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Abschied von bekannten Techniken

Automobiltechnik: by-Wire-Technologien ersetzen Mechanik
Abschied von bekannten Techniken

Autos werden zu mechatronischen Produkten. So genannte By-Wire-Techniken aus Elektronik und Software ersetzten rein mechanische Systeme. Jüngstes Beispiel ist die elektronische Keilbremse, die ohne Hydraulik auskommt.

Das Prinzip beim Bremsen ist seit Jahrzehnten gleich: Der Tritt aufs Pedal bewirkt in einem Leitungssystem Druck auf eine Hydraulikflüssigkeit, die am Ende des Systems die Bremsklötze verstärkt auf die drehende Bremsscheibe presst. Die wird auf diese Weise eingeklemmt, was zu Verzögerung führt. Am Grundprinzip der eingeklemmten Scheibe wird sich vorerst auch wenig ändern. Ganz anders bei der Electronic Wedge Brake (EWB) von Siemens VDO. Bei dieser Bremse wird völlig auf Hydraulik verzichtet. Vom Bremspedal bis zur Bremse kommen nur Elektrik und Elektronik zum Einsatz.

Dieses Beispiel beweist die Innovationskraft hiesiger Automobilzulieferer. Immer mehr Fahrzeugteile und Komponenten der Gruppen Antrieb, Fahrwerk, Aufbau, Elektrik und Elektronik werden von ihnen in enger Zusammenarbeit mit den Fahrzeugherstellern entwickelt und gefertigt. Die Branche ist auch geprägt von einem hohen Innovationstempo. Die Unternehmen investieren stetig in Forschung und Entwicklung und sorgen mit immer neuen Innovationen für Nachfrage bei den Automobilherstellern. Zu den aktuellen Trends wie beispielsweise elektronischen Fahrerassistenzsystemen, elektronischen Abstandsmessern und Fehlerdiagnosesystemen gesellen sich auch immer mehr By-Wire-Technologien. Dieses aus der Luftfahrtindustrie kommende elektrische Ansteuern von Aktuatoren und Stellgliedern dringt immer mehr auch in die Automobile vor. Doch die meisten neuen Technologien, die zukünftig ins Fahrzeug kommen werden, wie Brake-by-Wire oder Steer-by-Wire, sämtliche Heizungen, einfach alles, was viel Strom verbraucht, werden im 12-V-Bordnetz keine Chance haben. Deshalb sollte auch das erste serienmäßige Fahrzeug mit dem 42-V-Bordnetz im Jahr 2003 auf den Markt kommen.
Doch der Traum scheint ausgeträumt, denn die Mehrkosten sind nicht tragbar. „Dem Kunden ist es nämlich gleich, ob 12 oder 42 Volt im Fahrzeug installiert sind“, so Elektronikentwickler der Hella KGaA Huek & Co. aus Lippstadt. Auch aufgrund der Kompatibilität zu den bisherigen Fahrzeugen wurde über ein Zweispannungsbordnetz diskutiert. Aber auch hier ist der Aufwand, um die selbstverständlichen Sicherheiten etwa bezüglich Kurzschlussfestigkeit oder das Vermeiden von Lichtbögen beim Schalten stromintensiver Verbraucher zu bewerkstelligen, nicht einfach zu lösen, gerade in Bezug auf die verschiedenen Schnittstellen zwischen den Netzen.
Bei zukünftigen Entwicklungen zeichnet sich vielmehr ab, dass gekapselte Anwendungen über leistungsfähige Spannungswandler lokal betrieben werden. Ein Beispiel ist die 42-V-Frontscheibenheizung bei Fahrzeugen der Audi AG, die separat über Spannungswandler betrieben wird. Auch elektrisch angetriebene Lenkungen wären bei einer höheren Spannung in Fahrzeugen der Oberklasse einsetzbar. Vom reinen 12-V-Bordnetz gespeist sind sie derzeit nur in Kleinwagen realisierbar. Noch einen größeren Schritt in Richtung gekapselte Anwendungen gehen die Ingenieure von Siemens VDO, die den Antrieb, Lenkung, Dämpfung