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„Wettbewerb ist unser Leben“

VDMA-Präsident Manfred Wittenstein zur Lage der Branche
„Wettbewerb ist unser Leben“

Den deutschen Maschinenbauern geht es so gut wie schon lange nicht mehr. Doch die Betriebe dürfen nicht nachlassen, wenn sie neue Märkte erobern und der Konkurrenz begegnen wollen, sagt der neue VDMA-Präsident Manfred Wittenstein im Exklusiv- Interview.

Welche Ziele haben Sie sich für Ihre Amtszeit als VDMA-Präsident gesetzt?

Die Welt ist im Umbruch. Durch die schnell wachsenden Schwellenländer sind uns nicht nur neue interessante Märkte, sondern auch neue Wettbewerber entstanden. Ich will einen Beitrag dazu leisten, dass es in den nächsten zehn, zwanzig Jahren noch möglich sein wird, hier erfolgreich zu produzieren. Da kommt vor allem der Bildungspolitik eine besondere Bedeutung zu.
Wie wollen Sie aktiv werden?
Leider kommt die Politik immer häufiger auf die Wirtschaft zu, um die Defizite in der Bildung ausgleichen zu lassen. Wir als VDMA sind natürlich schon sehr lange dabei, die Situation in unserer Branche zu verbessern. Seit 20 Jahren nimmt der Ingenieuranteil im Maschinenbau ständig zu. Deshalb gehen wir schon seit 10 Jahren das Problem des technischen Nachwuchses über Kampagnen an.
Wie erfolgreich sind diese?
Genau wissen wir das nicht, aber wir tragen unseren Teil bei: Die Studentenzahlen in den ingenieur- und naturwissenschaftlichen Fächern steigen, wenngleich es in der Summe noch lange nicht ausreicht. Wo immer wir können, erledigen wir unsere Aufgaben: Die Ausbildungsquote ist im Maschinenbau überdurchschnittlich hoch. Wir haben neue Berufsbilder begründet: sehr erfolgreich den Mechatroniker, und derzeit bringen wir den Beruf Produktionstechnologe auf den Weg. Wir können aber unsere Ingenieure nicht allein ausbilden. Da benötigen wir die Hilfe anderer, und es gibt noch sehr viel zu tun.
Wo kann man noch ansetzen?
Es müssen Hindernisse aus dem Weg geräumt werden, um qualifizierten Ausländern die Arbeit in Deutschland zu ermöglichen. Auch müssen wir weiter versuchen, die jungen Mädchen für die Technik zu gewinnen, was uns bislang noch nicht zufriedenstellend gelungen ist. Denn es ist klar, dass der Fachkräftemangel den Maschinenbau Umsatz und Marktanteile kostet.
Wo müssen die Maschinenbauunternehmen selbst besser werden, um dem Wandel zu begegnen?
Vernetzt denken und handeln: Diesen Gedanken müssen wir stärken. Der VDMA beweist immer wieder die hohe Vernetzungsfähigkeit der Betriebe. Denken Sie beispielsweise an die Forschungsvereinigung Antriebstechnik. Dort ist in einer 40-jährigen Zusammenarbeit eine einzigartige Vertrauensbasis entstanden. Dennoch müssen wir diesen Vorteil, den speziell die deutschen Unternehmen haben, weiter ausbauen. Ich wünsche mir zudem eine stärkere Verzahnung zwischen Hochschulausbildung und Wirtschaft. Hier sind Brüche vorhanden, die wir uns nicht leisten können.
Laut der jüngsten Studie der Impuls-Stiftung holen die chinesischen Maschinenbauer auf. Wie können die Deutschen ihren technologischen Vorsprung halten?
Wettbewerb ist unser Leben. Es entspricht nicht unserer Tradition, wie das Kaninchen vor der Schlange zu erstarren. Wir sollten uns auf unsere Stärken besinnen. Das sind die Qualität der Produkte, deren Zuverlässigkeit und die Flexibilität der Betriebe. Bei Standardlösungen, die keine besonderen technologischen Ansprüche stellen, könnten wir allerdings Probleme bekommen. Die Lösung kann also nur heißen: Innovation, Innovation, Innovation. Wir benötigen ständig neue Lösungen für ein sich wandelndes globales Umfeld.
Die Verbesserungspotenziale an den Maschinen sind schon fast ausgereizt. Wie wichtig werden Prozessinnovationen?
