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Alter schützt vor Kündigung nicht

Lange Betriebszugehörigkeit begründet nicht zwingend soziale Schutzbedürftigkeit
Alter schützt vor Kündigung nicht

Lange Betriebszugehörigkeit, hohes Lebensalter oder eine aus anderen Gründen bestehende besondere soziale Schutzbedürftigkeit schließen eine Kündigung nicht zwingend aus. Das besagt eine Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein vom 09.09.2009, Az. 3 Sa 153/09.

„Arbeitnehmer wachsen mit zunehmender Betriebszugehörigkeit nicht automatisch in eine Unkündbarkeit hinein, denn eine solche Rechtsfolge ist weder gesetzlich geregelt noch unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben beabsichtigt“, erklärt der Hamburger Rechtsanwalt und Lehrbeauftragte für Arbeitsrecht Stefan Engelhardt, Landesregionalleiter Hamburg der DASV Deutsche Anwalts- und Steuerberatervereinigung für die mittelständische Wirtschaft e. V. mit Sitz in Kiel, unter Bezugnahme auf diese Entscheidung.
Der Kläger dieses Verfahrens war seit rund 40 Jahren bei dem beklagten Betrieb beschäftigt, das Autos einer bestimmten Marke verkauft und einen Reparaturbetrieb betreibt. Der Kläger ist 55 Jahre alt und war in der Werkstatt eingesetzt worden. Er hat keine Ausbildung absolviert, hat eine Lese- und Rechtschreibschwäche und kann daher beispielsweise keinen PC bedienen. Er besitzt zudem keinen Führerschein. In der Werkstatt sind neben dem Kläger zwei ausgebildete Kfz-Mechaniker beschäftigt, von denen einer Werkstattleiter ist und in Abwesenheit von dem anderen vertreten wird.
Am 18.11.2008 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger fristgerecht zum 30.06.2009 und begründete diese mit einem Umsatzeinbruch von 70 %, so dass sie Personalkosten reduzieren müsse. Sie habe sich für die Kündigung des Klägers entschieden, weil dieser wegen der zunehmenden Elektronisierung der Autos und der Tatsache, dass er weder einen PC noch elektronische Messgeräte bedienen könne, immer weniger einsetzbar sei. Ihm könnten auch keine Probefahrten übertragen werden, da er keinen Führerschein habe.
Bei seiner Kündigungsschutzklage macht der Kläger nunmehr einen Verstoß gegen § 242 BGB geltend, weil er der Auffassung war, dass sein Arbeitgeber unberücksichtigt gelassen habe, dass er im Betrieb die längste Betriebszugehörigkeit und das höchste Lebensalter habe und somit der sozial schwächste Arbeitnehmer sei. Im Übrigen hätte die Beklagte ihn im Rahmen ihrer Fürsorgepflicht auf die zunehmende Technisierung vorbereiten und entsprechend fortbilden müssen.
Die Klage hatte in beiden Instanzen keinen Erfolg, betont Engelhardt. Das Landesarbeitsgericht hat dazu angemerkt, dass der Beklagte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger wirksam gekündigt hat, wobei der Maßstab dieser Kündigung lediglich der Grundsatz von Treu und Glauben ist, weil kein allgemeiner Kündigungsschutz besteht. Eine Kündigung verstößt nur dann gegen § 242 BGB, wenn sie Treu und Glauben aus Gründen verletzt, die von § 1 des Kündigungsschutzgesetzes nicht erfasst sind. Arbeitnehmer sind somit gemäß § 242 BGB in erster Linie nur vor willkürlichen oder auf sachfremden Motiven beruhenden Kündigungen geschützt.
Die Beklagte hat hier nicht gegen Treu und Glauben verstoßen, denn selbst bei Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetztes wäre ihr kein Auswahlfehler vorzuwerfen, weil der Arbeitsplatz des Klägers ersatzlos entfällt und er mit den anderen beiden in der Werkstatt beschäftigten Arbeitnehmern nicht vergleichbar ist.
Eine Treuwidrigkeit der Kündigung folgt auch nicht aus der langen Betriebszugehörigkeit des Klägers, seinem Lebensalter und seiner sozialen Schutzbedürftigkeit. Diese Umstände allein lassen die Kündigung nicht als willkürlich oder sachfremd erscheinen, denn es gibt keine gesetzliche Vorschrift, wonach beispielsweise nach einer bestimmten Dauer der Betriebszugehörigkeit automatisch eine Unkündbarkeit eintritt. Es existiert auch kein allgemeiner entsprechender Rechtsgedanke, der über § 242 BGB zu schützen wäre.
Eine Treuwidrigkeit der Kündigung ergibt sich auch nicht daraus, daß die Beklagte den Kläger nicht fortgebildet hat. Der Arbeitgeber kann nicht für die fehlende Qualifikation des Arbeitnehmers verantwortlich gemacht werden, denn es ist Aufgabe es Arbeitnehmers, seine Qualifikationen im Blick zu behalten und diese aktiv zu betreiben.
Engelhardt empfiehlt, das Urteil zu beachten und bei ähnlichen Fällen auf jeden Fall Rechtsrat einzuholen und verweist in diesem Zusammenhang u. a. auch auf die DASV Deutsche Anwalts- und Steuerberatervereinigung für die mittelständische Wirtschaft e. V. – www.mittelstands-anwaelte.de.
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