und Bremse direkt in die Räder der Autos integrieren wollen. Das Konzept des Automotive-Bereichs der Münchener Siemens AG mit dem Namen E-Corner soll Basis für umweltfreundliche Drive-by-Wire-Autos bilden. Das E-Corner ersetzt die klassische Radaufhängung mit hydraulischen Stoßdämpfern, die mechanische Lenkung, die hydraulische Bremse und vor allem den klassischen Verbrennungsmotor. Klaus Egger, Mitglied des Bereichsvorstands des Unternehmens: „Wir sehen im Elektromotor die tatsächlich langfristige Antriebslösung, mit der auch strengste zukünftige Emissionsvorschriften erfüllt werden können.“
Das Prinzip der Vision: Vier elektrische Radnabenmotoren – also in jedem Rad einer – sollen ab zirka 2020 den bekannten Verbrennungsmotor im Auto ablösen. Den Kontakt zur Straße wird auch im E-Corner ein Reifen übernehmen, in dessen Innerem ein Sensor, den Tire Guard, den Reifendruck beobachtet. Aber schon bei der Aufhängung wird sich das Zukunftsrad deutlich von heutigen Rädern unterscheiden: Wo heute aufwendige mechanisch geprägte Radaufhängungen mit Öldruck-Federelementen dafür sorgen, dass die Passagiere eine komfortable Fahrt und die Räder immer einen sicheren Kontakt zum Boden haben, spielt in Zukunft die Elektronik eine erheblich größere Rolle. Im E-Corner übernehmen Elektromotoren die Aufgabe, für den dauerhaften Kontakt zwischen Rad und Straße zu sorgen. Die neue Aufhängung ermöglicht auch den Verzicht auf eine hydraulische Lenkung und schafft neue Freiräume: Zukünftig kann jedes einzelne Rad einen individuellen Lenkwinkel einschlagen. Beim Reduzieren der Geschwindigkeit kann schließlich der Radnabenmotor durch den Generatoreffekt als Hilfsbremse genutzt werden. Die so erzeugte elektrische Energie lädt die Fahrzeugbatterie. Muss das Tempo kräftiger gedrosselt werden, tritt eine elektronische Keilbremse in Aktion, die je nach Fahrsituation jedes Rad einzeln abbremsen kann.
Bei den Brake-by-Wire-Techniken arbeiten die Entwickler an rein elektronischen Bremsen, die gänzlich ohne Hydraulik auskommen, und die in Zukunft bei gefährlichen Situationen selbstständig Stoppvorgänge einleiten. Obwohl bei der derzeitigen E-Klasse von DaimlerChrysler die teilelektronische Bremse aus Kostengründen einem sensorgesteuertem hydraulischen System weichen musste, ist die Entwicklung nicht aufzuhalten. „Die Scheibenbremse wird zwar bis auf weiteres im Auto der Standard bleiben“, meinen auch Bremsenexperten, die ihre Neuerungen daher auf das Umfeld der bewährten Scheibenbremse konzentrieren. So sollen eine Vielzahl der so genannten Assistenzsysteme für automatisierte Teil- und Vollbremsungen mit eingebunden werden. Es ist aber nur eine Frage der Zeit, wann die Scheibenbremse abgelöst wird. Bei Siemens VDO in Schwalbach im Taunus arbeitet man mit Hochdruck an der Electronic Wedge Brake (EWB). „Bei dieser Bremse, die ab 2010 auf den Markt kommen soll, wird völlig auf Hydraulik verzichtet“, so Siemens-Bereichsvorstand Klaus Egger. Vom Bremspedal bis zur Bremse kommen nur Elektrik und Elektronik zum Einsatz. So wird der Bremsklotz mit Hilfe von Elektromotoren und einer so genannten Keillagerung an die Bremsscheibe gedrückt. Wesentlich teurer als ein herkömmliches System soll EWB nicht sein. „So etwas kann man nur auf den Markt bringen, wenn es preislich interessant ist“, so Egger.
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