Bei der Energieeffizienz und bei der ressourcenschonenden Produktion, das heißt bei den Megathemen Energie und Umwelt gibt es noch viele Potenziale. Aber auch die Vernetzung in den Unternehmen selbst spielt eine größere Rolle. Wir dürfen nicht nur ein Produkt optimieren, sondern müssen das Unternehmen ganzheitlich betrachten. Es sind in den Prozessen noch gewaltige Potenziale vorhanden, beispielsweise in der Informations- und Güter-Logistik.
Wie bringt man die Kunden dazu, nicht nur die Maschine, sondern den Prozess zu betrachten und auch dafür zu bezahlen?
Auch dort müssen wir uns vom Produkt lösen. Wir verkaufen ja nicht nur das Produkt, sondern in Form von Dienstleistungen den Nutzen. Wer das gut macht, hat einen Wettbewerbsvorteil. Aber wir müssen realistisch feststellen, dass sich dies in den Köpfen erst festigen muss.
Wie kann der Maschinenbau von den neuen Märkten profitieren, die sich rund um das Thema Energie auftun?
Das Beispiel Windkraft hat ja schon gezeigt, was möglich ist. Der Maschinenbau hat einen ganzen Strauß an Technologien zur Verfügung, um neue Felder zu erschließen. Für uns stehen nicht die Endprodukte im Mittelpunkt, sondern die Fertigungstechnologien, um diese neuen Dinge herzustellen. Wer soll das können, wenn nicht wir? Ein gutes Beispiel sind die optischen Technologien, die ein sehr großes Wachstumspotenzial haben. Derzeit ließen sich beispielsweise zwei Innovationsallianzen für Energiegewinnung und Nachhaltigkeit schmieden, nämlich für die Organische Photovoltaik und den OLED-Bereich.
Viele neue Märkte entstehen im Dollarraum. Wie lange kann der exportorientierte Maschinenbau noch mit einem US-Dollar von knapp 1,50 zum Euro leben?
Währungsrelationen verändern sich, diese Kapriolen gibt es schon immer. Wir werden auch wieder mit fallenden Kursen zu rechnen haben – wir wissen nur nicht wann. Der Kurs kostet uns eben derzeit viel von der Marge und den einen oder anderen Auftrag, weil wir zu teuer sind.
Immerhin läuft endlich das Inlandsgeschäft. Der Maschinenbau steuert auf das fünfte Wachstumsjahr in Folge zu. Wie lange hält dies noch an?
Wir haben in Deutschland im OECD-Vergleich einen riesigen Nachholbedarf, was Investitionen anbelangt. Wir liegen seit zehn Jahren ganz hinten bei den großen Industrienationen. Wie lange diese Phase anhält, lässt sich aber nicht seriös beantworten. Der Maschinenbau ist schon immer Zyklen unterworfen.
Wie hart wird die Landung? Sind die Betriebe auf den Abschwung vorbereitet?
Das Auf und Ab gehört wie gesagt zur Branche. Unsere Firmen sind besser darauf eingestellt als vor 15 Jahren. Sie sind wesentlich flexibler und haben ihre Strukturen angepasst, um atmen zu können. Generell helfen uns die Zeitarbeit sowie die größeren Arbeitszeitkonten. Wir müssen uns aber dort stetig verbessern. Es kann zu Schwankungen kommen, die sich auf die Branche als Ganzes zwar kaum auswirken, aber für das einzelne Unternehmen dramatisch sind. Deshalb muss sich jeder Betrieb individuell darauf vorbereiten.
Was ist Ihr größter Wunsch an die Politik?
Von der Politik sollte man erwarten dürfen, dass sie etwas vorausschauender handelt. Und wir würden uns auch wünschen, dass sie Dinge nachhaltig reformiert und nicht erst „Hüh“ und dann „Hott“ sagt. Was mir derzeit etwas fehlt, ist der wirtschaftliche Sachverstand.
Werner Götz, Tilman Vögele-Ebering tilman.voegele@konradin.de

Zur Person
Manfred Wittenstein ist Präsident des Verbands Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA) und Vorstandsvorsitzender der Wittenstein AG in Igersheim. Seit 2004 war er Vizepräsident des VDMA, seit acht Jahren Mitglied des Hauptvorstands und seit fünf Jahren Mitglied des Engeren Vorstands. Die Wittenstein AG hat innerhalb von zehn Jahren von 1996 bis 2006 den Umsatz von gut 12 Mio. Euro auf jetzt 148 Mio. Euro erhöht und beschäftigt heute 1000 Mitarbeiter.
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