem des Reifegradmodells in einem Online-Self-Assessment zugänglich gemacht. Damit können Unternehmen ihren eigenen Datenwertschöpfungs-Reifegrad insgesamt und für jede einzelne Bewertungsdimension ermitteln. Zudem können sie ihre Resultate mit den Ergebnissen der YouGov-Umfrage als Benchmark vergleichen. Teilnehmer erhalten somit ein differenziertes Bild in Bezug auf die Fähigkeit ihrer Organisation, Daten wertschöpfend einzusetzen. Außerdem erhalten sie präzise Handlungsanweisungen, die auf ihre individuellen Stärken und Schwächen zugeschnitten sind.
So kommt es beispielsweise vor, dass ein Unternehmen beim Technologie-Einsatz relativ weit fortgeschritten ist, dass sich die Geschäftsbereiche aber dagegen sträuben, Daten miteinander zu teilen. In einem solchen Fall besteht der größte Handlungsbedarf bei Strategie und Organisation. Pilot- oder Leuchtturmprojekte können dann ein Mittel sein, um Akzeptanz und Unterstützung herbeizuführen.
Der Weg zur Datenökonomie ist für die meisten Betriebe schwer und weit, aber der Lohn ist im Erfolgsfalle nachhaltiges profitables Wachstum und Souveränität über die Daten zu behalten, die für die erfolgreiche Umsetzung des eigenen Geschäftsmodell essentiell sind. Der produktive Einsatz von Daten mag heute noch oft ein Randaspekt der Wertschöpfungskette sein, künftig wird er zu dessen Kern. Besser ist es daher, man ist auf diesem Gebiet Herr im eigenen Hause.
Grafik: Hewlett Packard Enterprise
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